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Neue Prognose zu Wohnraumbedarf320.000 neue Wohnungen pro Jahr gebraucht

Der Bedarf an Wohnungen ist laut einer aktuellen Prognose des Bundesinstituts BBSR immens. Aber regional gebe es sehr große Unterschiede.

Eine Prognose sieht einen deutlichen Bedarf an neu gebauten Wohnungen in Deutschland, aber nicht überall Foto: Sina Schuldt/dpa

Berlin taz | Es war diese eine Zahl, die Noch-Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) in ihrer Amtszeit immer wieder um die Ohren flog: 400.000 neue Wohnungen pro Jahr brauche es in Deutschland, hatte sich die Ampelregierung in ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Erreicht wurde das nicht mal ansatzweise. Für die erschwerten Baubedingungen durch den russischen Angriffskrieg konnte Geywitz natürlich nichts, aber ihr Erfolg wurde an dieser Zahl gemessen. Gerade mal 294.400 Wohnungen sind im Jahr 2023 entstanden.

Nun hat das Bundesbauministerium eine neue Wohnraumprognose beim Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) in Auftrag gegeben. Das Ergebnis lautet: Bis 2030 werden 320.000 Wohnungen jährlich gebraucht. Ist die Bau- und Wohnungskrise doch kleiner als gedacht?

Das wird je nach Institut höchst unterschiedlich beantwortet. Laut Pestel-Institut liegt der aktuelle Bedarf bei 550.000 Wohnungen. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) geht dagegen von 372.600 neuen Wohnungen aus.

Interessant an der Prognose des BBSR ist aber, dass sie auch regionale Bedarfe aufschlüsselt. Allein in den sieben größten deutschen Städten Berlin, München, Hamburg, Frankfurt am Main, Stuttgart, Köln und Düsseldorf werden laut Prognose jährlich 60.000 neue Wohnungen gebraucht. Das entspricht 20 Prozent des Gesamtbedarfs.

Den größten einwohnerbezogenen Bedarf weisen demnach kreisfreie Städte und Landkreise in Süddeutschland auf: Auf Platz eins liegt die Stadt Landshut (pro Jahr 87 Wohnungen je 10.000 Einwohner), es folgen die Kreise Regensburg (83), Kempten im Allgäu (77) und Memmingen (75) sowie die Landeshauptstadt München (74 Wohnungen). Am Ende der Liste steht der Landkreis Weimarer Land in Thüringen (5 Wohnungen je 10.000 Einwohner). Im Bundesdurchschnitt liegt der Bedarf bei pro Jahr 38 Wohnungen je 10.000 Einwohner.

„Neue Wohnungen müssen vor allem in den wachstumsstarken Großstädten und ihrem Umland entstehen“, sagte BBSR-Expertin Anna Maria Müther bei der Vorstellung am Donnerstag. Im Fokus stehen dabei Miet- und Eigentumswohnungen in Mehrfamilienhäusern. Wichtig sei es, dafür auch die Baugenehmigungen wieder zu stabilisieren und den Sozialen Wohnungsbau weiter zu fördern.

In vielen ländlichen Regionen ist der Neubaubedarf dagegen eher moderat. In strukturschwachen Landkreisen mit abnehmender Bevölkerungszahl gehe es eher darum, den Wohnungsbestand modern zu halten.

Für die Bedarfsprognose wurden auch die rund zwei Millionen leerstehenden Wohnungen berücksichtigt. Allerdings seien nur etwa die Hälfte davon bezugsfertig – und viele leerstehende Wohnungen befinden sich in nachfrageschwachen Regionen. Laut Prognose reduziert sich der Wohnungsneubaubedarf „mit der Komponente Leerstand um rund 10.000 Wohneinheiten“.

Die Prognose geht davon aus, dass die Bevölkerungszahlen zwar langfristig stagnieren, dass aber dennoch die Zahl der Haushalte weiter zunimmt. „Das liegt an dem anhaltenden Trend der Singularisierung und Alterung“, erklärte BBSR-Experte Matthias Waltersbacher. Vor allem würden 1- bis 2-Zimmerwohnungen gebraucht, aber auch solche für Familien.

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10 Kommentare

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  • Annahme: die Demografie geht runter, aber Einwanderung gleicht das grob aus - die wurde fast immer unterschätzt.

    Mit dem Bestehenden klüger umgehen und höchstens kleine effiziente kompakte Einheiten um- und nachbauen, damit Oma Hilde in der Nähe ihres Einfamilienhauses etwas Bezahlbares, Beherrschbares, Barrierefreies hat und ohne Nachdenken umzieht.



    Und auch kein*e Student*in braucht eine eigene riesige Wohnung.



