Neue Studie zur Klimaneutralität: Neue Regierung muss Tempo machen
Auch die Deutsche Energieagentur Dena hält Klimaneutralität bis 2045 für machbar. Dabei setzt sie aber stärker als andere Akteure auf Importe.
![Heizkörper Heizkörper](https://taz.de/picture/5152523/14/28382165-1.jpeg)
Dass die beschlossenen Sektorziele in den nächsten Jahren erreicht werden, sei angesichts der Versäumnisse in der Vergangenheit sehr unwahrscheinlich. Die Klimaziele für 2030 und 2045 könnten dagegen erreicht werden. „Der Fortschritt wird uns aber nicht in den Schoß fallen“, sagte Kuhlmann. „Es ist Zeit für konkretes Handeln.“ Damit dies gelinge, brauche es eine stärkere Steuerung der Klimaschutzpolitik im Kanzleramt.
Viele der Maßnahmen, die fürs Erreichen der Klimaneutralität vorgeschlagen werden, sind ähnlich wie bei vergleichbaren Studien anderer Akteure: Die installierte Leistung von Wind- und Solaranlagen muss sich bis zum Jahr 2030 mehr als verdoppeln, die Zahl der Häuser, die jedes Jahr energetisch saniert werden, ebenfalls. Im Verkehr setzt die Dena bei Pkws praktisch ausschließlich auf Elektroantrieb bei gleichzeitiger Verringerung des Individualverkehrs; synthetische Kraftstoffe sollen vor allem im Schiffs- und Flugverkehr zum Einsatz kommen.
Daneben muss die Industrie beim Umstieg auf klimaneutrale Produktionsprozesse, etwa mit Hilfe von Wasserstoff unterstützt werden. Beim Kohleausstieg erwartet die Studie eine deutliche Beschleunigung. Ab 2030 dürften Kohlekraftwerke allenfalls als Reserve mit sehr geringen Laufzeiten zum Einsatz kommen.
Allerdings setzt die Dena, die bei der Erstellung der Leitstudie von rund 80 Unternehmen finanziell unterstützt wurde, die Annahmen und Schwerpunkte in einigen Punkten deutlich anders als vergleichbare Studien anderer Akteure, etwa der Stiftung Klimaneutralität und des Thinktanks Agora Energiewende. So geht die Dena-Studie von einem sehr viel umfangreicheren Import synthetischer Gase und Flüssigkraftstoffe aus: Der im Jahr 2045 benötigte Wasserstoff wird im Leitszenario der Dena-Studie nur zu 17 Prozent in Deutschland hergestellt. Die Stiftung Klimaneutralität geht dagegen von mehr als einem Drittel heimischer Produktion aus – und plant hierzulande dementsprechend einen deutlich stärkeren Ausbau von Wind und Sonne.
Auffällig ist auch, dass die Dena-Studie im Gebäudesektor weiterhin eine Zukunft für Gasheizungen sieht: Im Jahr 2045 sollen noch 7,7 Millionen Häuser mit Gas beheizt werden, das dann synthetisch aus Ökostrom hergestellt wird. Das deckt sich mit Forderungen aus der Gaswirtschaft. Andere Studien gehen dagegen davon aus, dass sich als Gebäudeheizung die elektrische Wärmepumpe weitgehend durchsetzen wird und Gas- und Ölheizungen keine Zukunft haben.
Bei der Vorstellung eines Zwischenberichts im März hatte die Organisation Lobbycontrol kritisiert, dass die Gaswirtschaft die Studie mitfinanziert. Eine mögliche Einflussnahme auf die Ergebnisse wies Kuhlmann am Donnerstag erneut zurück. Die Gutachter der zehn beteiligten Forschungsinstitute hätten völlig unabhängig von den Geldgebern gearbeitet und hielten das geschilderte Szenario für das realistischste, sagte der Dena-Chef.
Umweltverbände gehen auf Distanz
Aus der Wirtschaft, die die Studie mitfinanziert hat, gibt es dazu gemischte Reaktionen. Während der Gas-Dachverband GDVW die Studie lobte, weil sie Wasserstoff und klimaneutralen Gasen eine wichtige Rolle zuweise, wollte der Wärmepumpenhersteller Stiebel Eltron, der ebenfalls an der Finanzierung beteiligt war, die Ergebnisse am Ende genau aufgrund dieser Annahmen nicht mittragen. Für den angenommenen geringen Zuwachs bei strombetriebenen Wärmepumpen gebe es keine Begründung, sagte Geschäftsführer Kai Schiefelbein der taz.
Und auch bei den Umweltverbänden DNR, WWF, Germanwatch und FÖS, die durch die Mitarbeit in einem Beirat in die Erstellung der Dena-Leitstudie eingebunden waren, stoßen die Annahmen auf Kritik. Die Szenarien setzten „außerordentlich stark auf importierten Wasserstoff und Powerfuels zur Erreichung der Klimaziele“, schreiben sie in einer Stellungnahme – und zwar obwohl die Studie zeige, dass dieser Weg sowohl teurer als auch primärenergieaufwändiger wäre als die stärkere direkte Nutzung von Strom.
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