piwik no script img

Neues ZDF-Format mit Jan FleischhauerÖffentlich-rechtes Trashfernsehen auf Trip

Uli Hannemann

Kommentar von

Uli Hannemann

Ein neuer ZDF-Talk ist misslungen. Selbst vorauseilenden Gehorsam gegenüber Forderungen nach mehr rechten Inhalten muss man eben erst mal hinbekommen.

Reyhan Şahin alias Lady Bitch Ray und Jan Fleischhauer, Promofoto zu „Keine Talkshow – Eingesperrt mit Jan Fleischhauer“ Foto: Thomas Kost

W as für ein rasant geschnittener Trailer, denkt man zunächst. Im raschen Wechsel schreien sich zwei Leute an. Bevor ein Argument vertieft wird: Schnitt. Aus unerfindlichen Gründen hat man sie in viel zu kleine historische Schulpulte gezwängt, wie in so mittelalterliche Folterinstrumente.

Es wirkt wie das Vormittags-Trashformat eines Privatsenders. „Richterin Barbara Salesch“ meets „Fear and Loathing in Las Vegas“, Unterschichtenfernsehen auf Trip. Dabei wollte man doch über das neue Streitformat „Keine Talkshow – Eingesperrt mit Jan Fleischhauer“ schreiben, mit der ersten Folge zum Thema „Von Integration und Parallelgesellschaften“.

Hat uns das ZDF den falschen Link geschickt? Doch dann erkennt man Jan Fleischhauer und Reyhan Şahin alias Lady Bitch Ray: „Ich fühle mich gut, weil ich gleich Fleischi sehen werde“, verrät sie uns. Erneuter Schnitt: Sie betreten eine Art Bunker. Graue Wände, an einer von ihnen hängt eine Weltkarte, und in der Ecke steht eine Tafel. Ist das die Message: Die letzten Tage im Schulbunker?

Auch eine Teeküche gibt es, weil sie so tun, als ob sie tagelang eingesperrt sind. Vielleicht sind sie das auch. Umso bitterer, wie wenig dann dabei herauskommt: Rassistische Stereotype hier, der überstrapazierte „alte weiße Mann“ da – „wir bilden den verkanteten Diskurs in Deutschland ab“, sagt Fleischhauer. Immerhin das stimmt.

„Keine Talkshow – Eingesperrt mit Jan Fleischhauer“

ab Freitag, 21. November, 10.00 Uhr, im ZDF-Streaming-Portal und am Dienstag, 25. November ab 0.15 Uhr im ZDF

Wann fängt die Sendung endlich an?

Dazwischen Interviewschnipsel, in denen beide ihren Standpunkt jeweils solo in aller Ruhe wiederholen. Aber wann fängt die Sendung endlich an? Denn dieser Trailer, den man vom ZDF zugeschickt bekam, zieht sich. Am Ende ist er 28 Minuten lang, danach ist Schluss. Das ist ja merkwürdig. Aus einem bloßen Teaser kann der gewissenhafte Kulturberichterstatter natürlich keine Rezension erstellen. Also ruft man beim ZDF an: Supersorry, aber ob es vielleicht noch eine zweiten, versteckten Link gebe, mit dem man dann die eigentliche Sendung …?

Nach einem kafkaesken Gespräch mit dem Mitarbeiter dort wird klar: Das ist die Sendung – grelle Diskussionssnippets, in denen Antisemitismus, Schulprobleme, Homophobie, Sexismus im Schnelldurchlauf abgehakt werden: „Grabscher im Schwimmbad“ seien „komischerweise niemals Deutsch-Chinesen“, weiß die „absolute Mehrheitsmeinung“ im blauen Anzug, sondern – er senkt fast schamhaft die Stimme – Konstantin Wecker, nee, sorry, Araber natürlich. Das Schwimmbad gehört zum Stadtbild.

Vergeblich erinnert Reyhan Şahin an das Oktoberfest. Sie klingt aufgebracht, aber mit dem immer gleichen Müll konfrontiert, die Ruhe zu bewahren, ist für Nichtprofis in dem Metier auch nicht leicht. Denn Fleischhauer will über Zahlen reden, nachvollziehbar, wenn man von der fremden Welt sonst nichts kennt: Wie viel Prozent der Kinder kein Deutsch können, doch wie die Zahlen zustande kommen, interessiert ihn nicht. Für ihn kann es nur an der „ethnischen Gruppe“ liegen. Andere Gründe wie Akzeptanz in der Gesellschaft, Startbedingungen, Verteilung der Ressourcen scheinen nicht zu existieren. Die bleiben der Elefant im Bunker.

„Das ist Big Brother“, sagt Fleischhauer in einer Interviewpassage. Insofern täuscht der Eindruck des Krawallformats nicht. Eine Metaebene ist nicht zu erkennen, falls man Unterschichtenfernsehen nur zitieren wollte. Dazu fehlt der Bruch, und ohne den funktioniert das Stilmittel nicht. Der ganze Versuch ist auf spektakuläre Weise misslungen.

Warum macht Fleischhauer das: Um auch mal bei den ganz bösen Buben mitzuspielen? Doch während die Poschardts und Matusseks die grobe Faschoscheiße rausrotzen, wirkt das bei ihm alles so ein bisschen drollig, banal, unbeholfen; wie ein nach dem ersten Radler mutig gewordener Religionsschüler, der seine Provokationen an die Wände des Schulklos schmiert: „Rassismus, nö, ich habe Interesse daran, dass Deutschland ein fröhliches, freundliches, prosperierendes Land bleibt.“

Und was will der Sender? Es scheint gegenwärtig ein Bemühen der Öffentlich-Rechtlichen zu geben, „rechter“ zu werden, um sich im schlimmsten Fall auch heil in Höckes Reich hinüberzuretten. Aber ist das wirklich nötig, da doch die Talkshows bereits randvoll mit rechten Schreihälsen stecken, bis die False Balance eines Tages doch zur richtigen geworden ist?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Uli Hannemann
Seit 2001 freier Schreibmann für verschiedene Ressorts. Mitglied der Berliner Lesebühne "LSD - Liebe statt Drogen" und Autor zahlreicher Bücher.
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Okay fair enough, aber warum sollte man dem ÖR jetzt genau vorwerfen, zwei Meinungen gegeneinander zu stellen? Weil die eine nicht der eigenen entspricht, egal wie dumm sie ist?

  • Fleischhauer hat irgendwann mal seine persönliche Abnabelung vom Vater mit dem Wunsch nach neuen geistigen Vätern und "Starksein" öffentlich verknüpft zu einem Einsortieren bei Rechts, was sein Recht ist. Keine Hetze im ÖR, bitte, doch Vielfalt erfreut.



    Ein Journalist muss dabei weiterhin unabhängig von Haltung Leistung liefern. So wie hier beschrieben, ist das Rechercheverweigerung und Anbiederung bei den komplett Denkfaulen. Schade, denn Fleischhauer könnte es ja wohl eigentlich besser.

  • Yeah, genau: noch mehr rechte Scheiße im ÖRR ist genau, was wir dringend brauchen. Die parteiische unausgewogene Berichterstattung, die oft einfach unhinterfragt, die Lügen von PolitikerInnen nachblökt, reicht einfach noch nicht. Mehr Einzelfälle von bösen Asylanten oder Bürgergeldempfängern statt Statistiken und Analyse von Fakten, werden uns helfen auf dem Weg in den Faschismus. Die nächste Regierung wird sowieso blau-schwarz, wozu nicht gleich das Fernsehen dieser Zukunft machen?