Neues Gurkenprojekt der CDU: Knatterkisten für alle
Verkehrsminister Andreas Scheuer (CDU) will den Menschen so gern helfen. Leider ist das dann aber meistens gesundheitsgefährdend.
Herdprämie, Flugtaxis, Stoibers Transrapid zum Flughafen, die Ausländermaut – nun wird die Liste der CSU-Gurkenprojekte noch länger: Autofahrer sollen künftig auch ohne zusätzlichen Führerschein Motorräder mit bis zu 125 Kubikzentimetern und maximal 15 PS fahren dürfen – so ein Entwurf aus dem Verkehrsministerium. Derzeit ist für die 125er ein eigener Führerschein nötig. Für etwa 1.300 Euro. Künftig sollen Autofahrer über 25, die seit fünf Jahren den Auto-Führerschein haben, nur noch eine Kurzschulung mit fünf 90-minütigen Fahrstunden absolvieren.
Klar ist: Minister Andreas Scheuer (CSU) will den Menschen wirklich helfen. Deshalb sind Tempolimits „gegen jeden Menschenverstand“, die Stickoxid-Grenzwerte der EU „masochistisch“, Fahrverbote von Betrugsdieseln „grundfalsch“. Scheuer „fährt“ mit dieser Politik nicht schlecht. Bei der EU-Wahl kam die CSU in Bayern auf gut 40 Prozent. Dort hat man auch nichts gegen sexistische Fahrradhelm-Plakate. Oder gegen Scheuers Idee, 12-Jährige auf die E-Roller zu lassen. Das verhinderte der Bundesrat.
Und bei den Knatterkisten für quasi alle? Ist das Echo auch für Scheuer-Verhältnisse underwhelming. Die KTMs, Hondas und Yamahas verpesten ja nicht nur Umwelt und Ohren, sie haben auch keine Knautschzone. Das Unfallrisiko für Motorräder ist dreimal höher als das für Autos. Die Fachwelt ist auf der Zinne. Der TÜV schreibt, für die Sicherheit seien die Kurztests „verheerend“.
Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat ätzt, die kleinen Motorräder führen schneller als 100 Sachen und seien nach den größeren Motorrädern die gefährlichste Klasse der Unfallstatistik. „Fraglich“, wieso Scheuer jetzt „plötzlich“ die Anforderungen dafür senken wolle – also alles nur wegen der Mautklatsche?
Wir von der taz waren natürlich beim Zivildienst. Viel krasser als das Piffpaff der Jungs beim Bund, deren Papis CDU oder CSU wählten. Die Station in unserem Reha-Zentrum war voller Motorradunfallopfer mit schlimmsten Symptomen. Es gab einen „braunen Salon“ mit den übelsten Fällen, in dem die Zivis alles und auch die Wände putzen mussten.
Vorschlag: Wir machen es wie bei der Grundsteuer. Die Länder bekommen eine Öffnungsklausel und die CSU erlaubt in Bayern allen Scheuerandis, künftig auch mit Warp-Antrieb ohne Lappen über die A9 heizen zu dürfen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen