Neues Album von Rapperin Ebow: Architektin des HipHop
Die bayerisch-kurdische Rapperin Ebow flext mit Köpfchen. Auf ihrem neuen Album „Canê“ bekommt die eigene Community aber auch mal Saures.
Cash rules everything around me / C.R.E.A.M., get the money“, rappte die US-Crew Wu-Tang-Clan 1993. Viele bekannte HipHop-Tracks handeln wie ihr Hit von Barem, vom Haben oder Nichthaben von Cash, mit der man der Konkurrenz imponieren kann. Wer solche Aufschneidereien überflüssig findet, sollte „Prada Bag“ hören“, einen Schlüsselsong auf Ebows neuem Album „Canê“. „Wenn du in einer Gesellschaft aufwächst, die dich immer als Mensch zweiter Klasse sieht, immer von oben herab“, erklärt die Rapperin in einem Monolog, „dann ist deine einzige Möglichkeit, auf gleicher Augenhöhe zu stehen, ihnen zu imponier’n“.
Weil Ebow als Deutsch-Kurdin viele Wege zur Anerkennung verbaut sind, bleibt ihr vor allem die hohe Kunst des „Flexens“, des stilvollen Angebens also. „Prada Bag“ ist ein kluger Song über Luxus als Schutzschild gegen eine feindlich gesinnte Gesellschaft. Nebenbei macht das Stück deutlich, wann linke Konsumkritik die Falschen trifft. Solche Aha-Momente erlebt man häufig auf „Canê“.
Ebow heißt eigentlich Ebru Düzgün, ist in München geboren und aufgewachsen und lebt mittlerweile in Berlin. Zusammen mit der Rapperin Badmómzay ist die 32-Jährige eine Lichtgestalt des postmigrantischen, queeren Rap in der Hauptstadt. Wie es Fans von Ebow erwarten würden, beginnt ihr neues Studioalbum „Canê“ mit einer politischen Ansage: „Free my people / Free meine Leute / Kurdistan / Free meine Träume „, rappt sie in „Dersim62“.
Der Songtitel verweist auf die kurdische Region Dersim in der Türkei, in der die Mehrheit alevitischen Glaubens ist – wie auch Ebows Familie. Stärker denn je betont sie auf „Canê“ (kurdisch für „Liebling“ oder „Seele“) ihre Verbundenheit mit Kurdistan. Ebow kann wuchtige Statements, aber eben auch enorm unterhaltsam flexen. Zum Beispiel, wenn sie verkündet, „classic wie ’n fucking Cello“ zu sein.
Ebow: „Canê“ (Alvozay/Virgin/Universal)
live: 10. 4., Garage, Saarbrücken; 13. 4., Mousonturm, Frankfurt; 14. 4., Skaterspalace, Münster, 20. 4., Milla, München, wird fortgesetzt
Wie Ebow kürzlich erzählte, war sie zu Beginn ihrer Karriere genervt davon, im Feuilleton gefeiert zu werden – als Beispiel für vermeintlich perfekte Integration. Daraufhin habe sie beschlossen, Musik für ihre Leute zu machen.
Schon Ebows letztes Album „K4L“ begann mit einem Spoken-Word-Stück von Hengameh Yaghoobifarah, taz-Kolumnist:in und Vertraute:r der Rapperin: „Diese Sprachi geht raus an alle Almans und Cis-Heten, die sich migrantische, nicht-weiße und queere Ästhetiken aneignen. Wir tragen diesen Look mit Stolz, aber auch mit Stigma.“ Eine Absage an alle, die sich über den Kleidungsstil von People of Color und Queers lustig gemacht haben – und nun, da postmigrantische Ästhetiken als Avantgarde gelten, plötzlich Streetwear-Checker sind.
Sensible Wortwahl
Mainstream-Publikum soll sich also nicht explizit eingeladen fühlen, wenn bei Ebow das Leben und die (queere) Liebe gefeiert wird – weil es eben auch nicht die Lebensrealität teilt, die sie etwa im Song „Giesing81“ beschreibt: „Unsre Symphonie / Aus jeder Karre ein Lied /Teilen den Schmerz, bis jeder uns hört / Dieses Land hat meine Seele zerstört“. Der Songtitel heißt wie ein Münchner Arbeiterviertel, das heute migrantisch geprägt ist – und zugleich hip.
Die eigene Community bekommt von Ebow allerdings auch mal einen Seitenhieb. Sie, die Architektur studiert hat und in Interviews Wert auf sensible Wortwahl legt, kritisiert auf „Canê“, wie elitär Debatten in ihrer „Bubble“ oft geführt werden. „Woke shit, den keiner checkt / Ficke deinen Intellekt / Komm mir nicht mit Uni-Slang / Dein Shit bleibt in der Uni hängen“, heißt es in „Dersim62“. Es sind vor allem Ebows Texte über solche Zwiespaltmomente, die „Canê“ zu einem so spannenden Album machen.
Und es ist ihrem Talent als Musikerin zu verdanken, dass sich das Ganze auch noch anhört, wie ihre Bühnenpersona wirkt: soft, aber unversöhnlich. In ihrem dunklen Flow gleitet sie lässig über vermeintliche Widersprüche hinweg, ohne von Schmerz und Ungerechtigkeit zu schweigen.
G-Funk ohne Muskelpietsche
Die erste Hälfte des Albums beherrschen Rap-Bretter, 90er-G-Funk-Einflüsse und mächtige, aber nie zu muskelbepackte Beats, die zweite verschleppte Uptempo- und R&B-Psychedelic-Stücke, die ein bisschen an Ebows Zweitprojekt erinnern: das Trio Gaddafi Gals. Mal bricht Ebow klar mit den ungeschriebenen Gesetzen des (Deutsch-)Rap-Biz. Zum Beispiel, indem sie sich als Feature-Gast die Sängerin Balbina einlädt, deren Kunstlieder vielen von Ebows Kolleg:innen sicher zu Popakademie-haft wären.
Nur zu gern kostet sie HipHop-Klischees aber auch aus. Zu Beginn ihres Songs „Araba“, türkisch für Auto, lässt sie die Motoren aufheulen, im Video posiert sie mit ihrer Gang vor einem knalltürkisen Wagen. Wie eine aufs Nötigste reduzierte Version von Snoop Doggs „Drop It Like It’s Hot“, ohne Starproduzent Pharell Williams und das ikonische Zungenschnalzen, dafür mit Punchlines zum Niederknien: „Girls besuchen mich wie Sephora“, rappt Ebow, in Anspielung auf die beliebte Schmuckboutiquekette.
„Araba“ ist ein großer Wurf, für den die Musikerin nicht mehr braucht als einen minimalistischen Beat, ein Piano-Riff und ihre fantastisch arroganten „Ah!“s und „Tssss!“ die klingen, als würde sie die Battlerap-Bühne erhobenen Hauptes verlassen, nachdem die Konkurrenz elegant vernichtet wurde. „Vielleicht sagt ihr einfach alle eure Alben ab?“, rät sie ihr vorsichtshalber.
Ebow kann flexen, ohne Solidarität mit all jenen fahren zu lassen, die sie wirklich nötig haben. Obwohl die Songs auf „Canê“ das Thema Identität differenziert behandeln, nimmt sich Ebow raus, auch mal gemein zu sein – zum Glück. „Wenn wir ehrlich sind / Ihr seht sogar reich scheiße aus“, schleudert sie der Welt am Ende von „Prada Bag“ entgegen. „Und schau mich an / Schau mich an!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?