Neuer Putsch in Mali: Die Logik des Krieges
Mali ist ein Exerzierfeld für ausländische Truppen. Die Logik der Demokratie gerät unter die Räder.
M ali kommt nicht zur Ruhe. Ein Dreivierteljahr nach dem Militärputsch, der unter dem Beifall der Bevölkerung den gewählten Präsidenten aus dem Amt fegte, haben die Putschisten nun die von ihnen eingesetzten Übergangsmachthaber abgesetzt. Der zweite Coup des Spezialkräftekommandeurs Assimi Goita zeugt nicht nur davon, dass sein erster nicht die gewünschten Ergebnisse zur Folge hatte. Er unterstreicht auch, wer in Mali die oberste Instanz bleibt: die Armee beziehungsweise ihre stärksten Teile.
In dem bitterarmen Sahelstaat ist das nicht überraschend. Mali ist zum Exerzierfeld für ausländische Truppen geworden, die dort islamistische Terrorgruppen bekämpfen. Für die Kollateralschäden der Terrorbekämpfung – Militarisierung, grassierende Unsicherheit, Austragen ethnischer Konflikte mit der Waffe – ist Malis Staat zuständig. Natürlich sind unter diesen Umständen Malis Generäle die besseren Partner als ahnungslose zivile Politiker.
Man darf sich dann aber auch nicht beschweren, wenn diese Partner mit ihren Mitteln für eine politische Korrektur sorgen, falls aus ihrer Sicht etwas schiefläuft. Genau das ist jetzt in Mali geschehen. Auch in Tschad haben erst vor einem Monat nach dem Tod des Langzeitpräsidenten Idriss Déby an der Kriegsfront gegen Rebellen die hohen Generäle die Nachfolge geregelt – keine zivile Instanz. Kein Geringerer als Emmanuel Macron eilte daraufhin nach N’Djamena, um Tschads Generälen den Rücken zu stärken.
Das alles ist die Logik des Krieges. Aber die Logik der Demokratie gerät damit unter die Räder, und damit werden innere Konflikte auch in Ländern wie Mali nicht geringer, sondern heftiger. Denn wenn sich politische Gestaltungsmacht von militärischer Schlagkraft ableitet, ist das ein Anreiz für alle, die ein politisches Ziel verfolgen, selbst zu den Waffen zu greifen. Wer soll denn jetzt noch in Mali die Waffen niederlegen, wenn in der fernen Hauptstadt Bamako die Machtfrage sogar unter Uniformierten mit Gewalt geklärt wird? Und wenn das in der Hauptstadt der Fall ist, wie soll dann in der rechtlosen Saharawüste Frieden entstehen?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen