Neue Hinweise zu Drohschreiben: Der „NSU 2.0“ las offenbar „bild.de“
Die Ermittler zu den Drohschreiben an die Anwältin Seda Basay-Yildiz wollen die Zugriffsdaten von „bild.de“. Der Verlag lehnt das ab.
BERLIN taz | Im Fall der „NSU 2.0“-Drohschreiben an die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz geht die ermittelnde Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main neuen Hinweisen nach. Am Samstag wurden die Ermittler beim Axel-Springer-Verlag in Berlin vorstellig und verlangten die Herausgabe von Zugriffsdaten auf bestimmte Bild.de-Texte.
Basay-Yildiz erhielt seit August 2018 inzwischen vier Drohfaxe, die mit „NSU 2.0“ unterzeichnet waren. Darin wird der Anwältin und ihrer Familie massiv Gewalt angedroht. Angeführt wurden auch ihre Privatadresse und die Namen von Familienangehörigen, die öffentlich nicht bekannt sind. Die Daten wurden zuvor auf einem Computer in einem Frankfurter Polizeirevier abgerufen. Der Fall löste eine Polizeiaffäre aus.
Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft sprach am Montagabend von „neuen Erkenntnissen“ in dem Fall. Nach taz-Informationen soll in einem der Drohschreiben auf einen Bild.de-Text verwiesen worden sein. Die Ermittler wollen nun offenbar prüfen, wer alles diesen Artikel aufgerufen hat.
Bei der Bild hatte der Vorgang für Aufregung gesorgt. Nach eigenen Angaben hatte man die Ermittler am Samstag abgewiesen – weil diese keinen Durchsuchungsbefehl vorgelegt hätten. „Aufgrund des hohen Gutes des unantastbaren Informantenschutzes wird Bild niemals freiwillig Daten von Lesern oder Informanten herausgeben“, teilte Bild-Chef Julian Reichelt mit.
Bild will Daten nicht rausrücken
Die Staatsanwaltschaft widersprach am Montag der Darstellung. Man habe dem Axel-Springer-Verlag am Freitagabend per Email und Fax eine Eilanordnung zukommen lassen, die diesen zur Herausgabe der Daten verpflichtete, erklärte die Behörde. Da keine Reaktion erfolgte, hätten Beamte des Landeskriminalamtes Berlin am Samstag in Amtshilfe den Verlag kontaktiert.
Eine Durchsuchung sei nie beabsichtigt gewesen, behauptet die Staatsanwaltschaft. Es sei nur um die Sicherung der Zugriffsdaten gegangen, um die „massiven Straftaten mit zeugenschaftlicher Unterstützung durch ein Medienunternehmen aufzuklären“. Der Verlag habe inzwischen zugesichert, die benötigten Daten intern zu sichern und nach Vorlage einer richterlichen Anordnung den Ermitteln zur Verfügung zu stellen.
Die Staatsanwaltschaft bestätigte, dass der oder die VerfasserIn der „NSU 2.0“-Drohschreiben an Basay-Yildiz weiter unbekannt sind. Die Schreiben seien mit einer „Tor“-Verschlüsselung über eine Internetplattform verschickt worden, teilte die Sprecherin mit. Ermittelt werde wegen Bedrohung und Volksverhetzung.
Leser*innenkommentare
nzuli sana
Doch doch die BILD, Springer verlangen bei der Identifizierung der G20-Aktivisten mitzuhelfen, geben der Polizei einen aus und wollen nun nicht mithelfen.
Das ist Rassismus und Arroganz.
Normalerweise müssen die liefern.
88181 (Profil gelöscht)
Gast
"Die Ermittler wollen nun offenbar prüfen, wer alles diesen Artikel aufgerufen hat."
Das können doch hunderte oder sogar tausende sein, oder liege ich da falsch?
Was will man denn mit diesem Heuhaufen anfangen?
sart
@88181 (Profil gelöscht) Ich vermute einmal, es geht um einen reinen Namensabgleich zwischen den Lesern des Artikels und denen, die Zugang zu dem fraglichen Polizeicomputer haben.
88181 (Profil gelöscht)
Gast
@sart Verstehe. Das klingt allerdings einleuchtend.
83379 (Profil gelöscht)
Gast
@88181 (Profil gelöscht) eher zehntausende. Das ist ein Testballon die wollen sehen wie weit sie gehen können. So ein Fall bietet sich an weil NSU 2.0 da will niemand verantwortlich sein sie nicht gestoppt zu haben. Trotzdem ist es falsch (und wie sie richtig bemerken unsinnig).
mowgli
Zitat: „Man habe dem Axel-Springer-Verlag am Freitagabend per Email und Fax eine Eilanordnung zukommen lassen, die diesen zur Herausgabe der Daten verpflichtete, erklärte die Behörde.“
Das glaub‘ ich jetzt nicht! Wie stümperhaft kann eine Staatsanwaltschaft vorgehen? Dass das wirklich Unfähigkeit war, kann ich einfach nicht glauben. Ich meine: Wer Staatsanwalt werden will, muss doch studiert haben. Er kann also nicht völlig bildungsunfähig sein. Und jede Rentnerin mit acht Jahren Volksschule weiß mittlerweile, dass E-Mails und Faxe zu rein gar nichts verpflichten. Genau darauf nämlich weist die Polizei aus gegebenem Anlass immer wieder hin in Presse, Funk und Fernsehen. Wenn sich die Staatsmacht (in welcher Rolle auch immer) also nicht ausweist und ein gestempeltes Original ihrer Befugnis vorzeigt, darf man so tun, als wäre sie Staubsauger-Vertreter und ihr die Türe vor der Nase zuschlagen. Nein, darf man nicht nur. Soll man sogar. Und außerdem sollte man sich gewarnt fühlen, zur Polizei gehen und petzen.
