Bericht des Polizeibeauftragten: Von Fehlerkultur keine Spur
Der Polizeibeauftragte Alexander Oerke legt seinen Bericht für das vergangene Jahr vor. Darin spart er nicht mit Kritik an Polizei und Innenverwaltung.
Völlig perplex schickt die Bewohnerin die Polizisten zwei Etagen tiefer zur Wohnung, in der der Feuermelder Alarm schlägt. Eigentlich hatte sie das richtige Stockwerk schon am Telefon mitgeteilt. Später beschwert sie sich beim Berliner Bürger- und Polizeibeauftragten Alexander Oerke über das Handeln der Beamt*innen in jener Nacht. Und so findet sich ihre Geschichte neben anderen im Jahresbericht von Oerke, der vor Kurzem veröffentlicht wurde.
2022 gewählt, soll Oerke ein offenes Ohr für die Bürger*innen haben: Sein Amt ist für alle Beschwerden zuständig, die sich gegen die Polizei oder andere unter der Aufsicht des Landes stehende Behörden richten. Einmal im Jahr verfasst er einen Bericht über seine Tätigkeiten.
Im vergangenen Jahr haben der Beauftragte und sein Team laut dem aktuellen Bericht insgesamt 429 Fälle abgeschlossen. Darunter waren 255 Beschwerden an ihn als Bürgerbeauftragten – also etwa bei schlechten Erfahrungen auf dem Amt – und 125 Beschwerden an ihn in der Funktion als Polizeibeauftragter. Zudem wurden 21 sogenannte Eingaben von Polizist*innen bearbeitet. Denn auch für innerpolizeiliche Beschwerden, etwa über den Arbeitsschutz, ist der Beauftragte zuständig.
Kritik an „Fehlerkultur“ bei der Polizei
Nicht immer klappt es, die Beschwerden fertig zu bearbeiten: Im Schnitt ist ungefähr jeder sechste Fall, der 2023 auf dem Tisch des Polizeibeauftragten landete, noch offen. Zudem sind 14 Sachverhalte „nicht zu klären“.
Anders sieht es bei den Fällen aus, bei denen es nicht um die Polizei geht: Hier sind nur 3 Fälle offen geblieben – gut 1 Prozent – und 7 ungeklärt, etwa 3 Prozent. Angesichts dieser Zahlen kritisiert Oerke, die Arbeit mit der Polizei gestalte sich „deutlich schwieriger und langwieriger“ als mit den anderen Behörden und Einrichtungen des Landes.
Dabei bemängelt der Polizeibeauftragte vor allem die „Fehlerkultur“ in der Behörde: „Manche Antworten waren erkennbar von dem Bemühen getragen, keine Fehler zugeben zu wollen.“ Die Aufklärung von Fehlverhalten laufe schleppend, es dauere oft mindestens vier Wochen, bis er Antworten erhalte, manchmal seien „unglaubhafte Aussagen von Dienstkräften nicht hinterfragt“ worden.
Oerke zeigt sich enttäuscht: Er habe stets um Verständnis geworben, dass bei der Polizei mit ihren 27.000 Beschäftigten Fehler vorkommen können. Wenn dann aber versucht werde, Fehlverhalten „schönzuschreiben“ oder um jeden Preis zu rechtfertigen, werde „enttäuschtes Vertrauen in die Berliner Polizei vertieft, anstatt es wiederherzustellen“, so der Beauftragte.
Deutliche Worte in Richtung Spranger
Auch an die Innenverwaltung von Senatorin Iris Spranger (SPD) und die Staatsanwaltschaft richtet Oerke deutliche Worte. Denn sobald ein Fall, den er untersuchen möchte, auch Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens ist, bekommt er – anders als etwa der Bundespolizeibeauftragte – keine Einsicht in die Akten. „Diese Beschränkung des Auskunfts- und Einsichtsrechts des Polizeibeauftragten geht zu weit“, beklagt er in dem Bericht.
Es ist ein fataler Mechanismus, denn oft werden die Ermittlungen erst eingeleitet, wenn sich jemand beschwert. Und schon hat Oerke kein Einsichtsrecht mehr. „Angesichts dessen haben Beschwerdeführende schon die Frage gestellt, warum sie sich an den Polizeibeauftragten wenden sollten“, berichtet Oerke.
Vasili Franco, Innenexperte der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, forderte am Mittwoch mehr Kompetenzen für den Polizeibeauftragten, um in laufenden Verfahren eine Schlichtung zu ermöglichen: „Es ist schwer, Vertrauen aufzubauen, wenn Verfahren erst nach mehreren Jahren ernsthaft bearbeitet werden können“, so Franco.
In Richtung der CDU, die 2022 als einzige Fraktion gegen den Polizeibeauftragten gestimmt hatte, sagte Franco, der immer wieder erhobene Vorwurf des Generalverdachts sei „fernab jeder Realität“ und erweise sich erneut als „populistische Stimmungsmache“. „Mit jeder erfolgreichen Schlichtung wird das Vertrauen in den Staat und seine Institutionen ein kleines Stück gestärkt“, betonte der Grünen-Abgeordnete.
Ein Gruselkabinett von Fehlverhalten
Die Fälle, die Alexander Oerke und sein Team in dem Bericht beschreiben, tragen aber nicht gerade zur Vertrauensbildung bei. Neben der Geschichte der Mieterin, die in den Pistolenlauf blicken musste, sind dort viele weitere teils verstörende Vorfälle aufgeführt: darunter ein Fall, in dem die Polizei einem mutmaßlichen Täter häuslicher Gewalt die neue Adresse seiner Ex-Partnerin preisgab.
Darüber hinaus prangert der Polizeibeauftragte den Umgang mit psychisch erkrankten Personen an und bezieht sich unter anderem auf den Fall von Medard Mutombo, der nach einem Polizeieinsatz gestorben war. Oerke hatte die Umstände im vergangenen Jahr gesondert untersucht.
Die Grünen haben angekündigt, Oerke demnächst in den Innenausschuss einzuladen. Später wird er den Bericht dann offiziell im Plenum des Abgeordnetenhauses vorstellen.
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