Neues Album von HipHop-Duo Armand Hammer: „Siri, wie werde ich sterben?“
Das HipHop-Duo Armand Hammer mischt auf dem Album „We buy Diabetic Test Strips“ Hiobsbotschaften vom Ende der Gesellschaft mit fiesem Soulsampling.
Der Alltag ist ein ständiger Kampf. Das US-HipHop-Duo Armand Hammer leuchtet auch auf seinem neuen Album schonungslos die Stromschnellen in diesem gesellschaftlichen Strudel aus. „We Buy Diabetic Test Strips“ heißt die Sammlung von 15 Songs der beiden Rapper Elucid und Billy Woods. Diese beide Fixsterne des Underground-HipHop sorgen seit Jahren mit musikalisch innovativen und lyrisch anspruchsvollen Reimen für Dynamik und Druck.
Ihr Albumtitel spielt auf den Schwarzmarkt für Diabetes-Tests in den USA an. Menschen, die krankenversichert sind, bekommen jene Teststreifen auf Rezept. Wer sie nicht selbst verbraucht, darf sie weiterverkaufen. Abnehmer gibt es genug – Menschen ohne Krankenversicherung, die sich die Apotheken-Mondpreise der Tests nicht leisten können. So hat sich ein gewaltiger Zweitmarkt entwickelt, auf dem professionelle Reseller enorme Gewinne einstreichen.
Willkommen in der Welt von Armand Hammer, einem Schattenreich der extremen Ungleichheit, brutaler sozialer Konflikte, der Hoffnungs- und – wenigstens scheinbarer – Ausweglosigkeit. Die Reime des Rapduos sind voll von solchen – oft nur einzeiligen – Anspielungen auf komplexe soziale Verwerfungen. Das macht die Songtexte zu einem lakonischen Konzentrat von Alltagsbeschreibungen Schwarzen Lebens in den USA. „Life is basically tomorrow’s breakfast“, erklärt Billy Woods gleich im Auftakt „Landlines“.
Und er zeigt, lakonisch, was Sache ist. Wie es sein sollte, das ist nicht das Thema von Armand Hammer. Wen kratzen schon globale Krisen wie der Klimawandel oder die wieder aufkeimende Furcht vor einem Atomkrieg, wenn schon das engste Umfeld durch soziale Kälte bestimmt ist: „Earth getting warmer, we going the other“, rappt Elucid in „Total Recall“. Alles wie gehabt – der Überlebenskampf verdrängt jede Form von Mitgefühl.
Die Flöte geht gut ab
Dazu spielt der britische Jazzmusiker Shabaka Hutchings, bekannt als Mastermind der Band Sons of Kemet, Flöte. Die Live-Instrumentierung ist ein Novum für Armand Hammer – und sie funktioniert besonders gut. Im Begleittext zum Album heißt es, Jamsessions mit Hutchings und anderen Künstler:Innen im vergangenen Jahr seien die Basis für die Songs gewesen.
Anders als beim sehr homogenen Vorgänger „Haram“ (2021), das Armand Hammer allein mit dem Produzenten The Alchemist eingespielt hatten, tätigten Elucid und Billy Woods diesmal Party-Sessions mit dem Who’s Who des US-Underground-HipHop. Als Produzenten holten sie sich etwa Jpegmafia, EL-P, Kenny Segal und DJ Haram. Hinzu kamen MCs wie Cavalier, Junglepussy, die Elektronikproduzentin Moor Mother und Pink Siifu.
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Dadurch klingt die Musik wie ein sehr gutes Mixtape, sie überzeugt durch ihre Dramaturgie.Das erste Drittel dominiert Jpegmafia. Nach dem Auftakt „Landlines“, der den Charakter einer Ouvertüre, hat, folgt „Woke Up And Asked Siri How I Am Gonna Die“. Fast klingt es wie entspannte Lounge-Musik, wenn nicht abrupt eingestreute Soundsamples immer wieder aufhorchen ließen. Spuren von Gitarrenfeedback, Vibraphon und Sounds, die einem 60er-Jahre Scifi-B-Movie entnommen sein könnten, gepaart mit einem straighten Beat machen „When It Doesn’t Start With A Kiss“ zum ersten Highlight.
Mit viel Lärm untermalt Dj Haram den punkigen Rap von Pink Siifu in „Trauma Mic“. Im Kontrast dazu sorgt dann auf halber Strecke des Albums Produzent El-P (von Run The Jewels) mit rollenden Beats in „The Gods Must Be Crazy“ für Tanzflächentauglichkeit. Der eingängigste Track des Albums.
Die Flöte von Shabaka Hutchings und noisy Dubbeats von Will Green umnebeln den Rap von Junglepussy: „I got nothing to prove / Dressed up for me / I ain’t here to impress these dudes“ reimt sie auf „Empire BLVD“.
In den letzten Stücken konterkarieren Seb Bash, Black Noi$e und Jeff Markey mit sanften Jazzsamples die harte Wirklichkeit. Der hart geprüfte Lebenswille ächzt unter einem Berg unbezahlter Rechnungen. „Don’t lose your Job“ – ein Songtitel als warnende Zustandsbeschreibung. Und dazu säuselt Elucid: „What doesn’t kill you makes you blacker“.