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Neue ICE-Trasse geplant„Landschaft mit Beton“

Die Bahn will die Trasse zwischen Hannover und Bielefeld aus- oder sogar ganz neu bauen. Dadurch verkürzt sich die Fahrtzeit nur wenig.

Könnte hier neben der A2 entstehen: Neue ICE-Trasse durch Schaumburg Foto: Peter Steffen/dpa

Göttingen taz | Zwischen 48 und 55 Minuten braucht ein ICE der Deutschen Bahn zurzeit, um von Hannover nach Bielefeld zu fahren. Das ist nicht sehr viel für die 110 Kilometer lange Strecke. Aber es ginge noch schneller, finden Bahnvorstände und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Sie wollen die Fahrzeit auf bis zu 31 Minuten senken und die Strecke deshalb aus- respektive ganz neu bauen.

Statt wie bislang mit rund 200 Kilometern pro Stunde, könnten die Züge künftig mit bis zu 300 km/h verkehren. Das sei wichtig, sagen die Befürworter, um Berlin schneller an Ruhrgebiet und Rheinland anzubinden. Und für den geplanten „Deutschlandtakt“: Der bundesweit abgestimmte Fahrplan sieht im Kern einen Halbstundentakt auf den wichtigsten Verbindungen im Fernverkehr vor.

Auch im Regionalverkehr wären erhebliche Verbesserungen möglich, wenn mehr Gleise zur Verfügung stünden, heißt es: Zwischen Hannover und Minden etwa könnte der Regionalexpress halbstündlich fahren und dann jeweils abwechselnd weiter nach Bielefeld und Osnabrück/Rheine, das wäre doppelt so häufig wie bisher.

Die S-Bahn von Hannover nach Minden könnte ebenfalls verlässlicher verkehren und wäre damit für Pendler attraktiver, wenn sie nicht mehr durch Fernzüge und Güterzüge ausgebremst werde.

Streckenverlauf noch unklar

Die Planungen für die neue Strecke haben begonnen, aber noch ist unklar, wo genau sie verlaufen soll. Um die Anwohner einzubinden, hat die Bahn Anfang des Jahres einen „Bürgerdialog“ gestartet, im März tagte online ein erstes „Planungsplenum“ mit Vertretern von Bahn, Behörden, Kommunen und Bürgerinitiativen. Deutlich wurde dabei, dass es massiven Protest vor allem gegen einen Neubau der Trasse gibt. Und: Unter den Kritikern finden sich auch ausgewiesene Bahnfreunde.

Bahn eröffnet „Info-Markt“

Info-Markt Bahnprojekt Hannover-Bielefeld: 21.6. bis 4.7.2021, online: https://www.hannover-bielefeld.de/dialog/info-markt01

Info-Termin (Livestream und Chat) 30.6., online: https://www.hannover-bielefeld.de/dialog/info-termin01

Als Grundlage der Beratungen hat die Bahn Pläne für fünf Modell-Varianten vorgelegt. Dabei wird Variante 1 wohl nicht ernsthaft verfolgt. Sie sieht Ortsumfahrungen für Wunstorf, Bückeburg und Minden vor, dazu zusätzliche Gleise auf einem Teilabschnitt. Maximal Tempo 230 könnten die ICE dabei erreichen, und es würden nur acht Minuten Fahrzeit eingespart. Mit zurzeit kalkulierten zwei Milliarden Euro ist diese Variante allerdings auch die günstigste.

Variante 2 sieht eine Neubautrasse entlang der Autobahn 2 mit langen Tunnelabschnitten vor. Dies würde für das gewünschte Tempo sorgen, die Gesamtkosten aber wären hoch, Stand jetzt nämlich rund sechs Milliarden Euro. Die dritte Variante beinhaltet einen kürzeren Neubauabschnitt an der A2 und ein früheres Einfädeln in die bestehende Strecke bei Bad Oeynhausen. In diesem Fall würde nicht das gewünschte Tempo erreicht und die Arbeiten wären kompliziert.

