Folge des Brexit: EU-Güter vorerst ohne Kontrollen
Großbritannien verzögert erneut die Grenzkontrollen für EU-Importe. Sonst hätte Gefahr für das Weihnachtsgeschäft bestanden.
LONDON taz | „Holt euch die Kontrolle zurück“, so lautete der Aufruf zum Ausstieg aus der EU vor dem Brexit-Referendum. Doch an den Grenzen des Vereinigten Königreichs mangelt es derzeit immer noch an derartiger Kontrolle. Am Dienstag erklärte Brexit-Minister David Frost, dass neue, für Oktober vorgesehene formelle Einfuhrregeln für EU-Agrarprodukte nun auf Januar 2022 verschoben würden. Neue Exportlizenzen und die eigentliche Überprüfung von Gütern seien sogar erst im Juli 2022 fällig.
Es handele sich dabei um „pragmatische Verschiebungen“, damit die Lage britischer Unternehmen, die auf EU-Produkte angewiesen sind, nicht weiter gefährdet werde. Insbesondere wolle die britische Regierung dem Weihnachtsgeschäft keine weiteren Hindernisse in den Weg stellen.
Der Bau der notwendigen Infrastruktur und die Rekrutierung zusätzlicher Einsatzkräfte an den Grenzübergängen verliefen jedoch planmäßig, hieß es in einer Erklärung weiter. Dabei wurden auch die Pandemie und die wachsenden Kosten im globalen Gütertransport als Gründe für die Verschiebung genannt.
Für britische Exporte in die EU bestehen seit dem 1. Januar, dem Ende der Brexit-Übergangsphase, aufwendige Einfuhrregeln und Kontrollen. Sie führten am Jahresanfang zu Chaos an den Grenzen. Sowohl die britische Handelskammer als auch der britische Industrieverband CBI begrüßten die Schritte, doch die Vereinigung britischer Getränke- und Lebensmittelunternehmen moniert, dass diese Verzögerungen EU-Produkten einen unfairen Handelsvorteil geben würden.
Britische Wirtschaft erholt sich
Das kritisiert auch die Gewerkschaft britischer Landwirt*innen NFU. Sie fordert einheitliche Wettbewerbsbedingungen zwischen der EU und Großbritannien, damit die Ein- und Ausfuhr von Produkten „pragmatisch und angemessen“ ablaufen könne.
Generell geht es der britischen Wirtschaft mit einer Erholung der Erwerbstätigkeit auf das Level vor der Pandemie wieder besser; dennoch ist mit einer gestiegenen Inflationsrate von 3,2 Prozent Vorsicht geboten. Probleme bereitet zudem der durch den Brexit verstärkte Mangel an Lkw-Fahrer*innen.
Leser*innenkommentare
jox
> Probleme bereitet zudem der durch den Brexit verstärkte Mangel an Lkw-Fahrer*innen.
Nicht nur der: Die ganze Kette von Obst- und Gemüseanbau, Erntearbeit, Lieferung, Handel leidet unter einem Mangel an Arbeitskräften. Denn viele EU Bürger unter ihnen, nicht weniger aus Osteuropa, sind nach Hause gegangen, und haben festgestellt, dass die Löhne in ihrer alten Heimat inzwischen attraktiver sind.
Übrigens könnte Deutschland das Problem auch bekommen. Beispielsweise im Gesundheitswesen arbeitet ein immer größerer Teil von ImmigrantInnen. Eigentlich kein Problem, aber - wie in den Schlachtbetrieben - ein ziemlich sicherer Indikator für schlechte Löhne und Arbeitsbedingungen. Wenn die sich mal in größerer Zahl umentscheiden, wird es sehr schwer werden, ausreichend geschultes Personal zu bekommen.