Neue ZDF-Webserie: Auftrag erfüllt
Die alte Tante ZDF will Zeitgenossenschaft beweisen – und schaufelt sich ihr Grab. Warum die neue Serie „In bester Verfassung“ nicht überzeugt.
„Sie sind ein Relikt“, sagt der Pappkamerad vom Verfassungsschutz – und sieht mit seinem arg knapp auf dem Sixpack sitzenden Anzug ein bisschen so aus wie so ein Dressman aus dem Quelle- oder Otto-Katalog, wenn die gegen Ende ihrer langen, untrennbar mit den fetten Jahren der alten Bundesrepublik verwobenen Existenz, versucht haben, ihrem Sortiment für den konservativen Massengeschmack eines proportional zur sinkenden Auflage zunehmend ältlicheren Kundenstamms doch noch irgendwie den Anschein von Mailänder Modewoche zu verpassen. Was es natürlich nur um so schlimmer machte.
So gesehen ist der Verfassungsschutz-Dressman selbst das größte Relikt in der neuen ZDF-Serie mit dem Titel „In bester Verfassung“ – mit dem der Fernsehsender zwar Ironie beweisen, aber vermutlich nicht etwa selbstironisch an die eigene Situation anspielen will, die sich gar nicht so sehr von den Versandhandelskatalogen kurz vor ihrem endgültigen Aus unterscheidet. Das Publikum vergreist, während die Jugend von heute lieber anderswo konsumiert, namentlich im Internet. Die Sache mit der Digitalisierung.
Was es für das ZDF nur um so schlimmer macht, sind peinlich auf jugendlich gebürstete Formate wie die Nachrichtensendung „heute+“, die aus Gründen der Schadensbegrenzung nur nach Mitternacht läuft, wie dereinst das Testbild, wenn man meint das längst schon schlummernde Stammpublikum nicht mehr verschrecken zu können.
Genau aus diesem Grund versendet das ZDF auch seine „Webserien“ – „Familie Braun“ über eigentlich ganz liebe Neonazis in Zeiten von Multikulti; „Just Push Abuba“ über eine eigentlich ganz liebe Berliner WG in Zeiten der Gentrifizierung – zu entsprechend später Stunde, ist doch deren Ausstrahlung im klassischen, linearen Fernsehen ohnehin ein Anachronismus, wenn nicht Paradox: Die alte Tante ZDF will Zeitgenossenschaft beweisen – und schaufelt sich ihr eigenes Grab?
Zum Binge Watching gezwungen
Per definitionem gehört die „Webserie“ schließlich ins (World Wide) Web. Und da gibt es ja so unendlich viel zu entdecken, auch noch jenseits der ZDF-Mediathek, die Aufmerksamkeitsspanne ist kurz, die einzelne Episode einer „Webserie“ deshalb nur zwischen vier und 15 Minuten lang. Was das ZDF wiederum ad absurdum führt, wenn es die einzelnen Folgen seiner Webserien im Zusammenschnitt hintereinander weg zeigt. Programmiertes Binge Watching quasi. Ausdruck von Verzweiflung, Hilflosigkeit, könnte man auch sagen.
Soviel dazu. Zumal es zu „In bester Verfassung“ sonst gar nicht so viel zu sagen gibt.
„Sie sind ein Relikt“, sagt also der Pappkamerad vom Verfassungsschutz (Fabian Siegismund): „Die Dienststelle Niederlützel wurde vor über 40 Jahren gegründet, um die Terroraktivitäten der ,Rottland-Gruppe' zu beenden. Und herzlichen Glückwunsch, Sie haben Ihren Auftrag erfüllt! Allerdings auch schon vor 35 Jahren.“ Die Verfassungsschutz-Dienststelle in der nordrhein-westfälischen Pampa soll also aufgelöst und die beiden Mitarbeiter (Gudrun Landgrebe und Uke Bosse), Höchststrafe, nach Rostock versetzt werden.
Eher Klamauk
Sie wissen sich zu helfen, für ihren Raison d’Être zu sorgen, haben ja noch die alten RAF-Bombe in der Vitrine. Die RAF ist ja auch so ein Relikt der alten Bundesrepublik. Es kommt wie’s kommen muss. Der inszenierte Islamisten-Anschlag (auf einen Schweinemastbetrieb) entwickelt seine Eigendynamik, der Schweinezüchter hetzt gegen das Establishment und den einzigen Migranten im Ort, der Mob wird von der Leine gelassen: „Wir werden seit Jahren von den Arabern unterwandert, und die Merkel ist eh schon konvertiert!“ – „Ich hab gesehen, dass die heimlich Kopftuch trägt! Gibt’s Fotos im Internet von, muss man wissen!“
Dem Pegida- und AfD-Volk aufs Maul geschaut. Wenn dann aber der Bürgermeister (Oliver Klainfeld) in Angst um sein Amt sich mit Hitler-Scheitel und Hitler-Gestik nach rechts anbiedert, eine Oma im Rollstuhl penetrant ihr „Heil Hitler!“-Mantra aufsagt … erreicht die Komik von „In bester Verfassung“ – entwickelt „im TV-Labor Quantum der ZDF-Nachwuchsredaktion“ (Buch: Joseph Bolz, Fabian Siegismund, Martin Brindöpke) – ziemlich bald ein Niveau, das man früher einmal, zu Zeiten der alten Bundesrepublik, Klamauk genannt hat. Man könnte auch sagen: Diese Sorte Humor ist ein Relikt.
„In bester Verfassung“, acht Folgen, abrufbar in der ZDFmediathek und bei YouTube
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