In einer abgespeckten Variante 4 – mit weniger Ausbauten – stiegen die relativen Kosten, es käme nicht zu dem erhofften Fahrzeitgewinn. Kosten und Nutzen, Aus- und Neubau kombinieren soll Variante 5: Nahe an der bestehenden Trasse sind dabei neue Gleise vorgesehen, Wunstorf würde umfahren, das Wesergebirge in einem langen Tunnel unterquert.

Sogar Umweltverbände sind skeptisch

Sogar Umweltverbände, die grundsätzlich mehr öffentlichen Verkehr und insbesondere ein verbessertes Bahnangebot begrüßen, stellen solche Milliarden-Ausgaben für ein paar Minuten eingesparte Fahrzeit infrage. Für Verkehrswende und Klimaschutz seien in den nächsten zehn Jahren entscheidende Schritte notwendig, erklärte etwa die Bezirkskonferenz Naturschutz Ostwestfalen-Lippe – eine Strecke mit einer Planungs- und Bauzeit von mindestens 20 Jahren gehöre nicht dazu.

Die Menschen wollten nicht vorrangig mit 300 km/h von einer Metropole zur nächsten rasen, sondern pünktlich ankommen. Dazu bedürfe es verlässlicher Anschlüsse und einer flächigen Anbindung ländlicher Regionen mit vernünftigen Takt- und ohne lange Umsteigezeiten.

Deutlich positioniert sich der Dachverband gegen den Bau einer völlig neuen Trasse: Ein solches Vorhaben mit einem mit einem bis zu 60 Meter breiten „Baustellenmoloch“ werde sich durch eine vielgestaltige und besiedelte Landschaft fressen, Landschafts- und Naturschutzgebiete in großem Ausmaß zerstören und verinseln, Landschaften und Siedlungen verlärmen, die Wasserversorgung gefährden und wertvolle Nutzflächen versiegeln. Für große Tunnelbauten müssten riesige Gesteinsmengen bewegt werden.

Die im Schaumburger Land aktive Initiative „Pro Ausbau“ sieht sich in ihrer Ablehnung einer Neubaustrecke durch das jüngste Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts bestätigt. „Es spielt uns in die Karten, denn es wird definitiv auch Auswirkungen auf die Bahnpläne für die Region haben“, sagte Claudia Grimm von „Pro Ausbau“ der Schaumburger Zeitung.

Kapazitätserweiterung ist notwendig

Bei den zurzeit heiß diskutierten Zielfahrplänen bestehe die Gefahr bedrohlicher Fehlentwicklungen. Auf der Tagesordnung des Verkehrsministers stünden wieder einmal Hochgeschwindigkeitsprojekte, ausufernde Tunnelstrecken und Bahnhofsvergrabungen ganz oben. Diese Vorhaben konterkarierten aber eine klimaverträgliche Ausrichtung des Schienenverkehrs.

„Wir sind Bahnfreunde und setzen uns dafür ein, dass dieses Verkehrsmittel für alle besser wird“, erklärt die Initiative. Das für den Ausbau bereit gestellte Geld müsse ökologisch und ökonomisch eingesetzt werden. Hochgeschwindigkeits-Phantasien bei steigendem Stromverbrauch seien ebenso „von gestern wie Landschaft mit Beton zukippen, um 30 Minuten Zeit zu sparen“.

Der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD) zeigt sich für einen Streckenneubau offen. Er macht auf die rund 100.000 PKW und 20.000 LKW aufmerksam, die täglich auf der A2 zwischen Porta Westfalica und Hannover unterwegs sind und entsprechend Dreck, Staub und giftiges Abgas emittieren.

Schon deshalb bestehe großer Bedarf für einen leistungsfähigen Schienenweg. „Im Abschnitt zwischen Minden und Wunstorf liegen nur zwei Gleise, das ist zu wenig“, so der VCD. „Die Kapazitätserweiterung im Schienenverkehr ist seit Jahrzehnten überfällig.“

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14 Kommentare

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  • Der Luftwiderstand nimmt mit der Geschwindigkeit nicht linear, sondern quadratisch zu. Dass der ICE3 bei 200 km/h etwa 40 Prozent der Gesamtenergie durch den Luftwiderstand verbraucht und bei 300 km/h 80 Prozent, sind zwar Zahlen der Luftfahrtlobby, allerdings schafft es nicht gerade Vertrauen, dass es keine anderen Zahlen gibt.

