Neue Übersetzung der Bibel: Ohne Jungfrau geht's nicht
Zum Nikolaustag veröffentlicht die katholische Kirche eine neue Übersetzung der Bibel ins Deutsche. Frauen und Juden kommen nun etwas besser weg.
Etwas überspitzt gesagt: dass Frauen in der katholischen Kirche so wenig zu sagen haben, dass die Kirche Roms mit einer glorifizierten Jungfräulichkeit über Jahrhunderte großes Unheil in den Seelen junger Frauen angerichtet hat, ja, dass der uralte christliche Antijudaismus in fast zweitausend Jahren Kirchengeschichte so wüten konnte – das hat auch mit ungenauen, ideologisch verfremdeten oder schlicht fehlerhaften Übersetzungen der Bibel zu tun.
Daran ist zu denken, wenn am Dienstag, zum Nikolaustag in der katholischen Kirche, eine neue Bibelübersetzung für den deutschsprachigen Raum veröffentlicht wird, genannt „Einheitsübersetzung“.
Allein diese Einheitsübersetzung der Bibel ist die Ausgabe, die für die rund 24 Millionen katholischen Gläubigen Deutschlands gültig ist. Sie wird in der Messe als Wort Gottes verkündet. Da müssen jedes Wort und jedes Komma stimmen. Weshalb sie auch vom Vatikan in Rom eine Genehmigung brauchte, bevor sie in den Druck gehen konnte.
Zehn Jahre lang haben über 60 Fachleute an ihr gearbeitet. Es ist die erste Revision der Einheitsübersetzung seit 1979. Startauflage: 100.000 Stück.
Polemik korrigiert
Frauen sollten genau auf diese neue Bibel schauen – und Juden. Denn die neue Bibelübersetzung versucht, dem Volk Israel so gerecht zu werden, wie es die Ursprungstexte eigentlich meinten, die im Wesentlichen in altem Hebräisch und Altgriechisch verfasst worden sind. Die stellenweise anzutreffende antijüdische Polemik des frühen Christentum soll korrigiert werden.
So wird beispielsweise in der neuen Übersetzung bei Lukas (Kapitel 2, Vers 25) von Jesus als dem „Trost Israels“ gesprochen. Im Gegensatz zur „Rettung Israels“ in der alten Einheitsübersetzung – als ob das Volk Israel gerettet werden müsste. Ähnlich im Römer-Brief des Paulus. In der alten Übersetzung nennt der Apostel die Juden dort knallhart „Feinde Gottes“. Während die neue sie schlicht „Feinde“ nennt, aber auch „von Gott Geliebte“.
Aus der „Verwerfung“ der Juden im Römerbrief des Paulus (11,15) ist nun eine sanftere „Zurückweisung“ geworden. Der Münchner Neutestamentler Knut Backhaus, einer der Übersetzer der neuen Bibel, schreibt dazu der taz: „Die Rede davon, dass Gott die Juden ‚verworfen‘ habe, hat ja in der Geschichte arge Folgen gehabt und entspricht nicht dem Gedankengang des Paulus im Kontext.“
Die „junge Frau“ Maria
Vielleicht noch brisanter ist der Umgang der neuen Übersetzung mit den Frauen – ein für die katholische Kirche mit ihren zölibatär lebenden Priestern seit Jahrhunderten äußerst schwieriges Thema. Es fängt damit an, dass die Übersetzerinnen und Übersetzer der neuen Bibel sich entschlossen haben, in den Briefen des Paulus an die frühen christlichen Gemeinden die Anrede „Brüder und Schwestern“ zu nutzen. Denn Männer und Frauen waren gemeint. Und das, obwohl das Original nur von „Brüdern“ spricht.
Schon diese Interpretation soll dem Vatikan aufgestoßen sein. Die Briefe des Paulus, zumindest die, die als original gelten, gehören zu den ältesten Schriften des Neuen Testaments. Sie sind von immenser theologischer Bedeutung. Bis heute.
Sehr umstritten ist auch eine berühmte Stelle im Alten Testament, also der hebräischen, jüdischen Bibel, die das Christentum übernommen hat. Der Prophet Jesaja sagt da (7,14): „Siehe, die Jungfrau hat empfangen …“ – eine Stelle, die die frühen Christen auf die Geburt Jesu bezogen. Als habe Jesaja Jesus als den Messias vorhergesagt, geboren von einer Jungfrau. Nach dem hebräischen Original ist an dieser Stelle eigentlich die Übersetzung „Siehe, die junge Frau hat empfangen …“ angemessen. Doch auch die neue Einheitsübersetzung belässt es bei „Jungfrau“.
Warum? „Konsequent wäre es gewesen“, sagt der emeritierte Tübinger Theologe Michael Theobald, ebenfalls ein Übersetzer der neuen Bibel. Aber dies sei für die neue Bibel „nicht durchsetzbar“ gewesen. Mehr will er zu diesem Konflikt nicht sagen. Maria keine „Jungfrau“ mehr, sondern nur noch eine „junge Frau“? Undenkbar!
