Neue Indizien im Steuer-Skandal: Cum-Ex klebt an Tschentscher
Ein Kalendereintrag legt nahe, dass Peter Tschentscher als damaliger Hamburger Finanzsenator half, die Warburg-Bank steuerlich zu verschonen.
Einer der Kalendereinträge bezieht sich auf ein Telefonat, das Tschentscher am 8. November 2016 mit dem damaligen Ersten Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) geführt hat. Tags darauf, am 9. November, telefonierte Scholz mit dem Warburg-Miteigentümer Christian Olearius und empfahl diesem, ein Schreiben, das er bereits an das Finanzamt gerichtet hatte, auch an den damaligen Finanzsenator Tschentscher zu schicken.
In dem Schreiben wehrten sich die Bankiers gegen eine vom Finanzamt geforderte Zahlung von 47 Millionen Euro und wiesen darauf hin, dass die Bank dadurch zahlungsunfähig werden könnte. Tschentscher zeichnete das Schreiben ab und reichte es mit einer Bitte um Informationen zum Sachstand in seine Behörde.
Das Telefonat vom 8. November stehe in einer Terminliste, „die wir jetzt erst bekommen haben“, sagte Norbert Hackbusch, Obmann der Linken im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Bürgerschaft. Ihn würde sehr interessieren, was der Inhalt dieses Telefonats war, das so nah an dem Telefonat von Scholz mit dem Warburg-Bankier Olearius lag. Die Senatspressestelle bestätigte, dass das Telefonat stattgefunden habe, teilte aber mit: „Informationen zum konkreten Gesprächsanlass, zum Inhalt oder zur Gesprächsdauer sind nicht dokumentiert.“
Auch zu einem im Kalender aufgetauchten Gespräch zwischen dem Finanzsenator und der damaligen Leiterin des Amtes für Steuerverwaltung, Angela Nottelmann, am 11. November gibt es nach Auskunft des Senats keine näheren Informationen. Am 5. Oktober hatte die Amtsleiterin ihrem Senator eine 28-seitige Entscheidungsvorlage des Finanzamtes für Großunternehmen vorgestellt. Darin empfahl das Finanzamt, die erstatteten Steuern zurückzufordern.
Am 17. November beriet eine Expertenrunde aus Vertretern des Finanzamtes und der Finanzbehörde den Fall Warburg und kam zu dem Schluss, die Steuern doch nicht zurückzufordern: Der Sachverhalt sei nicht eindeutig zu ermitteln, das Prozessrisiko zu groß.
Sie habe in Vorbereitung dieser Sitzung mit Senator Tschentscher gesprochen, sagte die Amtsleiterin. Allerdings habe sie lediglich auf die Sitzung hingewiesen. Das Gespräch war laut Senatspressestelle auf 30 Minuten veranschlagt. Weiteres zum Anlass oder zum Inhalt sei nicht dokumentiert worden. Weder Tschentscher noch Scholz hätten im Fall Warburg Wünsche geäußert, versicherte die Amtsleiterin im Ausschuss. Ähnlich äußerte sich der leitende Behördenvertreter.
Dass ein Jahr nach der Einsetzung des Untersuchungsausschusses immer noch neue Dokumente auftauchen, ist aus Sicht der Ausschussmitglieder ärgerlich. „Wir haben bisher noch nie was von Mails von Tschentscher mitbekommen“, sagt Hackbusch. Der Linken-Abgeordnete hatte vor anderthalb Wochen kritisiert, „dass dem Untersuchungsausschuss offensichtlich wichtige Mails über den Cum-Ex-Komplex vorenthalten worden sind“. Zuvor war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft Köln bei einer Durchsuchung der Finanzbehörde auf solche Mails gestoßen war.
Die Senatskanzlei rechtfertigte sich damit, dass eine Durchforstung von Tschentschers Kalender mit den vom Ausschuss angegebenen Suchwörtern keine Treffer ergeben habe. Sie habe dann nach Bürgermeisterkürzeln gesucht und diese Trefferliste vergangenen Donnerstag übermittelt.
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