Neue Mitglieder im UN-Sicherheitsrat: Ruanda wird künftig mitreden

Erstmals seit dem Genozid kommt Ruanda in den UN-Sicherheitsrat. Dabei sagen UN-Experten, es sei in den Bürgerkrieg im benachbarten Kongo verstrickt.

Runde Sache: Ruanda gehört für zwei Jahre zum UN-Sicherheitsrat. Bild: dapd

BERLIN taz | Das letzte Mal, dass Ruanda dem UN-Sicherheitsrat angehörte, war 1994 – das Jahr des ruandischen Völkermords, als Armee und Hutu-Milizen über 800.000 Tutsi töteten. Die für den Völkermord verantwortliche Regierung konnte damals im Sicherheitsrat Plädoyers in eigener Sache halten, wenn besprochen wurde, nichts gegen das Massenschlachten zu tun.

Am Donnerstag wurde Ruanda erneut als nichtständiges Mitglied in den UN-Sicherheitsrat gewählt, für die Jahre 2013–2014. „Durch seine tragische Vergangenheit kann Ruanda in den UN-Sicherheitsrat eine einzigartige Perspektive über Krieg und Frieden einbringen“, freute sich Ruandas Regierung per Twitter.

Außenministerin Louise Mushikiwabo erklärte: „Ruanda wird auf seinen Erfahrungen aufbauen, um für eine robuste Umsetzung der Doktrin der Schutzverantwortung zu kämpfen – die einfordert, dass die Welt Notiz nimmt und tätig wird, wenn unschuldige Zivilisten drohenden Gräueltaten seitens ihrer Regierungen ausgesetzt sind.“

Ruanda, Argentinien, Südkorea, Australien und Luxemburg heißen die fünf neuen nichtständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats 2013–2014. Sie ersetzen Südafrika, Kolumbien, Indien, Portugal und Deutschland. Der UN-Sicherheitsrat hat fünf ständige und zehn nichtständige Mitglieder; von Letzteren werden jedes Jahr fünf neu von der UN-Vollversammlung gewählt.

Nötig zur Wahl waren 129 von 193 Stimmen. Argentinien und Ruanda waren für Lateinamerika und Afrika ohne Gegenkandidat. Für Asien schlug Südkorea Kambodscha und Bhutan, für Europa siegte Luxemburg gegen Finnland.

Ruandas Regierung ist vor allem deshalb erleichtert, weil das Streben des Landes nach einem UN-Sicherheitsratssitz in den letzten Monaten scharf kritisiert worden war. Ende Juni hatte eine UN-Expertengruppe in einem vorläufigen Bericht Ruanda vorgeworfen, die neue Rebellenarmee „Bewegung des 23. März“ (M23) in der benachbarten Demokratischen Republik Kongo zu unterstützen, die unter Führung desertierter Tutsi-Generäle Teile Ostkongos erobert hat.

Expertenbericht belastet Ruandas Militärspitze

In einem kurz vor der Wahl der neuen Sicherheitsratsmitglieder durchgesickerten weiteren Teilbericht, vermutlich ein Entwurf des noch nicht fertiggestellten Endberichts der Expertengruppe, wird Ruanda sogar beschuldigt, die M23 direkt zu kommandieren. Damit könnte Ruandas Militärspitze unter der Doktrin der Führungsverantwortlichkeit haftbar gemacht werden, sollten Kriegsverbrechen der M23 vor dem Internationalen Strafgerichtshof landen.

Ruanda hat die Vorwürfe der UN-Experten immer scharf zurückgewiesen, der Expertengruppe schlampige Arbeit vorgeworfen und ihrem Leiter Steve Hege eine frühere Schrift vorgehalten, in der er politische Forderungen der im Kongo aktiven ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) verteidigte. Die jüngsten Vorwürfe gelten in Kigali als Teil einer Kampagne.

In der Debatte vor der Abstimmung in der UN-Vollversammlung verlangte denn auch der Vertreter der Demokratischen Republik Kongo, Ruanda abzulehnen, weil es „Kriegsverbrecher im Ostkongo“ schütze. Ein Vertreter der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch verstieg sich hinterher sogar zu der Behauptung, Ruanda werde mit seinem Sicherheitsratssitz dafür „belohnt“, dass es „die Arbeit der UN untergräbt“.

Die britische Regierung, engster internationaler Alliierter Ruandas, erklärte, sie freue sich nun darauf, gemeinsam mit Ruanda an der Beendigung der Gewalt im Kongo zu arbeiten. Tatsächlich spielt beim Konflikt im Ostkongo der UN-Sicherheitsrat eine wichtige Rolle, da im Kongo die größte UN-Blauhelmtruppe der Welt steht.

Außerdem nimmt der Rat jedes Jahr die von Ruanda jetzt kritisierten Berichte der UN-Expertengruppe zur Überwachung der Sanktionen gegen Kongos bewaffnete Gruppen entgegen und kann auf dieser Grundlage Strafmaßnahmen ergreifen. Bei den Diskussionen darüber wird Ruanda zukünftig mitreden.

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