Kanada und Trumps Wirtschaftsdeal: Trudeau in der Nafta-Klemme
Kanadas Premier braucht einen Erfolg bei den Nafta-Verhandlungen. Er darf gegenüber den USA keine Schwäche zeigen.
VANCOUVER taz | Spätestens seit dem gescheiterten G7-Gipfel in Charlevoix im Juni steht es zwischen Justin Trudeau und Donald Trump nicht zum Besten. Seit der US-Präsident das Treffen per Twitter platzen ließ, den kanadischen Premier und Gastgeber mit Beschimpfungen überzog und Kanada mit Strafzöllen belegte, haben sich beide Regierungschefs wenig zu sagen.
So auch beim Thema Handel: Als Trump am Montag eine vorläufige Nafta-Einigung mit Mexiko verkündete, wurden die Kanadier auf dem falschen Fuß erwischt. Außenministerin Chrystia Freeland musste ihre Europareise abbrechen, um sich in Washington wieder in die Verhandlungen einklinken zu können. Zuvor hatte Trump Kanada mit einem Ausschluss gedroht, falls der nördliche Nachbar nicht zu neuen Zugeständnissen bereit sei.
Jetzt steht für Kanada viel auf dem Spiel und Trudeau ist unter Zugzwang. Die Kanadier verbuchen rund drei Viertel ihres gesamten Außenhandels mit den USA, die Volkswirtschaften beider Länder sind eng miteinander verflochten, viele Konzerne operieren auf beiden Seiten der Grenze. Das Land kann es sich nicht leisten, bei einem neuen oder erneuerten Freihandelsabkommen nicht mit dabei zu sein.
Zumal die USA nur dann die zuletzt gegen Kanada verhängten Strafzölle auf Aluminium und Stahl wieder aufheben wollen. Die treffen Kanada hart, denn das Land verkauft an keine andere Nation so viel Aluminium und Stahl wie an die USA. Auch die kanadische Forstwirtschaft, der Luftfahrtkonzern Bombardier und die kanadische Papierindustrie waren mit US-Strafzöllen überzogen worden.
Die Zeit drängt, denn die Kanadier sollen laut Trump nur wenig Zeit haben, den Vereinbarungen mit Mexiko zuzustimmen. Am Montag sprachen Trudeau und Trump wieder miteinander in einem Telefonat, das „konstruktiv“ verlaufen sei, wie es am Abend offiziell in Ottawa hieß. Aus der Diplomatensprache übersetzt heißt das, man war recht nüchtern zueinander.
Die Differenzen beider Länder sind groß
Die Regierung Kanadas erklärte am Dienstag, die Annäherung zwischen den USA und Kanada sei eine notwendige Voraussetzung für die Fortsetzung der Gespräche. Die Ankündigung von Mexiko und den USA sei „ermutigend“. „Wir werden nur ein Abkommen unterzeichnen, das gut für Kanada und gut für die Mittelschicht ist“, sagte ein Sprecher. Kanadas Unterschrift sei notwendig für das Zustandekommen.
Die Differenzen beider Länder sind groß: Trudeau beharrt darauf, dass ein Abkommen alle drei Partner umfasst, Trump dagegen kann sich auch zwei separate Verträge vorstellen, einen mit Mexiko und einen mit Kanada. Notfalls will er ganz ohne den nördlichen Nachbarn weitermachen. Kanada steht insbesondere unter Druck, die Neuregelungen zur Autobranche zu akzeptieren. Ansonsten drohen dem Land in diesem Bereich US-Zölle.
Beim Thema öffentliche Aufträge besteht Trudeau auf Wettbewerb, Trump dagegen will Kanada von Auftragsvergaben in den USA weitgehend ausschließen
Beim Thema öffentliche Aufträge besteht Trudeau auf Wettbewerb, Trump dagegen will Kanada von Auftragsvergaben in den USA weitgehend ausschließen. Die Kanadier wollen die Schlichtungen aus dem Nafta-Vertrag erhalten, während die Amerikaner diese einschränken möchten. Kanada fordert einen unbegrenzten Vertrag, die USA und Mexiko haben sich auf eine sechsjährige Verfallsfrist geeinigt.
