piwik no script img

Neues Freihandelsabkommen USA-MexikoDer Tequila-Deal

Trump und Enrique Peña Nieto haben einen neuen Deal hinbekommen. Der könnte Jobs in die USA zurückholen. Kanadas Rolle ist noch unklar.

Trump telefoniert mit Peña Nieto und beglückwünscht sich und ihn zu einem „großen Tag für den Handel“ Foto: dpa

New York taz | Donald Trump hat das „nordamerikanische Freihandelsabkommen“ NAFTA immer wieder als „Katastrophe“ bezeichnet. Und er hat die Beziehung zu Mexiko mit rassistischen Beleidigungen und der absurden Forderung, der südliche Nachbar solle für die Mauer bezahlen, die Trump längs der Grenze bauen lassen will, so stark belastet, dass Präsident Enrique Peña Nieto bereits mindestens zweimal Besuche in Washington kurzerhand abgesagt hat.

Am Montagmittag allerdings, als Trump seinen eigenen, in den vergangenen Monaten ausgehandelten Handelsvertrag mit Mexiko vorstellen will, ist das alles vergessen. Der US-Präsident raspelt Süssholz: „Enrique“, sagt er bei einer im letzten Moment organisierten Pressekonferenz in das auf Lautsprecher geschaltete Telefon auf seinem Schreibtisch im Oval Office und nennt den mexikanischen Präsidenten am anderen Ende der Strippe einen „Freund“. Er lobt ihn – und sich – für einen „großen Tag für den Handel“ und schlägt vor, sich gegenseitig zu der „phantastischen Sache“ zu gratulieren. „Der Deal ist gut für unsere beiden Länder – für die Arbeiter, die Farmer und die Bürger“, sagt Trump ins Telefon. Peña Nieto bleibt in der Ansprache distanzierter. Dafür schlägt er „Präsident Trump“ vor, mit einem Tequila zu feiern. Trump, der keinen Alkohol trinkt, schaut gequält.

Tatsächlich ist der Deal bislang nur ein Vorvertrag. Zahlreiche Einzelheiten sind noch unter Verschluss. Bekannt ist, dass künftig mehr Autoteile im Inneren der Freihandelszone hergestellt werden sollen: 75 statt bislang 62,5 Prozent. Und dass ein bestimmter Teil der beteiligten ArbeiterInnen (40 bis 45 Prozent) künftig Löhne von mindestens 16 Dollar die Stunde erhalten sollen. In seinem eigenen Wahlkampf hatte Trump versprochen, er werde Fabriken und Arbeitsplätze zurückholen. Zweieinhalb Monate vor den Halbzeitwahlen versucht er nun, Vollzug zu melden. Die 75 Prozent-Regel könnte bewirken, dass ein Teil der Autoproduktion von China nach Mexiko verlagert wird. Und die Festlegung von Stundenlöhnen könnte dazu führen, dass manche Arbeitsplätze zurück in die USA wandern.

Doch darüber hinaus sind wesentliche Vertragsbestandteile noch unbekannt. US-Regierungssprecher erklären, der Deal sei in allen Punkten besser als Nafta, auch was Regelungen über geistiges Eigentum und Finanzdienstleistungen anbelangt. Aber bislang hat die Sache nicht einmal einen Namen, auf den sich alle Beteiligten geeinigt hätten – wobei ebenso wenig klar ist, wer die Unterzeichnerländer sind. Trump will nicht von „Nafta“ sprechen, weil das einen „negativen Klang“ habe. Auch das Stichwort „Freihandel“ vermeidet er konsequent. Im Wahlkampf benutzte er das Stichwort „Freihandel“ wie ein Schimpfwort, aber nach seinem Amtsantritt holte er sich Berater, die Freihandelsbefürworter sind.

Mexiko will, dass Kanada dabei bleibt

Am Telefon mit Peña Nieto nennt Trump den Deal: „US-amerikanisch-mexikanisches Handelsabkommen“. Er meint, das klinge „elegant“. Aber Peña Nieto spricht weiterhin von dem „nordamerikanischen Freihandelsvertrag“. Ein weiterer Unterschied: Anders als Trump will Peña Nieto, dass Kanada dabei bleibt. Trump, der schon mehrere weitere internationale Verträge aufgekündigt hat, zieht es auch in diesem Fall vor, bilateral statt multilateral vorzugehen. Kanada soll am Ende lediglich den fertigen Deal zu unterschreiben.

