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Neue Regierung IndiensKeine Zustimmung für Freihandel

Die Regierung in Delhi weigert sich, einen Handelsvertrag ihrer Vorgängerin umzusetzen. Damit gefährdet sie ein internationales Abkommen.

Steht unter seinen AmtskollegInnen aus den WTO-Mitgliedsstaaten isoliert da: Narendra Modi, Indiens neuer Ministerpräsident. Bild: Reuters

BANGKOK taz | 1.000 Milliarden Dollar sind ein gewaltiges Versprechen. Auf diese Summe schätzt der US-Thinktank Peterson Institute den weltweiten Wohlfahrtsgewinn, sollte das im vergangenen Dezember in Bali im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO abgeschlossene globale Handelsabkommen in Kraft treten.

Doch das ist nun in Gefahr. Das Abkommen über Handelserleichterungen muss spätestens an diesem Donnerstag formell von den WTO-Staaten abgesegnet werden. Aber Indien verweigert die Zustimmung. Delhi fordert eine permanente Regelung für die Subventionen, die Indien für seine Landwirtschaft zahlt – obwohl man sich in Bali darauf geeinigt hatte, die Fragen erst bis 2017 zu klären. Bis dann gilt eine „temporäre Friedensklausel“, die garantiert, dass kein Land Indien vor der WTO verklagt.

Grund des Problems ist Indiens Nahrungsmittelprogramm für Arme. 400 Millionen Inder erhalten dadurch verbilligtes Essen. Das ist aus Sicht der WTO kein Problem. Allerdings werden die dafür erforderlichen Nahrungsmittel zu überhöhten Preisen eingekauft. Das gilt als Agrarsubvention und ist gemäß WTO-Regeln nur eingeschränkt möglich: Entwicklungsländer dürfen maximal 10 Prozent des Wertes ihrer Agrarproduktion subventionieren. Diese Schwelle droht das indische Programm zu übersteigen.

Den Bali-Kompromiss mit der Friedensklausel hat der heutige indische Ministerpräsident Narendra Modi vor seiner Wahl im Mai 2014 kritisiert. Jetzt verweigert er seine Zustimmung: „Meine Delegation ist der Ansicht, dass die Verabschiedung des Protokolls verschoben wird, bis eine permanente Lösung (für Nahrungsmittelkäufe) gefunden ist“, sagt der indische Botschafter bei der Welthandelsorganisation, Anjali Prasad.

Kaum Unterstützung für Indien

Doch damit ist Indien fast allein unter den 160 WTO-Mitgliedern: Nur Venezuela, Kuba und Bolivien unterstützen Indien. Ein Vertreter eines Industriestaats sagte: „Da ist Indien gegen die WTO, gegen Entwicklungs- und Industrieländer, gegen große, kleine, gegen Süd, Nord, Ost und West.“

Deshalb laufen in Genf nun hektische Verhandlungen, um Indien umzustimmen. Falls bis Donnerstag keine Lösung gefunden wird, drohen dramatische Konsequenzen für das multilaterale Handelssystem. Das mit TFA abgekürzte Abkommen sollte die WTO wiederbeleben, die jahrelang mit ihren Verhandlungen nicht vorankam.

Die EU macht sich deshalb Sorgen um die WTO: „Ohne die Verabschiedung des TFA-Abkommens bis zum 31. Juli wird die Glaubwürdigkeit der WTO beschädigt, die sich als Brandmauer gegen Protektionismus bewährt hat.“

Unklar ist zudem, was sich die indische Regierung von ihrem Vorgehen verspricht. Zum einen ist die Friedensklausel ohne das Abkommen hinfällig. Damit besteht die Gefahr, dass Indien wegen seiner Subventionen von der WTO bestraft wird. Zudem ist Indien als relativ kleine Handelsnation sehr viel mehr auf das multilaterale Handelssystem der WTO angewiesen als die USA, die EU oder China.

