Neuer Agrarminister als Tierschützer: Özdemir kritisiert Hennenzucht
Die meisten Legehennen hätten Brustbeinbrüche, klagt der Agrarminister beim ersten Treffen mit seinen EU-Kollegen. Offenbar sind die Tiere überzüchtet.
Die Ursache für die Frakturen sei vermutlich genetisch bedingt, ergänzte Özdemir. „Die Zucht scheint eine wichtige Rolle zu spielen“, so der Minister. Zu diesem Schluss waren ForscherInnen der Universität Kopenhagen gekommen, nachdem sie fast 4.800 Hennen aus 40 Herden in Käfig-, Boden-, Bio-/Freiland- und Elterntierhaltungen untersucht hatten. Je nach System erlitten 81 bis 90 Prozent der Tiere eine oder mehrere Brustbeinfrakturen.
Unfälle schloss die Studie als Ursache in den meisten Fällen ausdrücklich aus. Vielmehr würde der Druck sehr großer Eier beim Legen den Knochen brechen lassen. „Die Art dieser Brüche deutet darauf hin, dass der Körper der Henne einfach zu stark belastet wird aufgrund zu großer Eier“, teilte die Universität im September mit. Zudem trete das Problem umso häufiger auf, je größer die Eier und kleiner die Hennen sind. Die Tiere würden aber extra so gezüchtet, dass sie möglichst große Eier legen und ihre Körper möglichst klein sind, damit sie weniger Futter für den Fleischansatz verbrauchen.
„Diese Tiere leiden, sowohl, wenn der Bruch passiert, als auch danach“, sagte die an der Studie beteiligte Assistenzprofessorin Ida Thøfner. Die WissenschaftlerInnen wiesen darauf hin, dass das Wildhuhn etwa 20 Eier pro Jahr lege – die modernen Legehennen aber ungefähr 320. Züchter haben die Tierart also sehr stark verändert.
Die dänische Regierung setzte das Thema auf die Tagesordnung der EU-Agrarminister, weil die meisten Legehennen in Europa von denselben Firmen geliefert werden. Deshalb „sind diese Knochenbrüche aller Wahrscheinlichkeit nach in ganz Europa verbreitet“, erklärte die dänische Delegation. Marktführer in Deutschland und auch weltweit ist der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung zufolge die Lohmann Tierzucht GmbH in Cuxhaven. Auch fast alle von der Universität untersuchten Herden stammten von ihr.
Die dänische Delegation in Brüssel forderte aus diesen Gründen, dass die Europäische Union sich der Sache annimmt. Die EU solle die Firmen bitten, zuchtbedingte Knochenbrüche zu reduzieren. Tierschutzprobleme durch Zucht sollten auch in der EU-Gesetzgebung angegangen werden.
Die meisten Mitgliedstaaten unterstützten diesen Antrag in der Sitzung am Montag. Frankreich und andere Länder forderten aber, die Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Landwirtschaft zu untersuchen. Mehrere Staaten verlangten erst einmal weitere Studien, bevor die EU ihre Gesetze ändert.
Agrarkommissar Janusz Wojciechowski kündigte an, die Kommission werde prüfen, das Thema in einen Vorschlag zur Reform der Tierschutzgesetze aufzunehmen, der bis Ende 2023 vorliegen soll.
Das wird also noch dauern. Deswegen empfehlen die ForscherInnen der Universität Kopenhagen neben Änderungen in der Zucht auch eine kurzfristige Lösung: Bauern sollten die Hennen ein paar Wochen später mit dem Eierlegen beginnen lassen, damit die Tiere genug Zeit haben, robuster zu werden. Denn das Brustbein brauche länger als andere Knochen, um stabil zu werden. Die Landwirte würden durch einen späteren Start der Legeperiode kein Geld verlieren, denn die Hennen würden nach dieser Strategie einfach länger Eier produzieren, so die Wissenschaftler.
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