Neuer Minister für Kultur und Medien: Im Geist von Springers Chauvi-Club
Ein Verleger will Medienminister werden? Früher wäre das mit Verweis auf einen Interessenkonflikt verhindert worden. Nicht so nun bei Wolfram Weimer.

D u Heimatland! „Ein Heimatschützer macht jetzt Kulturpolitik“, graust sich der Spiegel zur Berufung von Wolfram Weimer als neuer Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM). Ja was denn, passt doch zur Republik, in der auch der RBB vom Hauptstadt- zum Heimatsender werden will.
Heimat, das ist für den 60-jährigen Weimer ein hübsches Stückchen Bayern am Tegernsee, wo gar nicht weit entfernt auch ein gewisser Friedrich Merz sein „Zelt“ aufgeschlagen hat. Der künftige Kanzler und sein BKM sind quasi Nachbarn, was die Süddeutsche schon als „Tegernsee-Connection“ ausruft, bei der es um „Golf, Gesinnung und Geburtstag“ gehe.
Dass beide am 11. November das Licht der Welt erblickten, lässt an närrischen Zufall denken. Dass Merz Weimer nun nicht wie hier und da spekuliert als Regierungssprecher, sondern als BKM holt, wundert dagegen kaum. Denn der in Kulturkreisen bislang als BKM-Favorit gehandelte Berliner Kultursenator Joe Chialo dürfte trotz CDU-Parteibuch für Merz immer noch ein bisschen zu locker-lässig-liberal sein.
Liberal ist natürlich auch Weimer, bloß anders. Als Weimer und Mathias Döpfner bei Springers Welt noch journalistische Aufsteiger waren, war intern von den Twin Towers die Rede. Weimer ist im alten Sinne immer noch Springers Welt und könnte noch heute locker mit Axel Springer im Journalistenclub des Hauses sitzen. Nur ist der Verleger wie die von ihm verkörperte chauvinistische Bürgerlichkeit schon gut 40 Jahre tot, doch Weimers Journalismus atmet bis heute diesen Geist.
Was die Frage aufwirft, ob der neue BKM jetzt etwas aus dem Medienbereich macht, der unter seinen Vorgänger*innen eher unterbelichtet blieb. 2004 hat Weimer mit freundlicher Unterstützung des anderen großen Springerfreunds, des Schweizer Verlegers Ringier, den heute massiv nach rechts gerutschten Cicero als „Debattenmagazin“ für Deutschland erfunden. Danach folgte ein kurzes Gastspiel als Focus-Chefredakteur, wobei Weimer dem Blatt auch nicht auf die Sprünge helfen konnte.
Irre erfolgreich war er also nicht. In Sachen Medienpolitik war bislang insgesamt nicht viel von Weimer zu vernehmen. „Was für Skills muss man denn für Medienpolitik-Nerds mitbringen beziehungsweise welche helfen, um seine Ziele durchzusetzen“, fragt die Mitbewohnerin.
Ob er Deutschlands Verleger*innen eine neue Heimat bietet? Immerhin ist er selbst einer von ihnen. In seiner Weimer Media Group erscheinen diverse Börsen- und Wirtschaftsblättchen von Business Punk bis Markt und Mittelstand.
Als 2017 der Mitbesitzer der WAZ-Mediengruppe Stephan Holthoff-Pförtner in NRW Medienminister werden sollte, hieß so was noch Interessenkonflikt. Holthoff-Pförtner musste die Zuständigkeit für Medien wieder abgeben. Weimer hat den Verlag jetzt seiner Frau überschrieben.
2012 hat er übrigens einmalig das Satireblatt Pardon wiederbelebt. Geben wir ihm also eine Chance. Vielleicht heißt es dann später mal „Pardon verteidigt den BKM“. – „Oder es zählt zur Denkmal-Pflege“, sagt die Mitbewohnerin.
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