Regierungspartei als einzige Gewinnerin

Die USA und die EU verhandeln derzeit ihr eigenes Freihandelsabkommen. „Wir sind in einer Zwickmühle. Indien ist nicht Teil anderer Freihandelsabkommen. Wenn Bali scheitert, bekommen diese Abkommen Aufwind“, sagt Pradeep Mehta, der Chef des indischen Konsumentenvereins Cuts.

Einziger Nutznießer eines Scheiterns des TFA-Abkommens wäre dann Indiens Regierungspartei BJP. Ein BJP-Vertreter sieht Vorteile, wenn die Verhandlungen scheitern: „Eine kompromisslose Haltung in Genf sendet die Botschaft an Bauern und Arme, dass Modi die Weltmächte herausfordern kann, um die Interessen des ländlichen Indiens zu sichern.“

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8 Kommentare

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  • Achja: Ihr zitiert hier völlig unkommentiert Zahlen vom Peterson Institute? Srsly?

     

    Dass das ein extrem wirtschaftsfreundlicher Think Tank ist, weiß nicht nur "The Nation", sie fassens aber ganz gut zusammen: "For three decades, the Institute for International Economics in Washington has been enormously influential as an intellectual home base for globalization. The think tank is nonpartisan, but closely aligned with business and finance multinationals that provide generous funding. A few years ago, its name was changed to the Peterson Institute, honoring its founding chairman and leading benefactor, billionaire Pete Peterson, who is better known for his long-running crusade against Social Security and Medicare."

     

    Ich sage nicht, dass die Zahlen auf jeden Fall falsch sind, ich finde es nur merkwürdig, sie so unkommentiert als Fakt an den Anfang dieses Artikels zu stellen.

  • Liebe taz-Redaktion, ich habe mich bisher nicht mit dem Freihandelsabkommen befasst, dass Indien jetzt "gefährdet". Darum würde ich mir ein bisschen mehr Informationen darüber wünschen, WAS Indien da eigentlich im Namen ihrer Nahrungsmittelsouveränität ablehnt. Im Moment finde ich bei euch nur die gleichen pro-Freihandel-Artikel zu diesem Thema wie in fast allen anderen großen Zeitungen auch. Schade. Ich wüsste gern genauer, aus welchen Indien die Vorteile des Abkommens nicht sieht, die doch angeblich so offensichtlich sind.

     

    Herzlich, Yoghurt

    • @Yoghurt:

      "aus welchen Gründen Indien die Vorteile..." soll das im letzten Satz natürlich heißen ;)

  • In Indien, Bolivien, Venezuela und Kuba leben immerhin 1,26 Milliarden Menschen, in der EU lediglich 507 Millionen Menschen. 60% der Inder sind in der Landwirtschaft tätig. Setzen sich dort neoliberale Grundsätze durch, dann hätte Indien mit einem Schlag mehr Arbeitslose als die EU Einwohner.

  • Der sollte seinen Kollegen mal die Akte Argentinien geben. Dann wird denen klar um was es geht. IWF und dazu noch Gerichte in den USA da schlägt sie zu die US Mausefalle im Freihandel

  • Wie wär's mit ein bisschen korrekteren Informationen, bevor man hier zur Verteidigung des "Frei"handels bläst?

     

    "But this particular U.S. complaint is even more cynical. India’s support prices are only slightly higher than current market prices, but they appear much higher because of the AoA stipulation that administered prices be compared not to current prices but to the average international prices in 1986-88. Those are roughly one-sixth of current market prices, so any price the government pays today would look like a huge subsidy."

     

    http://www.nakedcapitalism.com/2014/07/will-wto-fast-track-trade-expense-food-security.html

     

    Und ganz nebenbei: das Petersen Institute ist ungefähr so unbefangen wie die Bertelsmann-Stiftung.

  • Komisch, ich dachte immer Freihandel ist, wen die Inder auch noch Billighühner aus Mecklenburger Massentierhaltung bekommen. Was kann man den dagegen haben ? Afrikaner kaufen das Zeug doch auch.

    Die protektionistische kleine Hühnerhaltung im Armendorf lohnt sich doch gar nicht !

  • Wow! Soviel Mumm, Weitblick und Power hätte ich Modi jetzt erst mal spontan nicht zugetraut! Respekt!!