Neue BKA-Zahlen zu sexualisierter Gewalt: Für die Gefahren sensibilisieren
Steigende Zahlen zeigen: Kinder und Jugendliche sind nicht sicher vor Missbrauch. Eltern, Schulen und Sicherheitsbehörden sind gefordert.
M an ist ein wenig ratlos: Seit 2010 massenhafte Missbrauchsfälle vor allem in der katholischen Kirche öffentlich wurden, beschäftigen sich Polizei, Politik und Präventionseinrichtungen mehr denn je damit, sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen einzudämmen. Und dann zeigt das neue Lagebild des BKA nicht geringere Fallzahlen, sondern merklich gestiegene. Die haben zwar damit zu tun, dass Polizei und Justiz heute mehr Fälle ermitteln und verfolgen (können). Auch wegen größerer Sensibilität und gewachsener Anzeigebereitschaft in der Bevölkerung. Für die Gesellschaft ist Missbrauch längst keine Privatsache mehr, sondern ein grundsätzliches Problem und eines der schwersten Verbrechen überhaupt.
Wertet man das alles positiv, ist aus dem berühmten Dunkelfeld zu Teilen ein Hellfeld geworden. Trotzdem hatte man gehofft, dass die intensive und aufwendige Arbeit der Behörden von größerem Erfolg gekrönt ist. Aber so ist es eben nicht. Und so sind die nach wie vor hohen Zahlen – trotz besserer Aufklärungsrate – ein Beweis dafür, dass ein Großteil der Kinder und Jugendlichen hierzulande nicht sicher ist vor sexueller Gewalt.
Das Fatale daran ist – auch das zeigen die BKA-Zahlen – dass es vor allem Männer aus dem Umfeld der Betroffenen sind, die ihre Machtposition gegenüber den Jüngeren und Schwächeren perfide ausnutzen. Hinzu kommt der digitale Fortschritt, der fremden Tätern massiv in die Hände spielt. Heute ist es kinderleicht, zu Hause pornografisches Material zu produzieren, zu vervielfältigen und zu vertreiben.
Ebenso leicht ist es, im Netz auf die Suche nach ahnungs- und wehrlosen minderjährigen Opfern zu gehen. Wie sollen junge Menschen erkennen, dass sich hinter der Person, die sich da als potenzielle Freundin ausgibt, jemand ganz anderes verbirgt? Eltern können und sollten das digitale Verhalten ihrer Kinder nicht komplett kontrollieren. Aber sie müssen sie vorbereiten auf mögliche Gefahren in der digitalen Welt – so wie auch Schule und andere Bildungseinrichtungen hier stärker gefordert sind.
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