piwik no script img

Neue Regionalregierung in KatalonienVerhandlungsbereit mit Madrid

Kataloniens Ministerpräsident Quim Torra hat sein Kabinett vorgestellt. Die Separatisten setzen nun auf den neuen Chef der spanischen Zentralregierung.

Leidenschaftlich für die Unabhängigkeit: Puigdemont-Nachfolger Quim Torra Foto: dpa

Madrid taz | Katalonien hat eine neue Regierung. Ministerpräsident Quim Torra stellte am Samstag sein 13-köpfiges Kabinett vor, sechs Frauen und sieben Männer. Der konservative spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte die Namen der katalanischen Ministerriege wenige Stunden vor seiner Abwahl bei einem Misstrauensvotum am Freitag im Amtsblatt veröffentlichen lassen.

Damit endet nach sieben Monaten die Zwangsverwaltung Kataloniens mithilfe des Verfassungsartikels 155. Am Festakt in Barcelona nahmen auch Angehörige der von Madrid abgesetzten Minister teil, die in Untersuchungshaft sitzen oder ins Ausland gegangen sind. Unter ihnen Marcela Topor, Ehefrau des in Berlin auf seine Auslieferung wartenden ehemaligen katalanischen Regierungschefs Carles Puigdemont.

Die in Untersuchungshaft sitzenden oder sich im Ausland aufhaltenden Minister werden der „Rebellion“ und der „Veruntreuung öffentlicher Gelder“ beschuldigt. Die katalanische Regierung unter Puigdemont hatte am 1. Oktober 2017 trotz Verbots aus Madrid ein Unabhängigkeitsreferendum abgehalten und vor dem katalanischen Parlament schließlich die Unabhängigkeit ausgerufen. Madrid stellte die Region daraufhin unter Zwangsverwaltung.

Schon Mitte Mai hatte Torra eine erste Kabinettsliste veröffentlicht. Er bot allen abgesetzten Ministern an, erneut an der Regierung teilzunehmen. Zwei Ex-Minister in Untersuchungshaft und zwei in Belgien lebende sagten zu. Madrid lehnte es jedoch ab, jene Liste im Amtsblatt zu veröffentlichen, und erhielt die Zwangsverwaltung aufrecht, bis Torra nun nachgab und neue Personen aufstellte.

Einfach wird der Dialog zwischen Madrid und Barcelona sicherlich nicht.

„Sprechen wir. Gehen wir das Risiko ein, sowohl Sie als auch wir, und verhandeln wir von Regierung zu Regierung“, forderte Torra bei seiner Ansprache den nur zwei Stunden zuvor in Madrid vereidigten neuen spanischen Regierungschef Pedro Sánchez auf. Der Sozialist hatte bereits am Freitag bei seiner Antrittsrede in Madrid angekündigt „ein Terrain für den Dialog suchen“ zu wollen –„innerhalb des Rahmens der Verfassung“, wie er betonte.

Einfach wird dieser Dialog zwischen Madrid und Barcelona sicherlich nicht. „Diese Regierung steht zu der Verpflichtung, in Übereinstimmung mit dem Referendum vom 1. Oktober voranzuschreiten“, erklärte Torra in seiner Ansprache und bekräftigte erneut den Willen, eine unabhängige katalanische Republik zu schaffen. Für ein besseres Verhandlungsklima könnte er das Dekret Rajoys außer Kraft setzen, das es katalanischen Unternehmen erleichtert, ihren Hauptsitz aus der Region wegzuverlegen.

Außerdem wird Sánchez einen neuen Generalstaatsanwalt ernennen müssen. Dieser könnte beantragen, dass die katalanischen Gefangenen bis zu ihren Verfahren auf freien Fuß gesetzt werden oder zumindest von einer Haftanstalt bei Madrid nach Katalonien verlegt ­werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Der "Dialog" wird auf jeden Fall etwas umständlich, da Sánchez mit der Sprechpuppe (Torra) von Puigdemont reden muss, der wiederum Sprechpuppe von A. Mas und seiner Oligarchenclique ist.

    • 9G
      99710 (Profil gelöscht)
      @Diego:

      Angefressen, das Ihr Klein-Caudillo zum Teufel gejagt wurde?

      • @99710 (Profil gelöscht):

        Nein, im Gegenteil. Puigdemont hatte schon vor 2 Jahren damit geprahlt, dass sie jedezeit Rajoy absägen können.

