Neue Musik aus Berlin: Mit Spiel verfugte Zeit
Der Komponist Stefan Goldmann taucht auf „Alluvium“ in die Tiefen der Polyrhythmik ein. Das geht assymetrisch zu und erzeugt reichlich Fliehkraft.
P olyrhythmik interessiert Stefan Goldmann schon seit einer ganzen Weile. Sein Studio der Audiokommunikation an der TU Berlin schloss der in Berlin geborene Komponist seinerzeit mit einer Arbeit über die auditive Wahrnehmung von Polyrhythmen ab. Auf seinen eigenen Platten geht er dem Phänomen seitdem immer wieder mit ganz unterschiedlichen Mitteln nach.
Sein Doppelalbum „The Grand Hemiola“ von 2011 etwa machte sich die exklusiven Möglichkeiten des Vinylformats zunutze: Beide Platten bestanden aus Endlosrillen, die eine mit Patterns im 4/4-Takt, die andere im 3/4-Takt. Mit zwei Schallplattenspielern kann man diese als Hörer dann eigenhändig zu stets neuen ungeraden Rhythmen kombinieren. Einziger Nachteil daran: Nicht jeder hat zu Hause so viele Abspielgeräte.
Auf „Alluvium“ erkundet Goldmann die Möglichkeiten von „geschichteter Asymmetrie“ direkt innerhalb der einzelnen Stücke. Das Material entstand in Berlin, Istanbul, Sofia und Thessaloniki. Ungerade Metren bilden die Grundlage seiner Patterns, die sich, so Goldmann, in wechselnden Konstellationen zu „multidimensionaler Zeit“ organisieren.
Stefan Goldmann: „Alluvium“ (Macro/Alive)
Klingt sehr theoretisch, ergibt aber über die zwölf Nummern der Platte hinweg einen stets locker verfugten, mit reichlich Fliehkraft versehenen Groove, der im einen Stück locker und mit reichlich Luft um die einzelnen Elemente federt, um im nächsten dann erdenschwer hallend seine Energie freizusetzen. Was übrigens ganz im Sinne des Albumtitels ist: Das Alluvium ist das aktuell jüngste der Erdzeitalter.
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