Wenn „der oder die VerfasserIn der ‚NSU 2.0‘-Drohschreiben an Basay-Yildiz weiter unbekannt sind“ wundert mich das also gar nicht. Entweder ist die Dummheit der Staatsanwaltschaft größer als gedacht, oder sie liebt ihre Bild-Zeitung. Mehr oder weniger freiwillig, mein' ich.
Die Liebe zu Seda Basay-Jildiz, scheint jedenfalls deutlich geringer zu sein. Vielleicht ist es ja das, was Bild und die Staatsanwaltschaft verbindet. Auch mit einem Mitarbeiter der Frankfurter Polizei. Und dem NSU 2.0. Erstaunlich, wie sehr Hass doch auch verbinden kann!
danny schneider
@mowgli natürlich sind E-Mail rechtskräftige Dokumente, wenn man bestimmte Regeln einhält. Eine qualifizierte elektronische Signatur hat vor dem Gesetz die gleiche Wirkung wie eine mit Hand verfasste Unterschrift.
83191 (Profil gelöscht)
Gast
Wer hätte gedacht das die Bild (potentielle) Terroristen schützt.. das wäre ja mal ne Super Schlagzeile für die Bild ;-)
Wagenbär
Mit der Weitergabe von Fotos von ("linken")G20-Demonstrierenden hatte die BILD hingegen keinerlei Probleme
Zwieblinger
@Wagenbär Das sind ja auch keine „Leser oder Informanten“.
KnorkeM
Bild kooperiert nämlich niemals, sondern handelt immer im Eigeninteresse!
Welches Interessen hat also die Bildzeitung an der Lichtbild-Verfolgung Unschuldiger Demonstranten und Prominenter, welches Interesse hat die Bild an der Verschleierung von Nazi-Terror?
gyakusou
So einen Aufwand würde ich mir auch wünschen, wenn ein weniger prominenter 08/15-Bürger von dem/der Ex oder Unbekannt gestalkt und bedroht wird.
Dorian Müller
Kommentar entfernt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.
Die Moderation
Ansgar Reb
@Dorian Müller Der Ziehsohn von Höckes Pressesprecher deckt den NSU 2.0 und behindert die Ermittlungen.
Passt.
TazTiz
Demnächst wird der Zugriff auf TAZ-Artikel geprüft werden, wenn es die Staatsanwaltschaft will.
Wo bleibt der Aufschrei?
84935 (Profil gelöscht)
Gast
Sehe ich das richtig: weil Bild allgemein hetzt, ist es Jounalismus, aber wenn das an jemand direkt geschickt wird, ist es strafbar? Man sollte vielleicht im Sinne einer wehrhaften Demokratie den Tatbestand "Volksverhetzung" so erweitern, dass er öfter auch mal im Boulevard greift, sowie bei den Stammtischreden bajuvarischer Politiker...
Zwieblinger
@84935 (Profil gelöscht) Nein, Sie sehen das vollkommen falsch. Vielleicht hilft es, den Artikel zu lesen.
84935 (Profil gelöscht)
Gast
@Zwieblinger Hab ich gelesen, und dazu auch noch den Kommentar von Rainer B.: "Immerhin weiß man jetzt schon soviel, dass der oder die Drohbriefschreiber sich ihre Impulse, Inspirationen und Textbausteine von bild.de geholt haben."
Aber Lesen, und das Gelesene interpretieren, sind immer zwei sehr individuelle Sachen... Also schweigen Sie, wenn Sie nicht sachlich diskutieren wollen/können!
kditd
TOR (The Onion Router) ist, nebenbei bemerkt, keine Verschlüsselung, sondern eine Anonymisierungslösung.
Sven Günther
@kditd Völlig richtig.
Aber die Blauen haben schon Tor Guard Server beschlagnahmt.
www.golem.de/news/...n-1807-135310.html
Und da wollte man Blogbetreiber finden, die einen Afd Parteitag stören wollten, hier ermittelt der Verfassungsschutz, da müsste das also auch gemacht werden.
Ob das den Blauen hilft, steht auf einem anderen Blatt.
danny schneider
@kditd #Neuland
Rainer B.
Hhmm! Wer alles genau diesen einen bild.de-Text aufgerufen hat, wird sich leider wohl auch mit den Zugriffsdaten kaum klären lassen. Immerhin weiß man jetzt schon soviel, dass der oder die Drohbriefschreiber sich ihre Impulse, Inspirationen und Textbausteine von bild.de geholt haben. An Julian Reichelts Stelle würde ich mich da jetzt nicht ausgerechnet auf den „Informantenschutz“ berufen. Das kann auch gewaltig nach hinten losgehen.
Bodo Eggert
@Rainer B. Erfahrungsgemäß beschränkt sich der Abruf aller Bild-Leserdaten eben nicht auf selbige.
danny schneider
@Rainer B. Mit etwas Glück hat die Polizei wie die Bundeswehr feste IP Blöcke, so das man das auf einen Polizeirechner zurück führen kann...