Neue Außenministerin in Großbritannien: Die Rebellin
Liz Truss hat was gegen links. Großbritanniens Konservative handeln sie als künftige Premierministerin.
Bereits ihr Studium in Philosophie, Politik und Wirtschaft in Oxford sei ein Schritt gegen die Verhöhnung des angeblich Elitären gewesen. Truss wurde dort studentische Vorsitzende der Liberaldemokrat*innen und verstand dies als Aufstand gegen Klischees vom dreckigen Geld und gegen politische Korrektheit, wie sie der BBC erzählte.
Doch die liberaldemokratische Haltung pro Euro und die Steuerpolitik der Partei ließen sich mit ihrem wachsenden Glauben an die freie Marktwirtschaft bald nicht mehr vereinbaren. Auf Gleichdenkende und auch ihren zukünftigen Ehemann Hugh O’Leary stieß sie schließlich bei den Konservativen.
Eine Anstellung bei Shell schien ihr nächster Tritt gegen die Welt ihrer Eltern darzustellen. Bald wurde sie Geschäftsführerin der libertären Denkfabrik Reform und konservative Stadträtin in Greenwich. 2010 schaffte sie schließlich den Einzug ins britische Unterhaus für den ostenglischen Sitz Südwestnorfolk.
Unter den Konservativen populärstes Kabinettsmitglied
Zwei Jahre später wurde sie Familienministerin. In den nächsten Regierungen diente sie als Ministerin für Landwirtschaft, Justiz, Finanzen, Gleichberechtigung und, bis letzte Woche, als Handelsministerin. Als erfahrenstes und unter den Konservativen populärstes Kabinettsmitglied wird sie bereits als zukünftige Premierministerin gehandelt.
Beim Brexit-Referendum auf der Remain-Seite stehend, führte sie als Handelsministerin eine offene Handelspolitik eines global orientierten Großbritanniens, konträr zur ihrer Meinung nach „protektionistischen EU“. Als Außenministerin wird sie weiter die Zusammenarbeit mit den USA und Indien suchen und einen britischen Beitritt zum transpazifischen Handelsabkommen CPTPP anstreben.
Den gegenseitigen Handel, darunter den Export britischer Finanzdienstleistungen und von Qualitätsprodukten, versteht sie nicht nur als strategische außenpolitische Verhandlungsmasse, sondern auch als bessere Alternative zur Entwicklungshilfe. Vor Waffenhandel hat sie keine Scheu, wie das Aukus-Abkommen, aber auch Exporte an Saudi-Arabien zeigen.
Ihrer eigenen Einschätzung nach ist Truss keine Diplomatin. Nach ihrer bisher unverhohlenen Kritik an China sind viele nun auf ihre Kontakte zur Volksrepublik gespannt. Auch gegenüber Boris Johnson scheut sie klare Worte nicht – zuletzt mit ihrer Kritik an der Erhöhung von Sozialversicherungsbeiträgen. Truss ist Mutter zweier Töchter, denen sie die Namen Liberty und Frances gab.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Die Wahrheit
Glückliches Jahr