Seit dem Eklat zwischen Trump und dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau im Anschluss an den G-7-Gipfel im Juni haben die USA und Mexiko ohne Kanada verhandelt. Dabei war Trumps Schwiegersohn Jared Kushner federführend. Der ist mit Mexikos Außenminister Luis Videgaray befreundet. Vor zwei Jahren hatte Kushner für Trump im Rahmen seines Wahlkamps einen Blitzbesuch in Mexiko-Stadt organisiert.

Der US-Präsident will den Vertrag Ende November unterschreiben – bevor der mexikanische Präsident die Geschäfte an seinen Nachfolger Andrés Manuel López Obrador übergibt. Zwar hat der Nachfolger laut Trump die Verhandlungen unterstützt, aber offenbar will das Weiße Haus kein Risiko eingehen.

Um bis Ende November unterschreiben zu können, braucht Trump allerdings die Zustimmung des US-Kongress zu dem Vertrag. Und um wiederum die dafür vorgesehene Frist von 90 Tagen einhalten zu können, muss der Vertrag bis Ende dieser Woche an den Kongress gehen. Dort war offenbar wenig über den Stand der Verhandlungen mit Mexiko bekannt. Mehrere Abgeordnete – darunter auch Republikaner – zeigten sich am Montag verwundert über das Hauruckverfahren. Mehrere Abgeordnete drängten auch darauf, Kanada – den wichtigsten Absatzmarkt für zahlreiche US-Produkte – unbedingt einzuschliessen.

Auch einige Gewerkschaften zeigen sich besorgt

Auch mehrere Gewerkschaften warnten vor der Eile. „Wir wollen ein Abkommen, dass gut für die Arbeiter in allen drei Ländern ist“, schreiben sie in einer gemeinsamen Erklärung. Die Chefs des Gewerkschaftsdachverbands AFL-CIO, der Stahlarbeitergewerkschaft USW, der Autoarbeitergewerkschaft UAW und der Kommunikationsarbeiter verlangen Einblick in den Abschlusstext des Abkommens sowie Garantien für die Umsetzung und Einhaltung bestimmter Regeln. Bei den „großen Drei“ – den US-amerikanischen Autoherstellern GM, Ford und Fiat-Chrysler – hingegen sorgt der Deal für Euphorie. Bei ihnen stiegen am Montag direkt nach Trumps Telefonat mit Peña Nieto die Aktienkurse.

Kanada, das seit 1994 Nafta-Mitglied ist, hat, wenn es nach Trump geht, bis zum Ende der Woche Zeit, um in den Deal einzusteigen. Die kanadische Außenministerin Chrystia Freeland will Dienstag nach Washington reisen. Für den Fall einer ausbleibenden Einigung droht Trump dem nördlichen Nachbarn mit Strafzöllen. Gegen einen Alleingang mit Mexiko hat er nichts einzuwenden. Und der mexikanische Außenminister – der Freund von Trumps Schwiegersohns – versichert, dass Mexiko auch bereit sei, allein mit den USA, also ohne eine Beteiligung Kanadas, zu unterzeichnen.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • "Und dass ein bestimmter Teil der beteiligten ArbeiterInnen (40 bis 45 Prozent) künftig Löhne von mindestens 16 Dollar die Stunde erhalten sollen."

    Der Prozentsatz sollte höher sein, zeigt aber bei Handelsabkommen die einzig gerechte Lösung: Wenn Hersteller ihre Produktion aus Kostengründen in Billiglohnländer auslagern können sie die Menschen vor Ort trotzdem nicht mehr mit einen Hungerlohn abspeisen. Daran können sich unsere schnarchnasigen EU Politiker mal ein Beispiel nehmen; vor allem im Hinblick auf die europäischen Textilkonzerne.

    Für Mexico bedeuten die 16 Dollar, daß sich eine Mittelschicht entwickeln kann, die wiederrum kaufkräftig genug ist um mehr z.B. auch aus den USA importierte Waren zu kaufen.

    Wenn dieses Beispiel von Handelsverträgen Schule macht gewinnen letztlich alle - außer die großen und international vernetzten Konzerne. Dies ist wohl auch der Grund warum Trumps Handelspolitik so hart bekämpft wird und er als "Protektionist" gebrandmarkt ist.

  • „Und der mexikanische Außenminister – der Freund von Trumps Schwiegersohns – …“



    Aufgrund dieser „Freundschaft“ sollte sich doch eine Finanzierungsmöglichkeit für die „Mauer“ schaffen lassen. Vorausgesetzt, der mit einer (möglichen) Schmiergeldzahlung Beauftragte wechselt nicht unverhofft die Seiten und wird zum Kronzeugen. Manafort lässt grüßen . . . ach nein, bei dem war es doch SCHWEIGEgeld!