Manchmal inkonsequent
Übrigens: Auch der Verfasser des Matthäus-Evangeliums im Neuen Testament, wohl ein gelehrter Jude und Anhänger Christi, zitiert um das Jahr 80 diese Jesaja-Stelle – und schrieb statt „junge Frau“ das falsche „Jungfrau“. Denn er nutzte offenbar nicht den hebräischen Urtext, sondern nur eine griechische Übersetzung der hebräischen Bibel, die „Septuaginta“. Und bereits da stand nicht mehr „junge Frau“, sondern „Jungfrau“. Ein gravierender Übersetzungsfehler schon damals – mit weitreichenden Folgen.
Die neue Einheitsübersetzung korrigiert an manchen Stellen die Marginalisierung von Frauen aus früheren Übersetzungen. So heißt es jetzt endlich korrekt von Paulus im Römerbrief (16,7): „Grüßt Andronikus und Junia … sie ragen heraus unter den Aposteln“. Das ist ein Fortschritt. Denn die alte Einheitsübersetzung folgte noch der Tradition, dass hier „Junias“ gegrüßt werde – was ein Männername ist, aber eine völlig abwegige Übersetzung. Sie sollte vermeiden, dass Paulus eine Frau als „Apostel“ bezeichnet.
Inkonsequent aber ist, wie die neue Übersetzung wenige Zeilen zuvor mit Phoebe umgeht: Die Geschäftsfrau aus Kenchreä, einem Hafen von Korinth, soll im Winter 56/57 einen Brief des Paulus an die junge, aber sehr wichtige christliche Gemeinde in Rom überbringen – und Paulus ist an mehreren Stellen voll des Lobes für diese Frau. Phoebe stand offenbar der Gemeinde ihrer Heimatstadt vor. Damit war sie das, was man heute wohl eine Priesterin oder zumindest eine Diakonin nennen würde. In Paulus’ Brief wird sie auch „diakonos“ genannt, also eigentlich: „Diakonin“. Die aber darf es in der katholischen Kirche (noch) nicht geben. Weshalb Phoebe auch in der neuen Einheitsübersetzung bloß als die „Dienerin der Gemeinde von Kenchreä“ auftaucht.
Das „Schweigen“ der Frauen
Fast ein Skandal ist der Umgang der neuen Übersetzung mit der vielleicht berüchtigsten Stelle des Paulus. Es ist ein Satz mit weitreichenden Folgen für die Rolle der Frau in der katholischen Kirche. In seinem ersten Brief an die Korinther (14,33+34) schreibt er: „Wie es in allen Gemeinden […] üblich ist, sollen die Frauen in den Versammlungen schweigen.“
Die Salzburger Neutestamentlerin Marlis Gielen, eine weitere Übersetzerin der neuen Bibel, sagt der taz: Es sei in der Forschung praktisch Konsens, dass die Empfehlung „… sollen die Frauen in den Versammlungen schweigen“ nicht von Paulus stamme, sondern ein späterer Einschub sei. Gielen wollte das in einer Fußnote in der neuen Bibel notiert sehen – und auch die alte Einheitsübersetzung macht zumindest darauf aufmerksam, dass dieser Einschub „in Spannung“ stehe zu anderen Aussagen des Paulus.
„Die Bibel: Gesamtausgabe. Revidierte Einheitsübersetzung 2017“. Verlag Katholisches Bibelwerk, 1.552 Seiten, 9,90 Euro
Etwa zu einer Stelle, in der er lang und breit erklärt, was Frauen alles im Gottesdienst ganz selbstverständlich tun, nämlich unter anderem prophetisch reden (1. Korinther, 11,5). Diese Fußnote von Gielen und anderen Fachleuten in einem Entwurf für die revidierte Bibel aber ist in der neuen Einheitsübersetzung nicht mehr zu finden. Diese Streichung habe sie „jetzt erst gesehen“, sagt sie der taz. Dabei sei doch zuvor klar gewesen, dass das angeblich angemessene Schweigen der Frauen im Gottesdienst „ein Kuckucksei“ gewesen sei. Warum die Fußnote dazu nun verschwunden, wo sie auf der Strecke blieb – das kann sich Marlis Gielen überhaupt nicht erklären.
Papst Franziskus hat stets betont, die Juden müssten nicht „gerettet“ werden. Die neue Einheitsübersetzung gibt ihm da recht. Im Mai hat Franziskus vor 870 Ordensoberinnen aus aller Welt zudem angekündigt, er wolle eine Studienkommission zur Rolle von Diakoninnen in der frühen Kirche einsetzen. Die kann nur eines herausfinden: Es gab sehr wohl schon einmal Diakoninnen in der Kirche – nämlich Phoebe und ihre Schwestern. Und geschwiegen haben die nie.
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