    Produktiv-effizient heißt, aus wenig Aufwand und Raum viel Wohnqualität herauszuholen.

  • Ich kann nur vor exzessivem Neubau warnen. Der Neubau von heute ist der Leerstand von morgen. Warum ist das so? Ganz einfach: Wir werden auch mit der aktuellen Zuwanderung nicht gegen die Demographie ankämpfen können, d. h. dass die Nachfrage langfristig wahrscheinlich sinkt.



    Wir sollten langfristig keinen Leerstand riskieren, der 5% übersteigt, da das unglaublich viel Geld kosten würde. Natürlich wäre es schön, die Wohnkosten zu senken, aber letztlich brächte es nichts, wenn über den Bedarf hinaus gebaut würde. Sinkt die Nachfrage, sinken auch die Mieten. Sinken die Mieten, dann verlieren Immobilien an Wert. Der Wertverlust und die Kosten zunehmenden Leerstandes würden zu viel Geld verschlingen, das dann woanders fehlen würde.

    • @Aurego:

      Das klingt ja durchaus recht sinnvoll, was Sie da schreiben. Wobei es, in Ermangelung/Abwesenheit großer öffentlicher oder quasi-öffentlicher Bauträger, höchstwahrscheinlich nicht zu einem großen, zentral gesteuerten "am Bedarf vorbei bauen" kommen würde. Sondern höchstens durch die übliche "Anarchie der Märkte".

      Aber was schlagen Sie zur Lösung der derzeitigen Problematik vor?

      • @Kawabunga:

        Eine wirkliche Problematik sehe ich gar nicht. Wohnraum sollte knapp bleiben, also nicht im Übermaß vorhanden sein. Worauf wir tatsächlich achten müssen, ist, den Anteil der Wohnkosten an den Ausgaben normaler Haushalte nicht weiter steigen zu lassen. Das heißt, dass die Eikommen mit den Wohnkosten mithalten können müssen.

  • "Gerade mal 294.400 Wohnungen sind im Jahr 2023 entstanden."

    Brutto. Also sind die Abrisse noch abzuziehen.

    Was bleibt ?



    Versagen.



    Totales Versagen



    Auch am Wohnungsmarkt.

    • @Bolzkopf:

      Mehr als 294.400 Wohnungen brauchten wir 2023 nicht. So schlecht ist diese Zahl auch gar nicht. Ich als Vermieter sähe es gar nicht so gern, wenn der Wert meiner Wohnungen durch zu viel Neubau verwässert würde.

      • @Aurego:

        Sie haben natürlich vollkommen Recht.



        Eine schiere Unverschämtheit wenn man durch Beseitigung des Mangels ihre Rendite gefährdet!

    • @Bolzkopf:

      Ich fände es mit Verlaub eher Versagen, immer gleich in überschießenden Formulierungen zu toben, statt das gute Differenzieren zu pflegen.

      Konstatieren wir dabei, dass Geywitz den Mund zu voll nahm bzw. nach dem Ukraine- und Energieschock plus hohen Zinsen das Ziel hätte von sich aus einkassieren sollen.



      In Hamburg bekam Scholz es übrigens damals halbwegs hin, doch der Bund ist nicht Hamburg. in vielerlei Hinsicht.

      • @Janix:

        Überschiessende Formulierungen? Wo leben Sie denn? Ich in Berlin-Pankow....eine türkische Arbeitskollegin von mir, kann ihren Verlobten nicht heiraten, da es KEINE Wohnungen gibt, wo sie hinziehen könnten. Die Politik der letzten Jahre ist nicht nur in diesem Bereich ein totales Versagen, sondern in den meisten anderen Bereichen ebenfalls: Infrastruktur, Bildung, Sicherheit etc. Oder haben Sie ein (!!!) einziges positives Beispiel?

        • @Leningrad:

          Sorry, aber seit Erhöhung der EZB-Zinsen ist die Anzahl der Angebote für Mietwohnungen in Berlin sogar deutlich gestiegen. Es ist nicht so, dass es keine Wohnungen gäbe. Was natürlich sein kann, ist, dass man sich die angebotenen Wohnungen nicht leisten kann oder will. Das wäre übrigens bei Neubau ganz genauso, denn Neubauwohnungen sind i. d. R. noch teurer. Gerade in Berlin sind die Preise im Vergleich mit anderen europäischen Hauptstädten aber immer noch moderat.



          Ich sehe außerdem in den Bereichen Infrastruktur und Sicherheit kein echtes Versagen. Da sind wir in Deutschland nicht unbedingt schlechter dran als in vielen anderen Ländern, schon gar nicht in Metropolen wie Berlin, Frankfurt oder München.