Neuer Bundespolizeibeauftragter Grötsch: „Ich werde sehr genau hinschauen“
Uli Grötsch soll als Polizeibeauftragter Missstände bei der Bundespolizei aufklären. Seine erste Aufgabe sei, „Vertrauen zu gewinnen“, sagt Grötsch.
taz: Herr Grötsch, Sie waren 21 Jahre lang Polizeibeamter in Bayern und saßen dann 10 Jahre für die SPD im Bundestag. Am Freitag sollen Sie zum ersten Polizeibeauftragten auf Bundesebene ernannt werden. Was haben Sie vor?
Uli Grötsch: Zuerst mal ist es mir eine Ehre, dieses Amt ausfüllen zu dürfen. Damit verbindet sich meine frühere berufliche Erfahrung mit meiner politischen Arbeit. Meine erste Aufgabe wird es sein, Vertrauen zu gewinnen: bei den Beschäftigten der Polizei genauso wie bei den Bürgerinnen und Bürgern. Denn für beide werde ich gleichermaßen da sein, das ist mir enorm wichtig. Und dann geht es darum, mir einen Überblick zu verschaffen, wo bei der Polizei Handlungsbedarf besteht. Dem komme ich mit großer Motivation nach.
48, der Oberpfälzer und SPD-Politiker arbeitete 21 Jahre lang bei der Polizei, bevor er 2013 in den Bundestag einzog, dort im NSU-Ausschuss saß.
Sie werden zuständig sein vor allem für die Bundespolizei und das Bundeskriminalamt – an den Bundestag angedockt, aber unabhängig. Ist es ein Vorteil für das Amt, dass Sie selbst Polizist waren?
Ich glaube, ja. Weil ich beide Seiten kenne. Ich habe nach wie vor gute Kontakte in die Polizei und behaupte zu wissen, wie diese tickt. Und ich kenne auch die politische und zivilgesellschaftliche Seite, kenne NGOs oder Forschende, die sich mit der Polizei auseinandersetzen.
Um die Einführung eines Polizeibeauftragten im Bund wurde jahrelang gestritten, die Union und weite Teile der Polizei sind bis heute dagegen. Was bedeutet vor diesem Hintergrund Ihre Ernennung?
Das ist tatsächlich eine große Zäsur. Es ist ein großer Schritt, den wir jetzt gehen, ein richtiger. So ein Gesetz, wie es der Bundestag gemacht hat, gibt es weltweit nicht. Damit sind wir state of the art.
Sie meinen, weil Sie einige Befugnisse haben werden? Sie können eigene Untersuchungen durchführen, bei der Polizei Akten anfordern und Dienststellen ohne vorherige Anmeldung betreten.
Ja, das sind gewichtige Instrumente – die aber auch notwendig sind, um wirklich etwas bewirken zu können. Das ist ein verantwortungsvolles Amt, das ist mit bewusst. Und so werde ich es auch ausfüllen.
Aber Teile der Polizei werden Sie gegen sich haben.
Ich habe die Reaktionen in den letzten Monaten natürlich sehr aufmerksam verfolgt, und wahrscheinlich gibt es Einzelne, bei denen man die Vorurteile nie wird abbauen können. Und ich weiß auch, dass etwa die Bundespolizei gerade erst eine Vertrauensstelle eingerichtet hat. Aber wer sich an mich wendet, wird eben auf eine unabhängige Instanz treffen – das ist noch mal eine andere Sache. Und ich glaube, wenn die Beschäftigten erst mal sehen, wie der Polizeibeauftragte arbeitet und wirkt, dann wird das Misstrauen schnell geringer werden.
Haben Sie bereits einen Fall im Auge, den Sie als Erstes angehen wollen?
Spontan fallen mir viele Sachen ein, die ich mir ausführlicher angucken möchte. Aber da einen konkreten Punkt zu benennen kommt zu früh. Wie gesagt: Erst mal geht es darum, Vertrauen aufzubauen, bei den Polizeibeschäftigten, in der Zivilgesellschaft oder in der Wissenschaft.
Eine Ihrer Aufgaben wird es zudem sein, strukturelle Probleme in der Polizei anzugehen. Sie haben als Abgeordneter immer wieder vor rechtsextremen Gefahren gewarnt, auch in der Polizei. Werden Sie hier nun handeln?
Ich habe mich da tatsächlich immer deutlich geäußert. Und ich sehe auch jetzt, dass wir in einer Zeit leben, in der Demokratiefeinde gezielt auch Botschaften in die Polizei senden, um diese zu destabilisieren. Dem entgegenzuwirken, das ist auch meine Aufgabe. Und es stimmt mich sehr nachdenklich, wenn ich etwa sehe, dass in den Zwischenergebnissen der aktuellen Polizeistudie 15 bis 20 Prozent der befragten Bediensteten sich chauvinistisch äußern. Fast jeder dritte Befragte äußert sich abwertend gegenüber Asylsuchenden. Da werde ich sehr genau hinschauen. Gegenmaßnahmen aber sind politische Fragen, welche die Politik beantworten muss – das ist nicht mehr meine Rolle.
Ein Vorwurf an die Polizei lautet immer wieder auch, dass sie Racial Profiling praktiziert, also anlassunabhängige Kontrollen aufgrund der Hautfarbe durchführt.
Die Ampel ist gerade dabei, ein Bundespolizeigesetz zu beschließen, das explizit Racial Profiling ausschließt. Es ist völlig klar: In einem vielfältigen Land, in dem jeder seinen Platz findet, hat Racial Profiling keinen Platz. Ob es sich hier aber um ein strukturelles Problem handelt, bleibt noch zu klären.
Rechnen Sie mit viel Arbeit als Polizeibeauftragter?
Das ist zum jetzigen Zeitpunkt schwer zu sagen. Aber ich denke, dass es mehr als genug Arbeit geben wird. Daher bin ich sehr dankbar, dass ich eine sehr starke personelle Aufstellung gewährt bekommen habe, mit 18 Stellen. Das wird in jedem Fall ein Vorteil für die Aufgabe sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind