Neues Album der Band Bleached: Serielle Wiederholungen

Als seien sie Zeitreisende aus den 70ern: Die beiden Schwestern veröffentlichen ihr drittes Album. Die Frage im Titel bleibt besser ungeklärt.

Ein Fernseher aus den 70er-Jahren steht vor einer braun tapezierten Wand.

Eintönig, leicht unscharf und doch irgendwie schön: die Vergangenheit Foto: Ajeet Mestry/unsplash

Auf dem Cover ihres neuen Albums, „Don’t You Think You’ve Had Enough?“, sitzen die Clavin-Schwestern in Schwarz und Weiß und Rot gekleidet in einem Auto und schauen aus verschiedenen Fenstern. Sie tragen die Haare als Vokuhila, sind aufgebrezelt und abgeklärt, wie Zeitreisende aus dem Jahr 1977: Joan Jett und Cherie Currie von den Runaways.

Das passt schon, die Musik der Schwestern, die als Bleached nun ihr drittes Album veröffentlichen, klingt auch so, als wäre sie von Zeitreisenden aus dem Jahr 1977 gemacht, als wären Glam-Rock, Punk und Disco die letzten popkulturellen Strömungen, die sie noch mitbekommen haben.

Dabei sind die beiden erst in den Achtzigern geboren, also schätzungsweise mit Gangsta-Rap und Grunge groß geworden. Woher kommt dieses unbedingte Bedürfnis – nicht nur bei ihnen –, die Musik der Eltern zu spielen und sich so zu stylen wie die Stars, die an den Wänden von deren Jugendzimmern klebten?

Der britische Kritiker Simon Reynolds würde hier bestimmt „Retromania“ attestieren, über die gnadenlose Rückwärtsgewandtheit also lamentieren. Nur könnte man die – womit man die Treffsicherheit seiner Beobachtung auch bestätigte – jedem zweiten Indie-Album, das in den letzten 20 Jahren erschienen ist, vorwerfen; damit allein kommt man beim Besprechen neuer Alben also nicht weit.

Davon abgesehen, ist der Originalitätsimperativ selbst auch problematisch, denn es muss ja nicht darum gehen, neuen Raum zu erschließen, zumal im Pop, der doch immer mit Verweisen auf Vertrautes arbeitet; man kann ja auch bereits kartografiertes Gebiet nochmals ausleuchten und abklopfen und dabei, vielleicht, auf Gold stoßen.

Sie wollen nüchtern klarkommen

Bleached stoßen nicht auf Gold; sie graben aber auch gar nicht danach. Sie halten sich an den etablierten Sightseeing-Spots auf, die, das darf man nicht vergessen, nicht ohne Grund zu Gemeinplätzen geworden sind: Warm verzerrte Power-Akkorde, unter Verzicht auf Soli oder sonstige Spielereien, stabiler Viervierteltakt, in der Regel angezogenes Tempo, repetitive Gesangsfiguren – sie gehen auf Nummer sicher und so viel können sie da nicht falsch machen.

Das beste Lied des Albums ist „Somebody Dial 911“, gegen das Robert Smith bestimmt bereits Klage eingereicht hat; ein strahlender Power-Popsong mit einem fast schlagerhaften Refrain („Somebody dial 911 / Before I fall in love / I always fall in love“), der eine Leichtigkeit besitzt, eine Bereitschaft, den Pastiche-Charakter ihrer Musik zu zelebrieren, die die übrigen Songs weniger zeigen.

Die Pressetexte zu dem Album überschlagen sich mit Hinweisen darauf, dass die Schwestern nach Jahren der Exzesse nun versuchen, nüchtern klarzukommen, das selbstzerstörerische Verhalten zu überwinden. Auch hier folgen sie einem etablierten Rockstar-Skript; selbst die Exzesse ihrer Vorbilder ahmen sie nach.

Wenn die Fassade des Vier-Sterne-Hotels schmutzig ist

Bleached sind ein Simulakrum von einer Band; ein Abziehbild, eine Kopie, ein einziger Verweis auf ältere Bands, Kleider, Farben, Gefühle. Mal hört man „Cherry Bomb“, mal „Heart of Glass“, mal „Boys Don’t Cry“. Einziges unerwartetes Element ist die strahlende Hochglanzproduktion, die nicht – wie es seinerzeit bei den Strokes – der quintessenziellen Retromania-Band, der Fall war, und wie es Bleached auf ihren früheren Alben als Stilmittel genutzt haben, Proberaum-Ranzigkeit simuliert.

Bleached klingen hier eher wie das musikalische Äquivalent zu einem auf schäbig gestylten Vier-Sterne-Hotel; äußerlich schmutzig, innen sauber. Das große Album der ­Strokes hieß „Is This It“, ohne Fragezeichen, also keine Frage.

Das neue Album von Bleached hingegen ist eine Frage: „Don’t You Think You’ve Had Enough?“ Eine Suggestivfrage als Albumtitel ist für Rezensenten eine Steilvorlage. Ich lasse sie ungenutzt.

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