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Neue WohnflächenstatistikWir wohnen zu groß

Viele Menschen leben im Alter in zu großen Buden. Jetzt sind neue Kulturtechniken gefragt, um mit Fremden oder Bekannten zusammenleben zu können.

Wie soll man das Zusammenwohnen organisieren? Braucht jeder sein eigenes Klopapier? Foto: dpa

Allerorten wird über die Wohnungsnot geklagt, aber in Wirklichkeit sind wir Flächenfresser: Die Wohnfläche pro Einwohner ist gestiegen, um 1,7 Quadratmeter pro Kopf, und liegt nun im Bundesdurchschnitt bei 46,7 Quadratmetern, meldet das Statistische Bundesamt am Montag. Wir wohnen gern groß. Und bleiben lieber unter uns, wenn die Kinder ausgezogen sind oder der Partner nicht mehr da ist. Dabei wäre es an der Zeit, wieder ein paar Kulturtechniken zu entwickeln für das Zusammenleben mit Bekannten oder Fremden in einer Wohnung. Das spart Geld, ist sozialer und ökologischer.

Ledige, Geschiedene, Verwitwete leben in Einpersonenhaushalten, die im Schnitt 66 Quadratmeter verbrauchen, man braucht schließlich Küche und Bad für sich allein. Das ist ein hoher Flächenverbrauch, monierte unlängst das Umweltbundesamt. Millionen von RentnerInnen geistern durch viel zu große Eigenheime, Jahre nachdem die Kinder schon lange ausgezogen sind und der Partner verstorben ist. Eine Tauschbörse der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften in Berlin ermöglicht MieterInnen in zu großen Wohnungen den Wechsel in kleinere, in der Regel auch billigere Bleiben. Die Resonanz ist mager.

Doch solch Beharrungsvermögen kann sich nicht jeder leisten. Für viele Menschen kann es zur wirtschaftlichen Überlebensfrage werden, sich mit Fremden eine Wohnung zu teilen. Denn die Mietpreise pro Quadratmeter steigen. In Berlin ist die rechnerische Wohnfläche pro Kopf zuletzt auch gesunken.

Die große K-Frage um Küche und Klo

Dabei gibt es mehrere Varianten der Mitwohnerschaft. Beliebt für Eltern mit leeren Kinderzimmern ist das „Modell Goethe-Institut“. Man vermietet nur kurzfristig, etwa an ausländische KursteilnehmerInnen. Oder an Feriengäste über Airbnb. Der ständige Wechsel der Besucher kann aber nerven.

Bei längerfristigen Untermietverhältnissen stellt sich erst recht die K-Frage: Küche und Klo. Wie gemeinsam nutzen? In einer großen Wohnung lässt sich dies vielleicht durch ein zweites Minibadezimmer lösen. Sonst hilft strengste Disziplin. In manchen Gemeinschaftswohnungen in London beispielsweise, wo junge Berufstätige für 900 Pfund ein kleines Zimmer mieten, gilt die Regel, dass man nach jeder Kocherei die Küche blitzblank hinterlässt und im Bad keine persönlichen Kosmetikartikel herumliegen hat, die Kulturtasche wird jedes Mal wieder aufs Zimmer geschleppt. Aber soll man das als Hauptmieterin dann auch so machen oder das Privileg für sich beanspruchen, Duschgel und Haarbürste weiterhin im Bad herumliegen zu lassen ?

Damit ist man bei der Hierarchiefrage. Bei Untervermietverhältnissen gab es in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts klare Regeln: Kochplatte auf dem Zimmer, Badbenutzung war erlaubt, Herren- oder Damenbesuch aber nicht. Zimmerwirtinnen und Untermieter sorgten in den „Kommissar“-TV-Serien“ damals für allerlei Abgründiges.

So was ist heute undenkbar. Aber was tun, wenn jeden Tag vor der Eingangstür fremde Schuhpaare stehen und lärmende FreundInnen, Bekannte der Mitmieterin in der Küche den Begriff der Gastfreundschaft aktualisieren? Der Kochraum wird solcherart auf das Ökologischste genutzt. Introvertierte Hauptmieter in späteren Jahren aber kommen hier an ihre Grenzen.

Die Frage lautet: Wie flexibel kann man überhaupt noch sein? Erst recht im Alter, wenn die Wohnung als Schutzraum, als Intimsphäre empfunden wird, als eine Erweiterung des eigenen Körpers, an den man niemanden Fremden heranlassen will. Nur ist das leider eine Illusion. Wenn wir irgendwann den Weg zum Klo alleine nicht mehr schaffen und Hilfe brauchen, wird sowieso alles anders.

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7 Kommentare

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  • Danke für diesen frischen und ehrlichen Artikel! Wie schwer das Umgewöhnen ist, wenn die Wohnung mit einem (zunächst) fremden Menschen geteilt wird bei eigenem Alter > 50: hab es versucht - gelang mir eher selten. So viele eingespielte Sachen, manchmal vielleicht auch Rituale (ohne noch erkennbaren Sinn)! Dennoch, wer sich überwinden kann: bitte versuchen!

