piwik no script img

Neues Banksy-Werk in LondonWiderstand ist wasserfest

Donata Künßberg
Kommentar von Donata Künßberg

Banksy hat mal wieder einen Coup im Kampf um den öffentlichen Raum gelandet. In London trotzt das Gemälde der Justiz- und den Putzmitteln.

Neues Bansky-Kunstwerk am Royal Courts of Justice in London. Es zeigt einen Richter, der einen Demonstranten mit einem Hammer schlägt Foto: Vuk Valcic/SOPA/imago

D ie Kunst des erfolgreichsten Street Artist der Welt ist ohne sein Zutun etwas besser geworden – Banksy hat unerwartete künstlerische Kollaborateure erhalten. 
An einem Gerichtsgebäude in London war am Montag ein neues Motiv erschienen.

Ein Richter in Robe und lockiger Rosshaarperücke erhebt sich bedrohlich über eine am Boden liegende Gestalt, er holt mit dem Gerichtshammer zum Schlag aus. Die Figur am Boden öffnet eine Hand zu einer Geste der Aufgabe, mit der anderen Hand hebt sie ein Protestschild abwehrend über sich. Blutrote Farbspritzer darauf bilden den einzige Farbakzent, die Gewalt hat also bereits begonnen, doch ein Schlag reicht der Justiz nicht.


Dieses Abbild einer permanent bevorstehenden weiteren Gewalttat innerhalb einer von Kräfteungleichheit bestimmten Situation ist typisch für Banksy. Als Wohngemeinschafts-Mitbewohner habe er seinen Mietanteil in ein verschlossenes Glas mit der Aufschrift „World Peace“ gefüllt, das zwingend zerschlagen werden musste, um ans Geld zu kommen – mit solchen Banksy-Persiflagen traf der britische Autor und Comedian Demi Adejuyigbe schon vor 10 Jahren ins Schwarze.

Denn Banksys Anmerkungen zu Politik und Gesellschaft leben von einer klaren Aufteilung der Welt in Gut und Böse. Auch stilistisch und bildsprachlich sind seine Arbeiten, wie das aktuelle Motiv zeigt, unterkomplex und emotional, aber dadurch auch zugänglich und einprägsam.

Das Logo der taz: Weißer Schriftzung t a z und weiße Tatze auf rotem Grund.
taz debatte

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.

Spur des Unliebsamen

So kommt es, dass die überraschende künstlerische Kollaboration mit Reinigungskräften, die versuchten, das Werk am Gerichtsgebäude zu entfernen, etwas mehr Gravitas ins Werk einschreiben konnte:

Als Spur des Unliebsamen, dessen Abwesenheit lauter spricht, als es der abgenudelte Stencil-Look im Jahr 2025 noch könnte, ist nun nur noch die dunkle Silhouette von Richter und Gehenktem zu sehen. Der Versuch der Macht, mit Putzmitteln die Deutungshoheit über den öffentlichen Raum zurückzugewinnen, ist vorerst gescheitert.

Die Betrachtenden sehen das Scheitern, trotz der Kräfteungleichheit. Die Reinigungsarbeiten dauern an.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Donata Künßberg
Social Redakteurin
Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • Um der „Wahrheit" mal die Ehre zu geben - Köln und der Altmeister der Sprayer ... : taz.de/Die-Wahrheit/!6042843/

    • @StarKruser:

      Der Nägeli wird alle paar Jahre wieder weggeputzt.

  • Wenn es da ist, wo ich es gerade vermute, ist es an einer sehr belebten Straße. Selbst ein flinker Sprayer muss da Nerven haben.



    Den Richterhammer des Gesetzes so umzudeuten ist schon nachdenkenswürdig, zumal nicht nur in Großbritannien Überreaktionen aus Angst vor "Antisemitimus" eine ganz nachvollziehbare Demonstration für Palästinenserrechte und gegen Netanyahu-Israels Vorgehen brutal angingen.

    • @Janix:

      Ein Meister seiner Technik:



      Dazu bei ibp-magazin.de



      "Die Technik hinter Banksys Kunst



      Banksys Kunst ist untrennbar mit der Technik der Schablonen verbunden, die er meisterhaft einsetzt. Diese Technik ermöglicht ihm, seine Graffiti schnell und effizient auf Wände zu bringen, was besonders in der illegalen Street-Art-Szene von großer Bedeutung ist. Obwohl die Verwendung von Schablonen von einigen Street-Art-Künstlern als unoriginell kritisiert wird, hat Banksy damit eine einzigartige Ausdrucksform entwickelt. Seine Fähigkeit, komplexe und provokative Bilder in kürzester Zeit zu erstellen, hat ihm nicht nur die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, sondern auch die der Medien eingebracht."



      Interessant auch für Unbeteiligte dieser "Kunstszene" wie mich.

  • Was sollen die Seitenhiebe auf Banksy? "Abgenudelter Stencil-Look" ist doch reine Feuilletonistinnenwichtigtuerei für's Establishment. Es ist eine klassische Streetart-Technik. Man würde ja auch nicht sagen, dass Öl auf Leinwand abgenudelt ist. Und "unterkomplex" hört sich auch ziemlich abwertend an für eine klare, Bildsprache, die es für eine eindeutige politische Botschaft eben braucht. Das Piece ist einfach geil.

    • @John Lemon:

      Sehe ich auch so.



