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Neuer türkischer MinisterpräsidentErdogans treue Seele

Ahmet Davutoglu soll Recep Tayyip Erdogan im Amt folgen. Er gilt als islamischer Intellektueller der AKP, als Außenminister hatte er wenig Erfolg.

Kriegt die Vorgaben Erdogans direkt ins Ohr gekabelt: Ahmet Davutoglu. Bild: dpa

Ahmet Davutoglu, 55 Jahre, soll neuer türkischer Ministerpräsident werden. Der bisherige Außenminister wurde am Donnerstag von Recep Tayyip Erdogan als sein Nachfolger bestimmt. Davutoglu hat sich durch unbedingte Loyalität zu Erdogan ausgezeichnet und dürfte die Vorgaben des künftigen Präsidenten widerspruchslos umsetzen wird.

Davutoglu ist rhetorisch versiert und als islamischer Ideologe gefestigt, als Außenminister hatte er dagegen wenig Erfolg. Sein Anspruch, die Türkei zur führenden Regionalmacht im Nahen Osten und zum Drehkreuz für den Balkan und Zentralasien zu machen, scheiterte an den Realitäten der Region. Trotzdem setzt Erdogan weiterhin auf den im bisherigen Kabinett intellektuell herausragenden Davutoglu, eben weil er keine durch eigene Erfolge abgesicherte Hausmacht hat.

Davutoglu ist mit einer Ärztin verheiratet und hat vier erwachsene Kinder. Er kommt aus dem erzkonservativen Konya, lebt aber seit seiner Schulzeit in Istanbul. Er absolvierte ein Elitegymnasium und eine Eliteuniversität, die sich beide durch ihren säkularen Charakter auszeichnen und an denen Davutoglu als islamischer Konservativer eher ein Außenseiter war.

Nach seinem Doktor in Politik und Internationale Beziehungen ging er an eine Universität in Malaysia, um sich nicht im Westen von seiner Kultur zu entfremden. Zurück in der Türkei wurde er 1999 Professor an der Marmara-Universität in Istanbul und veröffentlichte 2001 sein Grundlagenwerk „Strategische Tiefe“, eine Neudefinition türkischer Außenpolitik.

Ahmet Davutoglu gehörte seit Gründung der AKP 2001 zu deren wissenschaftlichen Beratern. Bevor Erdogan ihn 2009 zum Außenminister machte, war er jahrelang sein engster außenpolitischer Berater. Er lieferte die intellektuellen Begründungen für die Neupositionierung der Türkei als muslimischer Großmacht in der Nachfolge des Osmanischen Reiches.

Sollte er in seiner praktischen Politik als Ministerpräsident allerdings ähnlich erfolglos sein wie als Außenminister, könnte die AKP bei den Parlamentswahlen 2015 ein Debakel erleben.

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2 Kommentare

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  • Ahmet Davutoglu ist ein Totalversager, wenn es um die Außenpolitik der Türkei ging. Erst war er dabei, die Türkei mit Syrien zu verbinden, danach heizte er den syrischen Bürgerkrieg ein. Wer gegen Assad kämpft, erhält unsere Unterstützung, war seine Maxime.

     

    Deswegen kann man Ahmet Davutoglu als einen der Hauptförderer der islamistischen Milizen im syrischen Bürgerkrieg bezeichnen. Gebracht hat es der Türkei ein 1,5 Mio. syrische Flüchtlinge, die mehr und mehr dauerhaft am untersten Rand der türkischen Gesellschaft leben.

     

    Seine einziger Vorzug ist, dass er keine eigenen Ideen entwickelt, er ist ein Abziehbild seines Spirtus Rectors, Erdogan.

     

    Damit überspielt Davutoglu auch alle Fehler seines Meisters. Dass er intellektuell ein toller Typ ist, stelle ich mal stark in Frage, denn seine verbalen Äußerungen zu den 41 Entführten in Mosul/Irak weisen ihn als typischen Cayhane-Sprecher aus.

     

    Trotz seiner markigen Texte, ist bislang nichts von einer Geiselentlassung rumgekommen. Für mich Ahmet Davutoglu ein extrem überschätzer Mensch in der türkischen Politik.

     

    Mit ihm wird Erdogan das Land weiter durchislamisieren und es werden schnell Konflikte mit links-liberalen, alevitischen und kurdischen Kreisen eskalieren, weil Erdogan keinen Dialog will, weder mit seinen eigenen Anhängern, noch mit seinen Gegnern. Erdogan und Davutoglu stehen für intolerante, idiotische und risikoreiche Politikmaßnahmen. Das Aufpeppeln der ISIS war nur eine Facette dieser Fehleinschätzungen, dabei wird es wohl nicht bleiben.

  • Ja, ganz sicher ging er nach Malaysia aus Angst vor Entfremdung... Und wenn er jetzt was tut, tut er es für die nächsten Wahlen! Nein ernsthaft, wieso sollten Idealisten für Erfolg arbeiten, wenn sie es gar nicht beabsichtigen, sondern nur dem Volke dienen wollen?