Neuer NSU-Untersuchungsausschuss: „Zu viele Fragezeichen“

Alle Bundestagsfraktionen beschließen einen zweiten NSU-Untersuchungsausschuss. Im Fokus diesmal: V-Leute und der Verfassungsschutz.

Ein Aktenordner aus dem NSU-Untersuchungsausschuss liegt auf dem Tisch

Wird ab November erneut im Bundestag Ordner füllen: der NSU-Komplex. Foto: dpa

Berlin taz | Der Fall ist bis heute rätselhaft. Gerade erst war der NSU 2011 aufgeflogen, da warf im Bundesverfassungsschutz ein Mitarbeiter den Schredder an. Sieben Akten wurden vernichtet, darunter die von V-Mann „Tarif“: Michael von D., einst ein führender Thüringer Neonazi, der behauptet, er habe dem NSU einen Unterschlupf organisieren sollen. Die Schredderaktion kostete Verfassungsschutzchef Heinz Fromm das Amt. Was der Dienst damit aber mutmaßlich verbergen wollte, bleibt bis heute ungeklärt.

Nun wird der Fall neu aufgerollt. Am Dienstagnachmittag beschlossen alle Fraktionen im Bundestag, einen zweiten NSU-Untersuchungsausschuss einzurichten. Mitte November soll die erste Sitzung stattfinden, anführen soll das Gremium der CDU-Innenexperte Clemens Binninger.

Bereits bis Sommer 2013 gab es eine erste Aufklärungsrunde. Am Ende stand ein 1.300 Seiten starker Bericht – mit vernichtendem Fazit: Die NSU-Mordserie sei eine „beschämende Niederlage der Sicherheitsbehörden“.

In der zweiten Auflage soll nun noch einmal genauer die Rolle ebenjener Sicherheitsbehörden beleuchtet werden – und ihrer Spitzel aus der rechten Szene. Wie V-Mann „Tarif“. Erst im Frühjahr fand der Verfassungsschutz doch noch Dutzende „Treffberichte“ zu Michael von D. Der soll nun auch selbst im Ausschuss befragt werden. In der ersten Runde wurde noch bewusst darauf verzichtet, Neonazi-Spitzel zu laden – um diesen keine Bühne zu bieten.

Amt für Verfassungsschutz im Fokus

Vor allem der Verfassungsschutz stehe nun im Fokus, sagt die designierte Grünen-Obfrau Irene Mihalic. „Denn bisher ist das Bundesamt nicht dadurch aufgefallen, die Aufklärungsbemühungen, die das eigene Amt betreffen, proaktiv zu unterstützen.“

Rückschlag für die Verteidiger im NSU-Prozess: Das Gericht lehnte am Dienstag einen Antrag Beate Zschäpes und des als Waffenbeschaffer mitangeklagten Ralf Wohlleben ab, das Verfahren auszusetzen. Diese hatte angeführt, das Zerwürfnis zwischen Zschäpe und ihren Verteidigern verhindere ein „faires Verfahren“.

Die Richter widersprachen: Zschäpe werde weiter „intensiv“ von ihren Anwälten verteidigt. Der Streit wiege auch weniger schwer, da bereits weite Teile der Beweisaufnahme erledigt seien.

Der Prozess wird nun regulär am Mittwoch mit Befragung eines früheren Weggefährten des NSU fortgesetzt. (ko)

Für viele Abgeordnete ist bis heute fraglich, ob die Sicherheitsbehörden tatsächlich 13 Jahre lang nie Hinweise auf den NSU und dessen Unterschlupf hatten. In der Zeit ermordeten die Rechtsterroristen zehn Menschen, verübten zwei Anschläge und 14 Banküberfälle.

Zu prüfen sei das „sachgerechte Vorgehen“ der Sicherheitsbehörden, heißt es formell in dem Untersuchungsauftrag, auf den sich alle vier Fraktionen, wie beim ersten Mal, gemeinsam einigten. Zudem sollen Bezüge des NSU in die organisierte Kriminalität und das Unterstützernetzwerk beleuchtet werden – inklusive der Frage nach „möglichen weiteren Mitgliedern“.

Der Unions-Obmann Armin Schuster spricht von „noch zu vielen Fragezeichen“ im NSU-Komplex. Der zweite Ausschuss sei nötig, um sicherzustellen, „dass wir alles für die Aufklärung getan haben“. Für ihn, so Schuster zur taz, gehe es auch darum, Lehren aus dem Fall zu ziehen und künftigen Rechtsterrorismus zu verhindern – gerade in Zeiten, da wieder Asylunterkünfte brennen.

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