    • @Mika:

      Hier werden sehr viele Punkte wild gemixt. Bahnprojekte brauchen immer sehr lange. Das liegt am generellen Planungsrecht. Einen Ausbau zu planen geht nicht schneller, da auch der Neubau grob geplant werden muss um nachzuweisen, dass es keine bessere alternative gibt. Am wichtigsten bleibt einfach das Schutzgut Mensch. Sonst kann gegen den Beschluss geklagt werden und evtl. muss von neu begonnen werden.



      Umwelt verbände sind auch häufig dabei, ob jetzt berechtig oder nicht, eher Nabu als BUND. Beim Belt Projekt habe ich aber häufig gesehen, dass es ihnen halbwegs bewusst ist dass das Projekt nicht verhinderbar ist und daher nur die Verspätung das Ziel wird.

      Aber Projekte wie Frankfurt Fulda zeigen, dass es auch gut innerhalb von 5 Jahren machbar ist.

      Auch ist der Ausbau nicht unproblematisch und würde hier konkret entweder Stecken Sperrungen zwischen Ruhgebiet und Berlin bedeuten oder viel länger dauern als ein Neubau.

      Aber häufigster Blocker bei den Projekten ist und bleiben Politiker. Sogar der Landesverband ist dem Bahnausbau abgeneigt. Zeigt sich auch in dem seit 10 Jahren nicht weiterkommenden Alpha-E, wo eine nicht Ökonomische und nicht nützliche Variante präferiert wird.

    • @Mika:

      Ich sehe jetzt relativ wenig relevant darin. Deshalb fährt der ICE ja auch nur 320km/h. Technisch wären locker 360km/h möglich, jedoch ist es dann nicht mehr ökonomisch.

  • Die Bahn plant noch immer zu klein. Besser wäre ein Neubau zwischen Berlin - Hannover - Düsseldorf (Flughafen) - Düsseldorf (HBF) ohne weitere Zwischenhalte. Dann könnte die Energiewende endlich in Fahrt kommen. Ortschaften wie Bielefeld können dann auf der vorhandenen Trasse angefahren werden.

    • @DiMa:

      Wieso ohne Zwischenhalte? Sollen also nur Großstädter:innen in den Genuss zügigen Bahnfahrens kommen und die anderen haben halt Pech gehabt?

      • @resto:

        Zwischenhalte kosten extrem viel Zeit und verlangsamen die Geschwindigkeit auf der Trasse. Wenn man eine Bahn als echte Alternative zum Inlandsflug haben möchte, dann braucht es die entsprechenden Geschwindigkeiten und kurze Fahrtzeiten. Die Franzosen haben dies erkannt und erfolgreich umgesetzt.

        Ein Flugzeug landet auch nicht in jeder überflogenen Ortschaft.

        Die Anbindung vor Ort erfolgt dann halt dezentral.

        • @DiMa:

          Sie verstehen dann sicherlich das der Rest der Bevölkerung der nicht privilegiert in einer Metropole wohnt etwas dagegen hat und das ganze für die nächsten 30 Jahre blockiert. Wenn ich schleiche schleichst du auch oder bleibst halt zuhause…..



          Frankreich hat eine andere Struktur alles geht Sternförmig von Paris aus.



          Deutschland hat viel mehr Mittelzentren die auch versorgt werden wollen……

          • @Sinulog:

            Für eine erfolgreiche Energiewende brauchen wir ein Umdenken und wir brauchen auch gesamteuropäische Lösungen mit schnellen Anbindungen. Dafür braucht es einfach mehr "Sprinter", was auf den vorhandenen Strecken und mit vielen Zwischenhalten einfach nicht zu machen ist.

            Ich spreche nicht gegen die Versorgung von Mittelzentren sondern lediglich von einer alternativen Versorgung. Dann muss man halt einmal umsteigen.

            • @DiMa:

              es ist nicht mit umsteigen getan.