  • Hab gerade im Auftrag einer Dokfilmerin dazu recherchiert. Ideell finden viele die Idee schön und begegnen damit Vereinsamung im Alter z.B. auch nach Partner:innen Verlust. Auch pragmatische Gründe gibts. Nicht nur die Miete auch Reinigungs- und Haushaltshilfe oder Einkaufsservice ist günstiger wenn mans teilt. Das tun ja auch jüngere Menschen z.B. mit Behinderung schon. Und mit Blick auf (späteren) Pflegebedarf ist die "Pflege-WG" selbstbestimmter im Vergleich zum Pflegeheimen und ebenfalls günstiger wenn sich die WG für den selben ambulanten Dienst entscheidet und ähnliche Bedarfszeiten hat entfallen Arbeitswege z.B.

  • Jau- am Besten ab ins Heim mit den ollen Dödeln. Grosse Wohnungen sollen den Jungen, aktiven Architektenschnöseln gehören. Oh Mann- also ob nicht zigtausend Schweinereiche AUCH in zu grossen Wohnungen leben. Mich nervt die Altenhetze jetzt langsam mal. Man KANN einen 80 Jährigen nicht einfach irgendwohin frachten. Vor allem- er soll ja auch nicht mehr Auto fahren dürfen. Was wäre wenn ich jetzt feststellte, Schwule würden aufgrund der tendieziell besseren Jobs in zu grossen Räumen wohnen? Hört endlich auf, den einen Gruppen was wegnehmen zu wollen, um es anderen gruppen zuzuschanzen. ich glaube, die Deutschen sehen sich an einer wilhelminischen Zuteilgemeinschaft.

  • Die Autorin bedient sich der Schnitte wie eine Schneiderin. Median wäre besser. Oder die Frage: wie wohnen die unteren 30%?

  • Vielleicht sollte erstmal unterschieden werden, wer sich hier über was beklagt. Der gut abgesicherte Rentner, der in seinem 200 qm Bungalow am Hang einer süddeutschen Universitätsstadt lebt und so diesen Durchschnittswert von 46,7 Quadratmeters nach oben schiebt, beklagt sich nicht über mangelnden Wohnraum, das machen die, (sorry für die Klischees) die sich unten im Tal der Stadt um kleine, überteuerte Studentenbutzen prügeln müssen, das macht die Alleinerziehende Mutter, mit zwei Minijobs und ihre drei Kinder, die zu viert in einer 60qm Plattenbauwohnung am Stadtrand leben, die ganze Grundannahme dieses Artikels ist falsch.

  • 9G
    90857 (Profil gelöscht)

    Zitat: "Wenn wir irgendwann den Weg zum Klo alleine nicht mehr schaffen und Hilfe brauchen, wird sowieso alles anders."

    Genau! Und bis dahin leisten "wir" uns das;

    wobei sich gleich anschließend die Frage stellt , wer denn dieses ominöse "wir" ist, welches hier als "Flächenfresser" angeprangert wird.

  • Zitat: „Allerorten wird über die Wohnungsnot geklagt, aber in Wirklichkeit sind wir Flächenfresser.“

    Geklagt wird vor allem über solche Phänomene, die schon als ärgerlich empfunden werden, zu denen aber noch keine Alternative erkennbar ist. Das Klagen an sich ist schließlich auch eine Kulturtechnik. Eine, die sozusagen Ergebnis einer sozialen Evolution ist und sicherstellen soll, dass genügend „Kritische Masse“ zusammenkommt für eine zündende Idee.

    Wenn also über eine angebliche „Wohnungsnot“ geklagt wird, obwohl die verfügbare Fläche zuletzt gestiegen ist und nun bei 46,7 Quadratmeter „pro Kopf“ liegt, ist das vermutlich ein Problem, für das noch niemand eine Lösung hat. Die Frage ist allerdings nicht: Warum gibt es noch keine Lösung? Die Frage ist zunächst erst einmal: Worin genau besteht das Problem?

    Durchschnittszahlen werden bei der Beantwortung dieser Frage vermutlich nicht all zu hilfreich sein. Das „Wir“, auf das sich Barbara Dribbusch hier bezieht, gibt es nämlich noch nicht. Es fehlen, wie sie richtig feststellt, an den dafür nötigen Kulturtechniken. Und zwar fehlt es zunächst erst einmal an einer allgemein anerkannten Definition ausreichenden Wohnraums.

    Wie viel Wohnraum ist genug für einen Einzelne, für einen Rentnerhaushalt, für eine Familie? Auf individueller Ebene mag der eine oder andere diese Frage bereits beantwortet haben. Für die Gesellschaft allerdings sind individuelle Antworten nur selten hilfreich. Denn Wohnraum ist eine Ware. Waren aber müssen bezahlt werden und dafür braucht man finanzielle Mittel. Wo die sehr ungleich verteilt sind, gibt es kein „Wir“, das eine Antwort geben könnte auf die Ausreichend-Frage. In ausreichend steckt schließlich das Wörtchen reich.

    Nein, es ist nicht „an der Zeit, wieder ein paar Kulturtechniken zu entwickeln“. Sie müssen erstmals her, die Techniken. Es hat sie nämlich bisher nicht gegeben. Abseits der neu-liberalen Mach-mal schön-selber- und der linksextremen Mach-alle-gleich-Politik, meine ich.