Neue Studie zur Überfischung: Meere noch leerer als gedacht
Fischer haben die Meere weitaus stärker ausgebeutet, als es die UN-Ernährungsorganisation angenommen hat. Greenpeace sagt: nur Karpfen gehen klar.
HAMBURG taz | In den vergangenen Jahrzehnten ist viel mehr Fisch gefangen worden als bisher bekannt. Wie eine Forschergruppe um Daniel Pauly von der Universität von British Columbia in Vancouver ermittelt hat, war die tatsächliche Fangmenge anderthalbmal so groß wie von der Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) der UN angenommen. Ausgehend von den höheren Mengen konstatieren die Forscher auch einen weitaus stärkeren Rückgang der Fangmengen, als ihn die FAO-Zahlen ausweisen.
„Der Haupttrend der weltweiten Meeresfischerei ist nicht ‚Stabilität‘, wie die FAO vorsichtig nahelegte, sondern Niedergang“, stellen die Forscher in einem Aufsatz für die Zeitschrift Nature fest. Der Rückgang der Mengen sei nicht den Fangquoten zuzuschreiben, wie sie in Nordamerika und Europa eingeführt wurden, sondern deute auf schwindende Bestände hin. Angesichts der Bedeutung von Fisch für die Nahrungsversorgung sei das bedenklich.
Pauly war bei der Analyse der FAO-Daten darauf gestoßen, dass viele wichtige Faktoren unberücksichtigt blieben, wie Angaben über bestimmte Arten oder illegale Fischerei. „Das machte mir Angst, weil mir klar wurde, dass das nicht die Ausnahme war, sondern die Regel“, sagte er Nature. Pauly startete einen Aufruf, die Statistik von Grund auf zu überarbeiten. Weltweit wühlten sich Forscher durch alte Regierungsakten und Hafenbücher. Sie analysierten Luftbilder, interviewten Fischer und werteten Forschungsberichte aus.
Das Ergebnis: Laut FAO wurden zwischen 1950 und 2010 mit 86 Millionen Tonnen im Jahr 1996 am meisten Fisch gefangen. Danach ging die Ausbeute leicht zurück. Nach den Erkenntnissen der Forscher betrug die Fangmenge jedoch im Spitzenjahr 1996 rund 130 Millionen Tonnen und ging dreimal so stark zurück wie von der FAO angenommen.
Die neuen Erkenntnisse sind ein starkes Argument für die Faustregeln, die die Umweltorganisation Greenpeace mit der Veröffentlichung ihres neuesten Einkaufsratgebers Fisch ausgesprochen hat: selten Fisch und Meeresfrüchte essen, bewusst Fische nachhaltiger Herkunft kaufen, den Handel auf Rot eingestufte und schlecht gekennzeichnete Produkte hinweisen.
Ausgerechnet der wenig beliebte Karpfen ist nach Einschätzung von Greenpeace der einzige Fisch, der bedenkenlos gegessen werden kann. Den Verzehr von Hering und Wels stuft die Umweltorganisation als vertretbar ein. Verzichten sollten Konsumenten auf Aal, Rotbarsch, Makrele, Seehecht – und Alaska-Seelachs, aus dem die meisten Fischstäbchen bestehen. In die Bewertung flossen auch die Umweltauswirkungen der Fischerei ein.
Leser*innenkommentare
Traverso
Die Ausbeutung der Fischbestände hat mit dem gigantischen und gierigen Fischkonsum in den reichen Ländern zu tun. Jetzt fischen wir zum Beispiel auch noch die Bestände vor Afrika leer und nehmen den dortigen Fischern Ihre Lebensgrundlage ( Flüchtlinge von morgen )
Gerade wir in den reichen Ländern können absolut problemlos und kulinarisch hochwertig auf Fisch, Fleisch und Milchprodukte verzichten.
Jeder Einzelne kann somit einen wertvollen, effektiven und positiven Beitrag für die Umwelt, gegen den Hunger, gegen Ausbeutung und gegen gigantische Tierquälereien leisten.
Christian
Gut, jetzt argumentieren natürlich manche, dass es bereits zu viele Menschen auf der Erde gibt um nachhaltiges Leben überhaupt zu ermöglichen. Wenn man dies annimmt und in einen Einkaufsratgeber gösse, hieße es da: "Sorry, kaufen Sie nichts, essen Sie nichts, trinken Sie nichts und verbrauchen Sie auch bitte keine Fläche mit ihrem Haus." Es kann gut sein, dass das der einzige logische Schluss aus einer Erde mit 7 Milliarden Menschen ist. Nur hilfreich ist es halt nicht.
Christina de Havilland
@Christian Es ist durchaus genug Nahrung da, um alle Menschen satt zu bekommen. Nur findet eine ungleiche Verteilung statt: Über 90 % der weltweiten Sojaernte (http://www.zeit.de/wirtschaft/2013-11/soja-bilanz/komplettansicht), 50 % der weltweiten Getreideernte sowie 40 % des weltweiten Fischfangs werden für die Fütterung der sogenannten Nutztiere verwendet, während täglich allein 6 000 bis 34 000 Kinder an Hunger sterben. Um 1 Kilo Fleisch zu produzieren, benötigt man durchschnittlich 7 kg Futtermittel. Würde die gesamte Getreideernte zu Nahrungsmitteln verarbeitet und gar nichts mehr zu Futtermitteln, dann könnten laut aktueller Studien vier Milliarden Menschen mehr ernährt werden (http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/heutiges-ackerland-koennte-vier-milliarden-menschen-mehr-ernaehren-a-914457.html).
Christian
@Christina de Havilland Ich rede ja auch nicht nur von Nahrung.
Mika
"Fischer haben Meere weitaus stärker ausgebeutet, als es die UN-Ernährungsorganisation angenommen hat."
Nicht Fischer, sondern schwimmende Hightech-Fabriken.
Termio
Der Kommentar wurde auf Wunsch des Verfassers entfernt.
Die Moderation
Reinhold Schramm
Schon bald gibt es mehr Plastikflaschen als (gesunde) Fische in den Weltmeeren?
Ulrich Grothaus
Ein Karpfen ist ein Süßwasserfisch und kommt nicht im Meer vor, wie die Bildunterschrift unterstellt. In Allgemeinbildung kann nie genug investiert werden ;-).
the real günni
@Ulrich Grothaus na und wo genau kommen dann die einhoerner vor?