              Bitterfeld-Berlin 1h mit ICE, ohne ICE 2h.Andere Richtung München,Frankfurt dasselbe ohne ICE min 1h länger unterwegs.



              Bloss weil die Metropolenbewohner keine 5 min halten wollen sollen die anderen Stunden länger unterwegs sein?



              Bei 2h wird halt wieder das Auto genommen…. ergo Bahnfahren ist bloss für Metropolen Bewohner interessant und das Land ist aufs Auto angewiesen wenn ma am selben Tag noch irgendwo ankommen will.

              • @Sinulog:

                Die Sprinter müssen aber nicht mit den normalen FV konkurrieren. Bei genügend Kapazität kann man beides fahren lassen.



                Genau dafür ist ja der Deutschlandtakt gedaucht. Das Problem ist einfahc, dass der ICE heute zwischen Hamm und Hannover 75min braucht. Für einen Takt Fahrplan sind aber nur 90 oder 60 min möglich. Ergo muss man die Strecke um 15 min reduzieren.



                Generell geht man davon aus, dass die Bahn unter 3h brauchen soll um konkurrenzfähig zum Flugzeug zu sein.

  • Nein, die Fahrzeit verkürzt sich nicht nur wenig. Auf vielen Relationen verkürzt sie sich um eine Stunde, weil ohne die Neubaustrecke Taktknoten nicht erreicht werden. Wir sprechen hier von einer zentralen Eisenbahnverbindung im nordwestdeutschen Eisenbahnnetz, zwischen Köln, Bonn, Düsseldorf und dem Ruhrgebiet einerseits und Hannover, Hamburg und Berlin andererseits.

    Ein integraler Taktfahrplan wie der Deutschlandtakt bedeutet eben, dass Züge gewisse Fahrzeiten zwischen Knotenpunkten einhalten müssen - das heißt zweierlei: nicht jede Ausbaumaßnahme, die 5-10 min Fahrzeitersparnis bringt, ist sinnvoll, wenn man am nächsten Knotenpunkt dann einfach 5-10 min länge auf den Anschlusszug wartet. Es heißt aber auch, dass an bestimmten Stellen Ausbauten notwendig sind, um eben die notwendigen Fahrzeiten zu erreichen.

  • Wie definiert man leistungsfähig? Ist es alleine die Höchstgeschwindigkeit, oder zählt die Stabilität gegen Störungen, oder der max Prsonen und Gütertransport eine Rolle? Was ist mit Verbindungszeiten nicht nur von Hauptbahnhof zu Hauptbahnhof, sondern von Startbahnhof zu Zielbahnhof? In vielen Fällen ist der Aufbau und die Elektrifizerung von Nebenstrecken, Überholstrecken, und die dichtere Taktung von Zubringern viel kostengünstiger und effektiver. Vielfach könnte da sogar noch alte Trassen wiederverwendet werden

    • @Martin_25:

      Vorher gab es auch nur die Vorgabe einer 8min Verbesserung. Gerade durch die bessere Taktung die geplant wird sind 17min Verbesserung nötig.

      Neben den Punkten von DAW ist es auch ein Mythos, dass Ausbau günstiger ist als Neubau. An der jetzigen Strecken sind sehr viele Ortschaften wo evtl. viele Häuser abgerissen werden müssten. Auch würden diese Orte durch eine Verkehrsverlagerung Nachts vom Lärm entlastet.

    • @Martin_25:

      Klingt ja alles IM ALLGEMEINEN recht plausibel - hier geht es aber um ein KONKRETES Projekt.

      Dank Neubaustrecke gäbe es zwischen Hannover und Bielefeld vier Gleise und schneller und langsamer Verkehr wären getrennt (ebenso Lang- und Kurzstreckenpersonenverkehr, so dass sich Verspätungen weniger übertragen). Beides ist der Stabilität sicher nicht abträglich.

      Es wäre naiv zu glauben, dass man einfach nur bei der Bestandsstrecke zwei weitere Gleise verlegen und vielleicht ein paar Kurvenradien vergrößern müsste. Letztlich würde man nicht viel günstiger kommen, aber die Vorteile der schnellen Neubaustrecke nicht erreichen.