Neue Regierungskoalition in Dänemark: Mehrheitsregierung nach 30 Jahren
Dänemarks Sozialdemokraten rücken weiter nach rechts. Dabei hätte Ministerpräsidentin Frederiksen ihre Minderheitsregierung fortführen können.
An den Vortagen hatten alle anderen Parteien, die noch an den Regierungsverhandlungen beteiligt gewesen waren, diese verlassen. Die zwei rechtsliberalen Parteien Venstre und Moderaterne waren übrig geblieben. Sie wollen nun mit Frederiksens Sozialdemokraten eine Koalitionsregierung bilden. Mit 93 der 179 Parlamentsmandate, inklusive der vier Mandate Grönlands und der Färöer, fällt diese Mehrheit zwar knapp aus. Seit Beginn der 1970er Jahre waren in Kopenhagen aber Minderheitsregierungen die Regel gewesen.
Historisch ist auch, dass die „roten“ Sozialdemokraten und die „blaue“ Venstre, die „Erzfeinde in der dänischen Politik“, so die Tageszeitung Politiken, nun eine gemeinsame Regierung bilden. Das hatte es nach Ende des Zweiten Weltkriegs erst einmal 1978 gegeben. Und da platzte die Koalition schon nach 14 Monaten wieder.
Man sei sich nicht in allem einig, erklärte Frederiksen am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. Im künftigen Regierungsprogramm seien „einige Sachen klassisch rote, andere klassisch blaue Politik (…) Aber wir glauben, dass es Grundlagen für eine Zusammenarbeit gibt.“ Dabei machten die Sozialdemokraten ihren rechtsliberalen Koalitionspartnern erhebliche Zugeständnisse, die vor allem die oberen Einkommen steuerlich entlasten.
Damit vollziehen die Sozialdemokraten, deren Migrationspolitik bereits zu den restriktivsten in Europa gehört, in einem weiteren Bereich einen Rechtsruck. Und weil das Programm der neuen Regierung neben den sozialpolitischen auch die klimapolitischen Ambitionen vermissen lässt, die ihre bisherige auf die Unterstützung von vier roten und grünen Parteien angewiesene Minderheitsregierung kennzeichneten, spricht die linke Einheitsliste schon jetzt von einer „vollständig kohlschwarzen Regierung“.
Nerz-Skandal aus Eis gelegt
Die konservative Zeitung Berlingske Tidende stellte in Frage, ob Mette Frederiksen eigentlich noch eine „richtige Sozialdemokratin“ sei. Ekstrabladet titelte schon vergangene Woche „blaue Mette“, am Mittwoch bekam sie das Etikett „Wendehals“. „Erhebliche Bauchschmerzen“ bei der sozialdemokratischen Basis erwartet der Kommentator des dänischen Rundfunks. Dabei ist Frederiksen nicht die einzige Vorsitzende der drei neuen Koalitionsparteien, die wegen der Prinzipien, die man nun der Zusammenarbeit opfert, in den eigenen Reihen auf Kritik stößt.
Ein zentrales Wahlversprechen des Venstre-Vorsitzenden Jakob Ellemann-Jensen und seines Moderaten-Kollegen Lars Løkke Rasmussen war gewesen, den „Nerz-Skandal“ rechtlich prüfen zu lassen und Frederiksen dafür zur Verantwortung zu ziehen. Angesichts des von ihrer Regierung angeordneten Abschlachtens von 15 Millionen Nerzen 2020 warf ihr ein im Sommer veröffentlichter Untersuchungsbericht die Verbreitung „objektiv gesehen grob irreführender Informationen“ vor.
Seither schwebt über ihr das Damoklesschwert eines Reichsgerichtsverfahrens wegen Amtsvergehens. Doch um den in die Wege zu leiten bedürfte es einer Parlamentsmehrheit. Die gibt es nun nicht mehr. Ellemann-Jensen und Løkke Rasmussen machten eine Kehrtwende: Man könne eine Zusammenarbeit nicht mit juristischen Untersuchungen gegen die Regierungschefin vereinbaren.
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