        An der Megakorruption in Katalonien haben sich jahrelang auch PP-Mitglieder beteiligt, man hat genug gemeinsame Leichen im Keller. Ich nehme an, dass ist der Grund, warum A. Mas bisher von der PP-Regierung mit Samthandschuhen angefast wurde.

         

        Mit Sànchez kommt jetzt ein unbelasteter Mann, der freier handeln kann. Flexibler und intelligenter als sein Vorgänger ist er sowieso :) Falls Sánchez den Führungszirkel der Separatisten, eine seltsame Melange aus kruden Nazis und selbstgerechten Raffkes, nicht unter Kontrolle bekommt, kann es nach Neuwahlen dann Rivera von den Ciudadanos anpacken (der schickt dann aber gleich die Armee).

        • @Diego:

          Sánchez unbelastet? Er hat sich durch sein Geeier doch selbst entwertet. Zudem kann man wohl kaum von Samthandschuhen sprechen, da der PP (zumindest verbal) schon wieder den Panzerhandschuh schwingt: Lt. Vanguardia wurde angekündigt, die mit dem PNV abgesprochenen Investitionen zu blockieren. Im übrigen: Wenn Sie die Separatisten als "Melange aus kruden Nazis" bezeichnen, was ist dann der PP, die Nazis von der dunklen Seite des Mondes?

          • 8G
            82236 (Profil gelöscht)
            @S.R.:

            Sanchez trägt nicht allein die Schuld daran, dass es nach den Wahlen vom Dezember 2015 nicht zu einem Linksbündnis kam. Pablo Iglesias, der davon träumte, die erste Geige zu spielen und die PSOE hinter sich zu lassen(Repaso), hatte es von Anfang an auf Neuwahlen angelegt, aber das Ergebnis im Juni 2016 entsprach nicht seinen Vorstellungen: Der "Repaso" war kläglich gescheitert. Ein Linksbündnis kann deshalb auch nur mit Errejon zustande kommen. Der überaus narzisstische und machtgeile Pablo Iglesias muss von der Spitze weg, leider hat sich die Basis wieder für ihn ausgesprochen, aber werden das auch die Wähler tun?

            Natürlich wollte auch Sanchez die Macht. Er hat sich Rivera zugewandt, der Sanchez dann mit seiner Taktik der verantwortungsvollen Opposition ein Bein gestellt hat. Sanchez der mit der Rajoyclique keinen Kompromiss eingehen wollte, hat sich geschickt von der alten Garde (Gonzalez) absägen lassen, um dann mithilfe der Basis sein Comeback zu feiern und über die alte Garde basisdemokratisch zu triumphieren. Die PSOE will er von Grund auf erneuern und dabei muss er den störenden Übervater Gonzalez engültig töten.

             

            Spanien ist bereit für eine Mitte-Links-Mehrheit. Natürlich muss deutlich gemacht werden, dass Rivera nur ein Heissluftballon ist, der wie sein Vorbild Macron mit einem Diskurs der Entideologisierung die moderne Mittelschicht betören will. Sanchez muss deshalb klar machen, dass Modernität mit Sozialpolitik und öffentlichen Investitionen in Forschung und Bildung nicht nur vereinbar, sondern auch notwendig ist.

            Der Drachen ist aber noch nicht tot. Freunde Rajoys aus der Wirtschaft werden natürlich alles unternehmen, Sanchez' Poltitik wirschaftlich kaputtzuschiessen. Grund genug sich auf die modernen Unternehmer zu stützen, die auch von Rivera umworben werden.

          • @S.R.:

            "Unbelastet" im Sinne weitgehend frei von Verwicklungen in irgendwelche Korruptionszirkel, er ist nicht erpressbar und hat daher mehr Handlungsoptionen als sein Vorgänger.

             

            Wenn die PNV die Regierung schlitzohrig über den Tisch zieht, muss sie sich jetzt über die Drohungen nicht wundern. Wird sich schon wieder beruhigen, die PP schäumt jetzt halt vor Wut ;)

             

            Als krude Nazis und Raffkes bezeichne ich den FÜHRUNGSZIRKEL der Separatisten, nicht die Bewegung als Ganzes. Viele Anhänger der Indepes erhoffen sich einfach nur eine etwas bessere ökonomische Zukunft für sich selbst, oder marschieren halt mit, weil sie in ihrem persönlichen Umfeld nicht gegen den Strom schwimmen wollen. Der Mitläufereffekt ist in Spanien noch ausgeprägter als in D.