Neue Bewegungszeitschrift „Veto“: Ganz schön nah dran
Das Magazin aus Dresden versteht sich als Plattform für Engagierte. Welchen Mehrwert bietet dieser selbsternannte „Gutmenschen-Journalismus?“

Black Lives Matter und Hygienedemos, Versammlungsverbote und digitaler Klimastreik: Es ist der passende Frühsommer, um mit einem „Magazin für Protest und Verantwortung“ auf den Markt zu kommen. Veto heißt das 100-seitige Heft aus Dresden (Preis: sieben €), das aus einem Blogprojekt entstanden ist und nach erfolgreichem Crowdfunding vor Kurzem in den Druck gehen konnte. Eine Bühne für die Zivilgesellschaft im Land will das Magazin laut Editorial sein – wobei die eigene Verwurzelung im Aktivismus deutlich erkennbar bleibt.
Das Titelthema des Debüts ist die Klimakrise. Unter der Leitfrage „Wie radikal darf Protest sein?“ geht es auf den ersten 40 Seiten in den Hambacher Forst, an die Schnittstellen von Fridays for Future und Extinction Rebellion oder mit Ende Gelände zur Besetzung eines Leipziger Tagebaus.
Die Geschichten sind meist gut informiert und aufgeschrieben, ohne aber die jeweils besonders kniffligen Fragen anzupacken: Wohin mit den potenziell Tausenden Kohlearbeitslosen? Wie viel Erosionspotenzial steckt in den basisdemokratischen Gruppierungen? Was bedeutet es, wenn die junge Klimabewegung wie beschrieben weitgehend weiß und privilegiert ist? Es scheint, als wollten die Macher*innen eher ermutigen als kritisieren – „Gutmenschen-Journalismus“ nennen sie das auf ihrer Facebook-Seite.
Tom Waurig, gemeinsam mit Susanne Kailitz die Redaktion des Magazins, arbeitete zehn Jahre für die Bildungsinitiative Aktion Zivilcourage. Das von ihm gegründete Vereinsheft Couragiert war gewissermaßen der Vorgänger für Veto. Eine Publikation von Aktivisten für Aktivisten also? Das könne man schon so sagen, so Waurig gegenüber der taz: „Veto ist eine Form des Aktivismus, aber wir versuchen dabei, journalistische Standards einzuhalten, uns mit den Themen nicht gemein zu machen.“
Ganz dezente Rotationsbewegungen im Grab von Hajo Friedrichs mögen da trotzdem zu verzeichnen sein. Wenn Vertreterinnen von Greenpeace und „Sand im Getriebe“ über die Überwindung des Automobilismus diskutieren dürfen, ist das schon arg harmonisch. Dass eine Mitarbeiterin der Amadeu-Antonio-Stiftung porträtiert wird, wobei dieselbe Stiftung zu den Förderern des Hefts gehört, habe nichts miteinander zu tun, versichert Waurig auf Nachfrage.
Und schließlich macht dieses Magazin zum Start auch schon viel richtig: Die queerfeministische Musikerin Sookee und der Schwarze Gender-Aktivist Tarik Tesfu sind als Kolumnist*innen eine klare Ansage, das Doppelinterview mit ARD-Journalistin Anja Reschke und Kommunikationswissenschaftlerin Wiebke Loosen gehört auf die Leseliste aller Medieninteressierten. Und die Bilder von Benjamin Jenak stünden jedem Heft am Kiosk gut. Viermal im Jahr soll Veto dort fortan erscheinen, das nächste Mal am 30. Juni.
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