      Bei heute.at



      "Ein Nutzer entgegnet, dass Gerichte neutral bleiben müssen: "Slogans, die Unterstützung für irgendeine Sache ausdrücken, sollten auf dem Gelände des Gerichts nicht erlaubt sein, um diese Neutralität nicht zu untergraben." Jemand behauptet hingegen, dass die Entfernung Teil des Kunstwerks sei. "Das war die Intention des Künstlers", schreibt die Person."



      Auch hier stimme ich eher zu.



      "Kunst als Waffe des Widerstands** Banksys Werke entstehen im Verborgenen und tauchen plötzlich und unerwartet auf: an Hauswänden, Brücken oder sogar in Kriegsgebieten. Mit präzisen Schablonen und beißendem Sarkasmus thematisiert er politische Ungerechtigkeit, Konsumwahn, Umweltzerstörung und soziale Ungleichheit. Werke wie „Girl with a Balloon“ – das sich 2018 vor den Augen erstaunter Auktionsbesucher*innen selbst zerfetzte – oder die umstrittene Installation „Dismaland“, ein düsteres Anti-Disney-Park, zeigen seine Fähigkeit, Kunst in spektakuläre Statements zu verwandeln"



      Titel:



      Die umstrittene Schönheit des Widerstands



      Quelle european-news-agency.de



      Weiter dort:



      "Banksys Werke, oft im Schutz der Nacht entstanden, prangern Krieg, Kapitalismus und Überwachung an."



      Eben!

    • @John Lemon:

      Ja, tolles Bild und sehr treffend in bezug auf aktuelle Ereignisse (nicht nur) in GB.

  • Ein Justizgebäude sollte doch ein Hochsicherheitsbereich sein mit vielen Videokameras. Und Videomaterial fehlt, um ihn dingfest zu machen und ihn der Öffentlichkeit zur Schau zu stellen?



    Hmmmm.....

  • Unambitionierter Werbe-Journalismus.

    Da zieht die taz, zwei Tage nach dem die Meldung schon durch andere Medien ging, nach und zeigt ein „neues“ Bild von Banksy im Urzustand, dass schon nach der Erstreinigung, also einen Tag vor dem taz-Beitrag, nur noch als Schattenriss seiner selbst existierte. Zum Banksy fällt der Autorin gerade noch ein, dass Banksys Werke „unterkomplex und emotional, aber dadurch auch zugänglich und einprägsam“ seien, aber nicht, dass der Langweiler mit seinen massentauglichen und scheinbar widerständigen Gebrauchsgrafik, Kunst wäre zu viel gesagt, ordentlich Reibach macht. Seit Jahren tourt nun eine Ausstellung mit Werken im Stile von Banksy durch die Städte, ist dem Feuilleton immer wieder ein Meldung wert, und wtf immer auch Banksy ist, er/sie verdient an Lizenzrechten wie schon am Verkauf eines medienwirksam geschredderten Bildes mit. Würde mich nicht wundern, wenn er/sie sich wie einst Bhagwan im Rolls-Royce durch die Gegend chauffieren lässt.

    • @DemokratischeZelleEins:

      Okay, Kunst ist Geschmackssache, aber das Banksy's Streetart keine Kunst wäre, ist doch eine ziemliche Einzelmeinung. Und dass der Künstler wahrscheinlich im Luxus schwelge ist reine Spekulation, mit dem Ziel ihn zu diskreditieren. An den trivialen The Art of Banksy - Ausstellungen verdient er meines Wissens nach nichts. Dass er mit seiner Kunst reich geworden ist, ist anzunehmen, aber das allein macht ihn ja nicht zu einem kapitalistischen Haifisch. Klar ist Banksy Mainstream. So what? Hip Hop, Rock, Metal, Punk, Alternative, Indie, ... - alles Mainstream geworden. Und trotzdem gibt es bei den kommerziell erfolgreichen Sachen haufenweise geiles Zeug. Ich gönne ihm den Erfolg.

    • Donata Künßberg , des Artikels, Social Redakteurin
      @DemokratischeZelleEins:

      Nur zu meiner Selbstvergewisserung: Hattest du den letzten Absatz vielleicht übersehen, DemokratischeZelleEins?



      "Als Spur des Unliebsamen, dessen Abwesenheit lauter spricht, als es der abgenudelte Stencil-Look im Jahr 2025 noch könnte, ist nun nur noch die dunkle Silhouette von Richter und Gehenktem zu sehen."

      • @Donata Künßberg:

        Zur deiner Fremdverunsicherung: Ich habe deinen letzten Absatz nicht überlesenen. Kritische LeserInnen sind nicht dümmer, als AutorInnen denken.

        Wir alle haben mal den Bullshit gelernt, dass ein Bild mehr als Tausend Worte sagen soll, was nur bedeutet, dass Bilder deutungsoffener sind und direkter und emotionaler wirken. Und das Bild zum Artikel erzählt die Mär vom widerständigen oder gerade noch wasserfestem Künstler.

        • @DemokratischeZelleEins:

          Äh, sind alle diese Aussagen im Post denn gesichert? Was sind da die Quellen?

        • @DemokratischeZelleEins:

          Es heißt irgendwo, dass die Rache der Geschichte darin besteht, daß der erfolgreiche Revolutionär am Ende im Frack in die Oper gehen muss.

          Ich erkenne jedenfalls nicht,, was Du Banksy konkret vorwirft.

          Das der Artikel zu spät kommt und das etwas zu verstecken sucht, ist vielleicht kritikwürdig, rechtfertigt aber in meinen Augen keinen solchen Furor.