Neues Album von Mount Kimbie: Vier Fäuste und zwei Hallelujas

Das britische Elektronikduo Mount Kimbie sendet ein neues Lebenszeichen. Wie gut harmoniert es auf dem Album „MK 3.5: Die Cuts | City Planning“?

Kai Campos und Dominic Maker leicht verschwommen

A- und B-Seite von „MK 3.5“: Kai Campos und Dominic Maker sind Mount Kimbie Foto: Bolade Banjo

Duos, so scheint es, müssen eine symbiotische Lebensform darstellen, die frei von Brüchen und Konflikten zu bleiben hat, da sie – so die landläufige Meinung – ohnehin immer vor dem Zusammenbruch und der Trennung stehen.

Negativbeispiel dafür bietet gerade die Popgeschichte reichlich: Bei Sonny & Cher, aber auch bei Ike & Tina Turner trennten sich (aus guten Gründen) Liebespaare; bei Simon & Garfunkel wie auch bei Hall & Oates dissonante Duos mit unterschiedlichen Ambi­tio­nen – und Künstler-Egos.

Etwas anders verhält sich die Situation beim US-­Rapduo Outkast, das sich mit seinem Meisterwerk wider Willen „Speakerboxxx/A Love Below“ zwar musikalisch auseinandergelebt hatte, dennoch fortfuhr. Vielleicht dürfen wir das mehrfach mit Gold ausgezeichnete Album von 2004 auch als ­Blaupause nehmen für jenes ambivalente Werk, das das britische Duo Mount Kimbie abliefert.

Sein neues Album verwirrt schon mit dem Titel: „MK 3.5: Die Cuts | City Planning“. Rekapitulieren wir vorneweg nochmal: Kai Campos und Dominic Maker, der eine aus Cornwall, der andere aus Brighton, finden 2008 in der englischen Hauptstadt zueinander, beginnen mit cluborientierten Tracks, die zusammen mit den Songs ihres Freundes James Blake den „Post-Dubstep“-Trend der späten nuller Jahre definieren sollten.

Zeitlupenpop und Clubmusik

Ihr Debütalbum „Crooks & Lovers“ (2010) war ein Überraschungserfolg, der es in etliche Jahrescharts schaffte: Sie vermengten damals Bassmusik-Entwürfe aus dem Hessle-Audio-Umfeld, die Ausläufer der Dubstep-Klasse 2005 und tanzflächenorientierten House-Sound zu einem mitreißenden Dancesound. Fortan galten Mount Kimbie als geschmackssichere Produzenten, die daraufhin den Spagat meisterten, mit King Krule Zeitlupenpop zu basteln und sich dennoch intensiv der Clubmusik zu verpflichten.

Das ging so bis 2017, als „Love What Survives“ beim Shef­fielder Power-Label Warp erschien: Hatten sich Campos und Maker längst für Songs und gegen Tracks entschieden und ihre Produktionstechniken verfeinert, irritierte das dritte Werk dennoch die Stamm­hörer*innenschaft. Es war für viele das Popalbum des Jahres.

Zur Band gereift, hatte man runde Musik veröffentlicht, die die Stimme von Gastsängerin Andrea Balency inkorporierte, teutonischen Krautrock aufgesogen hatte und dennoch nach Mount Kimbie klang. Nach erfolgreicher Tour in Bandgröße und ausverkauften Hallen wurde es still, was wegen der weltweiten Pandemie kaum aufgefallen ist.

Nun also „MK 3.5: Die Cuts | City Planning“: Wer eine Fortführung des Band-Sounds erwartet, darf enttäuscht sein: Nicht nur die Bandkonstellation wurde aufgelöst, gleich das ganze Duo; so scheint es jedenfalls. Statt gemeinsamer Musik hört man hier auf der einen Seite die Produktionen des mittlerweile in Los Angeles wohnenden Dom Maker; auf der anderen dann jene aus den Händen Kai Campos’.

Parallelen zu Outkast

Das erinnert nicht nur im Aufbau an die Vorbilder von Outkast, es lassen sich auch weitere Parallelen finden: Makers Ansatz ist, so wie jener von Big Boi, maßgeblich von HipHop und Rap inspiriert. Die Beats sind jazzig, durchaus auch mit düsterer Atmosphäre versehen, zwischen somnambul und sublim changierend. Mit Gastauftritten des Weird-Rappers Danny Brown und der Stilikone Slowthai aufwartend, wird sofort bemerkbar, dass Mainstream-Produktionen aus den Staaten Pate standen.

Trotzdem bietet Mount Kimbie auch 2022 genügend Platz für kindliche Träumereien, wie jene, die von Kučka vorgetragen wird: Sie erzählt von dem infantilen Selbstentwurf als zukünftiger Rennfahrer („f1 racer“). Maker bedient sich einer eigenen Produktionsweise, die er „Die Cuts“ nennt und die sich auch im Albumtitel niederschlägt. Kurzum ist es eine analytische Bauweise für seine Instrumentals, die hauptsächlich auf Samples basiert.

Mount Kimbie: „MK 3.5: Die Cuts | City Planning“ (Warp/Rough Trade)

Viel mehr im Fluss und im Moment bewegt sich „City Planning“, die von Kai Campos beigesteuerten Kompositionen. Eine Seite voller Hoffnung, obgleich hier die Töne der Nacht überwiegen. Clubtunes und treibende Loops; an Dubtechno geschult und mit modernen House-Produktionen inklusive feiner Underground-Noten vermählt. Campos denkt nicht vom fertigen Song her, sondern bietet eher Momentaufnahmen, kurze Hooks und Skizzen – beizeiten wirken seine elf Tracks eher wie Demos und Klang­experimente, die dann als Mount Kimbie noch in Form gebracht werden müssten.

Ein Zwischenschritt? Ein Ende?

Es stellt sich zwangsläufig die Frage: Was ist denn nun der Status quo bei einem der interessantesten Duos des letzten Jahrzehnts? Steht eine Trennung bevor, oder ist „MK 3.5: Die Cuts | City Planning“ ein Zwischenschritt, ein notgedrungenes Lebenszeichen nach fast fünf Jahren Wartezeit?

Der Titel gibt Anlass zur Hoffnung, denn da, wo man sein aktuelles Werk als „3.5“ bezeichnet, steht doch eine Nummer 4 in den Startlöchern, oder? Wäre zu hoffen, denn diese eigenwillige Musik wird dem innovativen Werk des Duos Mount Kimbie dann trotz aller netten Ideen nicht vollständig gerecht.

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