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Neue Studie zum KlimaschutzGrüne gegen Greenpeace

Die Umweltorganisation legt ein Konzept für 100 Prozent erneuerbare Energien bis 2050 vor. Das findet die Grünen-Chefin Peter „mutlos“.

Hier kommt viel erneuerbare Energie zusammen. Das ist aber längst nicht überall so Foto: reuters

Freiburg taz | Atomausstieg bis 2018, das Ende der Braunkohle bis 2030, das Ende der Steinkohle bis 2040 – all das sei in Deutschland technisch machbar, rechnet Greenpeace in einer neuen Studie vor. Und bis 2050 sei dann die komplette Umstellung auf erneuerbare Energien möglich, inklusive Wärme und Mobilität. „Wir als bedeutende Wirtschaftsnation, als Land mit nur mäßigem Sonnenschein und einem sehr hohen Lebensstandard können es vormachen“, sagt Niklas Schinerl, Experte für Energie bei Greenpeace.

In dem Energiekonzept, das den Titel „Klimaschutz: Der Plan“ trägt, geht die Umweltorganisation von installierten Photovoltaik-Kapazitäten in Höhe von 50 Gigawatt im Jahr 2020 und 110 Gigawatt im Jahr 2050 aus. Heute sind rund 40 Gigawatt am Netz. Die Windkraft müsste von heute gut 40 Gigawatt bis 2050 auf fast 150 Gigawatt – darunter gut ein Drittel offshore – ausgebaut werden.

Überschüssige Energie soll an wind- und sonnenreichen Tagen in großen Mengen in Methangas umgewandelt und über Wochen gespeichert werden. Allerdings sei dieses Szenario nur umsetzbar, wenn der Energieverbrauch deutlich sinkt – sparsamere Geräte, besser gedämmte Häuser und ein bewusster Umgang mit Ressourcen seien nötig.

Hier jedoch hakt es bislang gewaltig: Trotz der zunehmend verbesserten Energieeffizienz technischer Geräte ist der Stromverbrauch pro Kopf in den Haushalten seit 1990 um 13 Prozent gestiegen.

Grüne wollen Greenpeace überholen

Greenpeace verweist auch darauf, dass sich im Zuge der Energiewende Konsumgewohnheiten ändern müssten, insbesondere im Verkehrssektor. Vor allem gehe es darum, den Autoverkehr zu minimieren: „Das Auto kann in Zukunft nicht mehr unser wichtigstes Fortbewegungsmittel sein“, sagt Schinerl. Um das zu erreichen, propagiert die Studie auch die Einführung von Maut und Fahrverboten für Innenstädte.

In der Politik stieß Greenpeace mit seinem 160-Seiten-Papier umgehend auf Resonanz: Simone Peter, Bundesvorsitzende der Grünen, kritisierte das Szenario als „mutlos“: „Wir können und müssen 100 Prozent erneuerbare Energien viel früher erreichen.“

Wir können und müssen 100 Prozent Erneuerbare viel früher erreichen.

Simone Peter, Grünen-Vorsitzende

Dass die grüne Partei offenbar nun Greenpeace überholen will, ist bemerkenswert – vor allem angesichts der Kritik, die sich die Partei zuletzt aus dem Kreis der eigenen Mitglieder anhören musste. Hans-Josef Fell, Mitautor des Erneuerbare-Energien-Gesetzes aus dem Jahr 2000 und seit der Bundestagswahl 2013 nicht mehr im Bundestag vertreten, warf dieser Tage Teilen seiner Partei vor, den Ausbau der erneuerbaren Energien massiv zu behindern.

Insbesondere die EEG-Umlage auf die Eigenstromerzeugung, von Kritikern „Sonnensteuer“ genannt, hält er für extrem schädlich für die Energiewende; diese Abgabe jedoch sei von Staatssekretär Rainer Baake mit zu verantworten – einem grünen Parteimitglied.

Zudem wollen mehrere prominente Grüne beim nächsten Parteitag das Ziel streichen, bis 2030 den Strom in Deutschland zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien zu erzeugen.

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4 Kommentare

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  • schon witzig, dass die partei der besserverdiener jetzt mal wieder den gedanken hat, turboökologisch zu sein, um dabei eine der ausdauerndsten weltretterorganisationen zu torpedieren. da zeigt sich, dass echte ökos halt doch auch öfters an die menschen denken, die von ihren plänen und vorschlägen betroffen sind. so schnell kann sich die welt nicht vom einfluss der kohle- und atomlobby lösen, um das alles zu erreichen, geschweige denn, auch mal ein bisschen verzicht zu lernen.

    verrückte welt.

  • Danke Khaled Chaabouté, sie sprechen mir aus der Seele.

  • Und abschließend die Grünen, die sich aus fadenscheinigen Gründen ganz besonders dabei hervortaten, das zur Zeit ökologisch wenigstens einigermaßen tragbare Erdgas aus Russland zu boykottieren und statt dessen lieber Fracking zu tolerieren oder Pipelinetrassen durch politisch unsichere Regionen mit bedenklichen Ökostandards und Lieferverträge mit Despoten, die Putin mindestens ebenbürtig sind, zu favorisieren?

     

    Greenpaece hat sich zwar auch schon oft genug zu Affen des neoliberalen Systems gemacht, bzw. den Eindruck erweckt, ausschließlich auf möglichst spektakuläre Protestaktionen zu setzen, aber dieser Spatz in der Hand ist zur Zeit mehr wert als die Taube auf dem Dach, die sich, wie im Falle der Grünen gerade selber ins bedeutungslose Nichts auflöst.

  • Die Grünen, die noch nicht einmal den Mumm haben, z.B. in NRW bei der Braunkohle den populistischen Argumenten der Betonkopf-SPD etwas entgegenzusetzen, von den jetzigen und angestrebten schwarz-grünen Bündnissen und den daraus resultierenden geplatzten Versprechungen ganz zu schweigen.

     

    Die Grünen, die seit 1998 fast sämtliche ihrer vorhandenen Einflussmöglichkeiten etwas für Umwelt und Klima zu tun, verschenkten?

     

    Die Grünen, die weiterhin dafür einstehen, die Energiewende in den Händen der großen Konzerne zu belassen und diesen obendrein weiterhin staatlich gestützte Gewinne zu garantieren?

     

    Die Grünen, die ursächlich für fatale Subventions-Irrwege bei den erneuerbaren Energien verantwortlich sind?

     

    Die Grünen, deren exponierte Vertreter sich für Investments in fragwürdige Offshore-Anlagen stark machen, dabei meine ich nicht nur Windparks im Wattenmeer, sondern auch Solarparks in der Sahara oder holzbetriebene Kraftwerke, für die wertvolle Wälder in Süd- und Südosteuropa gerodet werden?

     

    Und nicht zuletzt, die Grünen, die immer noch auf Bio-Energien wie bei uns Ölraps von glyphosatverseuchten Äckern oder Biogasanlagen-Subventionsmais und in Indonesien Palmöl nach illegaler Urwaldrodung setzen?