Neues Küchengerät: Was ist Ihr liebstes Versateil?
Plötzlich entdeckt unser Kolumnist überall Multifunktionswerkzeuge. Eins liebt er besonders: den Deichschabba.
H aben Sie es auch schon bemerkt? Das stärkste Verkaufsargument ist derzeit, wenn etwas wie ein Leatherman oder ein Schweizer Taschenmesser daherkommt: Je mehr Funktionen, je vielseitiger einsetzbar, umso besser. Wobei, benutzen Sie statt „vielseitig“ lieber den englischen Begriff „versatile“.
Der kommt mir vor allem auf Instagram ständig entgegen. Es ist ja schon drollig, was sich der Algorithmus an Sachen ausdenkt, die ich brauchen könnte, und mir dann Werbung dafür zeigt. Irgendwo in der Beschreibung steht auch das V-Wörtchen mit dabei.
Ich frage mich: Woher kommt auf einmal wieder das Faible für das Multitool? Hängt es mit den krisenhaften Zeiten zusammen, dass Menschen sich gern mit Gegenständen umgeben, die zu unausdenkbaren Gelegenheiten ungeahnte Fähigkeiten entwickeln können?
Oder liegt es nur daran, dass man nicht bio, nachhaltig, fair gehandelt oder irgendein anderes moralisches Prädikat draufschreiben kann? Das wenigstens waren meine Gedanken, als ich eine Packung Koriander aus dem Supermarkt aufriss und auf der Verpackung las: „Vielseitig einsetzbar.“ Hätte nicht auch „vegan“ oder „glutenfrei“ gereicht?
Wobei der Algorithmus recht hat. Ich mag selbstverständlich Dinge, die sich unerwartet als Multifunktionswerkzeug entpuppen. Dass ich das sogar bei der Arbeit in der Küche erleben darf, hätte ich mir nicht mehr ausgemalt. Es handelt sich, ich benutze nun uneindeutig den fränkischen Begriff, um einen „Deichschabba“. Das hat nichts mit Küstenschutz zu tun, sondern ist eine einfache Teigkarte. Ein quadratisches Stück Edelstahlblech mit einer Kunststoffleiste als Griff.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Benutzt habe ich es anfangs allein, um Teigreste von der Arbeitsplatte oder meinen Händen zu kratzen. Aber inzwischen geht nichts mehr ohne den Schabba. Er liegt neben dem Küchenbrett, wenn ich Zwiebeln oder Gurken schneide. Schiebt man die Würfel mit der Teigkarte in die Schüssel, spart man sich das Wischen. Und schont die Messerklinge, die ich früher dafür benutzt habe. Darüber hinaus schneidet das Ding wunderbar weiche Zutaten wie Butter oder Käse. Ist das Blech feucht, sogar ohne zu kleben.
Spachtelarbeiten hat es auch schon einige erledigt, nicht nur in der Küche mit Eischnee, Schokoladenganache oder Schlagsahne. In einem Gasthaus fallen ständig Reparaturarbeiten an, und der Teigschaber ist ein Supertool, um Silikonfugen zu legen, Risse und Löcher zu verspachteln. Die abgerundeten Ecken habe ich sogar schon als Schraubenzieher verwendet.
Inzwischen habe ich ein Dutzend Deichschabba, auch welche mit Stiel, die benutze ich als Kochlöffel. Echte Versateile.
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