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Neue Studie zeigt49-Euro-Ticket senkt CO2-Ausstoß

Menschen mit Deutschlandticket fahren seltener Auto. Seit Mai 2023 ging der CO2-Ausstoß im Autoverkehr um mehrere Millionen Tonnen zurück.

Nahmen deutlich zu: Zugfahrten nach der Einführung des Deutschlandtickets Foto: Christopher Tamcke/imago

Berlin afp/taz | Das Deutschlandticket hat einer Studie zufolge zu weniger klimaschädlichen Emissionen im Verkehrssektor geführt: Der CO2-Ausstoß im Autoverkehr ging im ersten Jahr der im Mai 2023 eingeführten ÖPNV-Fahrkarte um etwa 6,7 Millionen Tonnen zurück, wie der Wissenschaftsverbund Ariadne am Montag mitteilte. Das entspreche einer Reduktion der gesamten Emissionen im Verkehrssektor von 4,7 Prozent. Die Preiserhöhung von 49 Euro auf 58 Euro im kommenden Jahr könnte den Effekt jedoch deutlich schmälern.

Zugfahrten nahmen nach der Einführung des Deutschlandtickets laut der Studie deutlich zu: Die Zahl der Fahrten über 30 Kilometer stieg um 30,4 Prozent, während die Zahl der mit dem Auto gefahrenen Kilometer um 7,6 Prozent sank. Die For­sche­r:in­nen sehen darin eine Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene: Der Anteil der Zugfahrten an allen mehr als 30 Kilometer langen Strecken nahm von rund zehn Prozent auf zwölf Prozent zu.

Für die Studie werteten die Ariadne-Wissenschaftler:innen Mobilfunk- und Bewegungsdaten der Bevölkerung in Deutschland aus. Diese verglichen sie mit Daten aus anderen europäischen Ländern und Regionen, in denen kein landesweites ÖPNV-Ticket eingeführt wurde. Es handele sich daher nicht um einen „einfachen Vorher-Nachher-Vergleich“, sondern um eine „erste kausale Untersuchung“ mit einer Kontrollgruppe, „ähnlich zu klinischen Studien“, erklärte Ariadne.

Mitte September teilten die Ver­kehrs­mi­nis­te­r:in­nen des Bundes und der Bundesländer mit, dass das Deutschlandticket ab 2025 neun Euro mehr als bisher, also 58 Euro im Monat kosten soll. Von Umweltverbänden wurde die Preiserhöhung scharf kritisiert. Sie rechnen mit Kündigungen und damit, dass dann weniger Menschen den ÖPNV nutzen.

Nicht mehr Mobilität insgesamt

Auch die Ariadne-Forscher:innen erwarten, dass die Zahl der Zugfahrten durch die Erhöhung um 14 Prozent zurückgehen wird und die gefahrenen Autokilometer um 3,5 Prozent zunehmen. Der Rückgang der CO2-Emissionen im Autoverkehr läge dann nur noch bei 3,6 Millionen Tonnen CO2, statt wie bisher bei 6,7 Millionen Tonnen.

Bei der Gesamtmobilität zeigte sich den Wis­sen­schaft­le­r:in­nen zufolge kein statistisch signifikanter Effekt: Menschen seien durch das Deutschlandticket also nicht grundsätzlich mehr unterwegs gewesen – sie hätten aber eben andere Transportmittel für die zurückgelegten Wege gewählt.

Im gesamten Verkehrssektor in Deutschland wurden im Jahr 2023 rund 146 Millionen Tonnen klima- und gesundheitsschädliche Treibhausgase ausgestoßen. Das ist gut ein Fünftel aller Emissionen, die es in dem Jahr bundesweit gab. Die meisten Abgase entstehen im Straßenverkehr, vor allem durch Autos, Lastwagen, Busse und Motorräder mit Verbrennungsmotor. In den vergangenen Jahren hat der Sektor so die Emissionsmengen, die für das Erreichen der nationalen und europäischen Klimaziele nötig wären, weit überschritten.

Das Deutschlandticket wird bisher jeden Monat von durchschnittlich 11 Millionen Menschen genutzt. Die Klimawirkung der bundesweit gültigen Fahrkarte wurde immer wieder angezweifelt. Dabei deuteten auch andere Studien an, dass es zu einer Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene beiträgt.

