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Neue Vorwürfe im AbgasskandalGutachter sieht das Recht missachtet

Martin Führ erhebt schwere Vorwürfe gegen Alexander Dobrindt und das Kraftfahrtbundesamt. Sie hätten bestehende Gesetze falsch ausgelegt.

Wird er unbeschadstofft aus der Geschichte rauskommen? Verkehrsminister Dobrindt Foto: dpa

BERLIN taz | Das Kraftfahrtbundesamt und das von Alexander Dobrindt (CSU) geführte Verkehrsministerium haben im Abgasskandal die bestehenden Gesetze falsch ausgelegt und sich dadurch womöglich sogar strafbar gemacht. Zu diesem Schluss kommt ein Gutachten des Darmstädter Rechtsprofessors Martin Führ im Auftrag des Abgas-Untersuchungsausschusses des Bundestags. Das Gutachten, über das zuerst das ZDF-Magazin „Frontal 21“ berichtet hatte, liegt der taz vor.

Die vom Verkehrsministerium eingesetzte Untersuchungskommission war zu der Erkenntnis gelangt, dass fast alle Diesel-Hersteller Abschalteinrichtungen benutzen, die zu vielfach überhöhtem Stickoxidausstoß im realen Betrieb führen. Außer bei VW hielt die Kommission dieses Vorgehen jedoch nicht für strafbar, sondern sah es durch Ausnahmeregelungen gedeckt.

Diese Auffassung, der sich Dobrindt angeschlossen hatte, weist Gutachter Führ zurück. Es gebe „keine Rechtfertigung“ für Einrichtungen, die die Abgasreinigung etwa bei niedrigen Temperaturen abschalten, schreibt er. Für die betroffenen Fahrzeuge sei daher „die Typzulassung von Anfang an rechtswidrig“ gewesen und müsse zurückgenommen werden.

Dem Kraftfahrtbundesamt, das Dobrindts Ministerium unterstellt ist, wirft das Gutachten „eine fortdauernde und schwerwiegende Missachtung des Rechts“ vor. Dies könnte neben politischen auch strafrechtliche Konsequenzen haben. Die „Negierung des Rechts durch die beteiligten Akteure“ biete den Anlass, die Strafbarkeit zu prüfen. Die Hersteller hätten möglicherweise in „Kollusion mit den öffentlichen Stellen“ agiert. Damit meinen Juristen so etwas wie ein stillschweigendes unerlaubtes Zusammenwirken.

Das Verkehrsministerium kommentierte das Gutachten auf Anfrage bis Redaktionsschluss nicht.

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7 Kommentare

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  • Wenn die Politik Deutschlands eine Katze namens Dobrindt wäre, beißt die sich nun in den eigenen Schwanz und ruft solange unverdrossen frohlockend "AUA!, war was?", solange es in Deutschland, anders als in den USA, trotz TTIP/CETA ante Portas im Namen der Waffengleicheit der Akteure am Markt die da sind Unternehmen, Verbraucher, der Staat in einer Ökonomie amtlich verordneter Straflosigkeit kein Unternehmens- , Verbands- und Staatshaftungsrecht gibt https://www.openpetition.de/petition/online/unternehmens-und-verbandsstrafrecht

    https://joachimpetrick.wordpress.com/2016/08/30/warum-wir-ein-unternehmensstrafrecht-brauchen-why-do-we-need-a-corporate-crime/

  • Da wurde wohl das deutsche Rechtssystem gründlich verkannt.

     

    Das "falsch auslegen" ist das Grundprinzip.

    Mir ist jedenfalls nicht ein Gesetz bekannt, das nicht durch diverse Sonderbestimmungen und/oder zusätzliche gerichtliche Umdefinierung generell auch das Gegenteil von dem verursachen kann, wofür es ursprünglich angeblich gedacht war.

     

    Heute mag es noch total abwegig klingen, aber schon morgen könnte es durchaus zur Realität werden, daß Politiker sogar ernsthaft diskutieren, inwieweit Autoabgase für irgend etwas "gesundheitsfördernd" sein könnten. Passende Bedarfsgutachter gibt es schließlich für jedweden Zweck.

  • Dobrindt und Zurücktreten? Hat er das getan, als seine Maut - Geschichte den Bach runter gegangen ist? Das ist ein CSU Mann, die haben wenig im Kopf kompensieren dies aber mit einem "Dicken Fell"! Entschuldigung dafür, aber stimmt doch!

    Seit etwa 40 Jahren habe ich mit Autos zu tun und weis deshalb auch so ein wenig wo von ich Rede. Wenn die Politik nicht durch die Industrie so viele Ingenieure und andere Entwickler ausgebremst hätte, würde es den sauberen Diesel, im Sinne des Benziners längst geben. Da es aber Patente oder auch private Ansätze nie über das Zulassungsverfahren hinaus geschafft haben, der Industrie sei Dank, mussten die Autobauer eben mit Absprache der Politik betrügen, um noch auf Ihre Kosten zu kommen. Das "Good Old Germany" mit seinem " Made in Germany" funktioniert nur noch durch das Vitamin "B" der Lobbyisten. Schauen sie sich mal die Werdegänge vieler Politiker an, so viele Politiker sitzen heute an den Stellen der Wirtschaft als sogenannte Berater, ohne ausgewiesene Funktion oder sind Vorstandsmitglieder ohne benanntes Ressort. Tolles Joint Venture für Klientelentscheidungen. Warum gibt es dort keine Untersuchungen zu, damit würde vieles zu Klären sein, auch Dobrindts Interesse den Abgas Skandal zu vertuschen, bevor er öffentlich wurde.

    Stehe gern dazu Rede und Antwort!!!

  • Und WER verklagt jetzt Dobrindt??? Ich erwarte jetzt, dass auch Herr Dobrindt für sein rechtswidriges Verhalten zur Verantwortung gezogen wird. Dass das rechtswidrig war, war von Anfang an klar - dass es so lange gedauert hat, dass das mal jemand ausspricht, schafft kein Vertrauen in unseren Rechtsstaat. Jeder der mit EU- Richtlinien zu tun hat, weiß, was der zentrale Begriff "bestimmungsgemäße Verwendung" bedeutet - der Begriff taucht in vielen EU-Richtlinien auf und ist einheitlich geprägt - da gibt es nicht den Hauch eines Zweifels - und auch Herr Dobrindt wusste das von Anfang an!

    • @Georg Marder:

      Unsinn. Da geht es nur um die Einhaltung von Gesetzen. Die waren für die im höheren Auftrag stehenden Herren der CSU doch noch nie relevant. Sonst würde doch keiner dieser Experten mehr frei herum laufen.

    • @Georg Marder:

      Eine Klage ist nicht unbedingt notwendig: als Verantwortlicher für den Laden wird er gehen müssen, wenn sich rausstellt, dass unter seiner Regie so viel Mist verzapft wurde.

      • @Mitch Miller:

        Unsinn. Es wurde immer schon in jedem CSU Ministerium nur Mist verzapft und es hat noch keine geschadet. Im Gegenteil: Einige wurde dadurch sogar Ministerpräsident.