Besonders schwierig ist auch das Kapitel Landwirtschaft. Kanada hat seine Milch- und Agrarindustrie weitgehend vor der ausländischen Konkurrenz abgeschottet und schützt seine Milchbauern derzeit mit hohen Zöllen. Trudeau steht unter starkem innenpolitischem Druck, den USA hier nicht nachzugeben. „Meine Position, wenn es um Versorgungsketten geht, hat sich nicht verändert“, sagte Premierminister Justin Trudeau am Dienstag mit Blick auf die Milchindustrie. Aber auch Trump muss den US-Farmern, die zu seinen treuesten Wählern gehören, Erfolge zeigen können.
Politisch braucht Trudeau einen Nafta-Erfolg mindestens genauso wie Trump. In Kanada sind in gut einem Jahr Parlamentswahlen, und die Umfragewerte des Premiers waren zuletzt merkbar gesunken. Trudeau muss jetzt den USA entgegenkommen, ohne dass die Wähler den Eindruck bekommen, er sei gegenüber Trump eingeknickt. Es ist ein schwieriger wie riskanter Balanceakt für Justin Trudeau. (mit dpa)
Leser*innenkommentare
Joachim Petrick
Dank an Jörg Michel für diesen Beitrag
Die USA öffnen in voller Kenntnis der Subventionierung eigener und der Exportwirtschft anderer Länder in allen Bereichen über erzieltes Steueraufkommen die Büchse der Pandora zu weiter erhöhter Subventionierung desselben, wenn diese nun in Gestalt US-Präsident Donald Trump peu a peu international unbefristete Atomrüstungs- , Handels- , Währungs- , Wirtschafts- , Klimaschutzabkommen aufkündigen, bilaterale Vereinbarungen mit abgespochenem Verfallsdatum anstreben, Strafzölle gegen jene Länder verhängen, die sich diese Entwicklung verweigern und sei nur, dass sie zögerlich sind.
Welches Schuldner- bzw. Gläubigerland das Nachsehen hat, könnte zur Frage von Krieg und Frieden werden, wenn die USA, statt über drastische Dollar Kurssenkung wie bisher,noch durch konventionellen, atomaren Rüstungsexport, angesichts zweiter Weltleitwährung Euro seit 2003, dessen Valuta Massen, ihre Auslandsschulden nicht mehr einfach globalisieren können, womöglich mehr als Handelskriegsjagd auf ihre Gläubigerländer machen?
Geht es folgich auch um Mechanismen des Ausgleichs in Weltwirtschaft, Unwuchten in Länderhandelsbilanzen einzuebnen, ähnlich dem ESM im Krisenfall?
Bei dieser Trump Art Weltwirtschaftspolitik mit vorgehaltenem Colt sitzen die USA mit 20 Billionen $ im Ausland in der Kreide - Binnenschulden öffentlicher Hand, Millionen Privathaushalte nicht gerechnet - auf dessen Ankauf von US-Staatsanleihen in unbekannter Höhe angewiesen, mit heruntergelassenen Hosen nackt und bloß als ein Bild sozialen und ökonomischen Jammers da, der nicht enden will, trotz und wg. gegenwärtigem Boom schuldengetriebener US-Blasenwirtschaft, aufgrund von asymmetrisch demobilisierend, um nicht zu sagen korrumpierend steuerlicher Entlastung als monetäres Strohfeuer.
Die Amis drohen uns. Das klingt inzwischen so wie bei "Olaf macht Mut", wenn Olaf, den Polen mimt, der 2018 in Warschau wie 1939 Alarm ruft "Die Deutschen kommen!" Wie viele "Ganze Vier."