Kun­d:in­nen des Deutschlandtickets nutzen das Auto im Durchschnitt 16 Prozent weniger, ergab zum Beispiel eine im Mai veröffentlichte Umfrage des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). 12 Prozent der Fahrten, die mit dem Deutschlandticket gemacht wurden, wären demnach ohne das Ticket mit anderen Verkehrmitteln zurückgelegt worden.

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8 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • 1) Hoffen wir doch alle mal, dass die Politik die richtigen Konsequenzen daraus zieht 🤣



    2) Warten auf den Weltfrieden



    3) Soziale Ungleichheit vergeht per Dekret

  • Konsequent weiter falsch verkehrsgewendet wird dann auch beim D-Ticket Preis um knapp 20% erhöht, trotz desaströser Punktlich- und Zuverlässigkeit. Bei 11 Millionen Tickets sind das 1,2 Milliarden Euro pro Jahr. Diesel wird übrigens pro Jahr mit etwa 8 Milliarden Euro subventioniert durch einen geringerer Steuersatz, beim Bahnstrom hat D den höchsten Steuersatz in Europa.

    Der Bundes- und die Landesverkehrsminister konnten sich trotz monatelangem Gezerre nicht auf nur einen Euro mehr Zuschuss für das D-Ticket einigen. In den Niederlanden hat übrigens die Regierung in diesem Jahr die Preiserhöhung der Bahntickets (8%) bei der niederländischen Bahn komplett bezahlt, im nächsten Jahr übernimmt sie die Hälfte (6 von 12%).

  • "Seit Mai 2023 ging der CO2-Ausstoß im Autoverkehr um mehrere Tonnen zurück."

    Gleich um mehrere Tonnen. Sapperlot! Dann ist dass ja überhaupt kein Problem mehr, das der Verbrennungsverkehrssektor seit Jahren - oder sind es schon Jahrzehnte - die schon unfassbar gigantischen Mengen (2 Tonnen pro erwachsenem Einwohner pro Jahr) "die für das Erreichen der nationalen und europäischen Klimaziele nötig wären, weit überschritten" hat.

    Und ob dann im nächsten Jahr "3,6 Millionen Tonnen CO2, statt wie bisher ... 6,7 Millionen Tonnen" eingespart werden, beides ist um Größenordnungen zu wenig.

    Da der DB-Bahnstrom nur zu 68 Prozent aus erneuerbarer Energien besteht, könnten diese 3,6 Millionen Tonnen CO2 schon nahezu eingespart werden, würde der Bahnstrom wie in den Niederlanden zu 100% regenerativ sein.

    2 Tonnen pro erwachsenem Einwohner pro Jahr ist übrigens die Menge, die jeder Mensch auf der Welt pro Jahr verbrauchen kann, ohne das Klima zu verändern und damit die eigene Lebensgrundlage zu vernichten. Die Deutschen verbrauchen ihre 2 Tonnen eben fürs Auto fahren. Wer braucht schon Lebensmittel, beheizte Wohnungen, Konsumgüter und ähnliches Gedöns wie z.B. ÖPNV.

  • @HERMA HUHN

    Bei den wahren Auftraggebern des aktuellen Verkehrsministers sind die "richtigen Konsequenzen" vielleicht nicht die, die Sie oder ich uns wünschen könnten...

  • Das ist alles ganz wunderbar, doch die deutlich volleren Züge (von den ausgefallenen rede ich noch gar nicht) haben das Potential, mich aufs Auto umsteigen zu lassen. Zumal meiner Einschätzung nach sehr wohl mehr Fahrten vorgenommen werden, allerdings nur freizeitmäßig.

    • @Anboto:

      Mir sind die Züge nicht nur zu voll, sondern auch zu dreckig und zu unpünktlich.

  • Und man stelle sich vor das Ticket würde noch 9€ kosten. Was hätte die Studie dann festgestellt?

  • Da hat sich also das Bauchgefühl der Ticket-Befürworter und nicht das Bauchgefühl der Ticketgegner bestätigt.



    Hoffen wir doch alle mal, dass die Politik die richtigen Konsequenzen daraus zieht und das Ticket nicht doch noch kaputtreguliert.