Neue ZDF-Serie „Tschappel“: Lost im Ländle
Der tollpatschige Carlo muss den Sommer nach dem Abi im Dorf verbringen. „Tschappel“ ist ultra-schwäbische, warmherzige und großartig authentische Comedy.

Carlo Brenner ist das, was man in Österreich einen „Tschappl“, in Bayern ein „Tschapperl“ und in Schwaben einen „Tschappel“ nennt. Drei Wörter, die allesamt einen unbeholfenen und tollpatschigen, aber liebenswerten Zeitgenossen beschreiben – und sich zumindest für ein ans Hochdeutsche gewöhnte Ohr in ihrem Klang nahezu nicht voneinander abheben mögen.
In ihrer Serie legen die Autoren Marc Philip Ginolas und Marius Beck allerdings großen Wert auf derlei kleine Unterschiede: In „Tschappel“, der ultra-schwäbischen Variante einer Coming-of-Age-Erzählung, geht es um den Alltag auf dem Dorf aus Sicht der jungen Generation, um das Aufwachsen auf dem Land, und die eben gar nicht mal so unbedeutenden Besonderheiten, die das mit sich bringt.
Es geht, anders ausgedrückt, „ums Erwachsawerda – mit alle Freid, Plaga ond dem ganz normale Kuddelmuddel, wie’s halt so isch.“ Wer hier bereits Verständnisprobleme hat, für den könnte „Tschappel“ tatsächlich zur Herausforderung werden – gesprochen wird nämlich fast ausnahmslos Dialekt. Sich ihr zu stellen, lohnt sich allerdings: Selten präsentiert sich deutsche Comedy so authentisch, warmherzig-verschroben und eigenwillig wie hier.
Besagter Carlo (Jeremias Meyer), gerade ins Leben entlassener Abiturient, steht im Zentrum des Geschehens. Was er mit der neuen Freiheit eigentlich anfangen soll, weiß er nicht so recht. Weil seine Mitschülerin Pia (Mina-Giselle Rüffer), in die er heimlich verliebt ist, für ein „Work-and-Travel“-Jahr nach Australien geht, plant er kurzerhand das Gleiche. Der Plan scheitert allerdings spektakulär.
„Tschappel“, 8 Folgen in der ZDF-Mediathek
Denn ausgerechnet auf dem Heimweg von der Abi-Feier gerät Carlo, nicht alkoholisiert aber abgelenkt von der Präsenz seines Schwarms, mit dem geliebten Oldtimer seines Vaters (Bernd Gnann) in einen skurrilen Wildunfall. Um den Schaden zu begleichen, muss er den Sommer über in der alteingesessenen Gastwirtschaft seiner Eltern aushelfen.
Seine Freunde Aydin (David Ali Rashed, bekannt aus „Die Discounter“) und – nomen est omen – BlaBla (Sebastian Jakob Doppelbauer) sowie seine junggebliebene Tante Sabine (Nina Gnädig) sind nicht nur ständig an seiner Seite, sondern stürzen sich mit ihm gemeinsam in alltägliche Abenteuer, die meist in großem Chaos münden. Während Carlo sich nach jedem gescheiterten Versuch, seinem Leben eine Richtung zu geben, immer wieder selbst hinterfragt, sind es die unaufgeregten Begegnungen mit den schrullig-sympathischen Dorfbewohnern, die oft die entscheidenden Einsichten liefern.
Zwischen Lakonie und Lebensweisheit
Von dieser Prämisse ausgehend, erzählt „Tschappel“ in acht kuriosen Miniaturen vom immensen Ereignischarakter einer dörflichen Jubiläumsfeier im sonst so ereignisarmen Landleben, von der sozialen Bedeutung sogenannter „Bauwagenpartys“, von Jauchegruben, die in der Sommerhitze zu Pools umfunktioniert werden. Lauter Dinge, mit denen ein in der Stadt aufgewachsenes Publikum bislang keinerlei Berührungspunkte gehabt haben dürfte – nicht einmal in Serien. Denn selbst fiktional erzählende Medien haben den Mikrokosmos „süddeutsches Dorf“ bisher weitgehend unergründet belassen. Die Autoren Ginolas und Beck – der selbst in Oberschwaben aufgewachsen ist und offensichtlich sehr genau weiß, wovon er erzählt – ändern das nun und erwecken die Eigenheiten des schwäbischen Dorfs bis in die feinsten Details zum Leben.
„Tschappel“ schließt damit eine Lücke und zeigt eine Lebensrealität, die zwar Zahlreiche betrifft, aber abseits verklärender Heimatkitschproduktionen kaum je im Fernsehen repräsentiert ist. Der Serie gelingt dabei nicht nur der Balanceakt, weder zweifelhafte „Volkskulturromantik“ zu betreiben noch in ein Lächerlichmachen alles Ländlichen abzugleiten. Sie überzeugt auch mit ihrem treffenden Blick auf universelle Themen.
Denn „Tschappel“ bleibt bei allem Special-Schaben-Interest eine klassische Erzählung über einen Reifungsprozess, die mit scharfem Witz, stiller Menschlichkeit und besonderem Gespür für das Absurde im Alltäglichen wohltuend aus dem TV-Einerlei hervorsticht.
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