piwik no script img

Neubau am Neuen PferdemarktBüroklotz statt Biryani

Am Neuen Pferdemarkt auf St. Pauli soll ein Restaurant dem umstrittenen sechsstöckigen Bürokomplex Pauli-Haus weichen.

Hier könnte die Küche bald kalt sein: das Restaurant „Maharaja“ auf St. Pauli Foto: Miguel Ferraz

Hamburg taz | „Speisen für Körper und Geist nach jahrtausendalten ayurvedischen Rezepten“ – das ist das Konzept des „Maharaja“. Im November 2016 eröffnete Kathrin Guthmann das Restaurant neben der Rindermarkthalle gemeinsam mit ihrem Ehemann. 20 Jahre lang führten sie es zuvor in der Detlev-Bremer-Straße auf St. Pauli. Jetzt soll das Gebäude an der Ecke Budapester Straße/Neuer Kamp abgerissen werden.

Eine Baugemeinschaft aus vier Hamburger Unternehmen – das Stadtentwicklungsunternehmen Steg, die Argus Stadt und Verkehr Partnerschaft, die Agentur Pahnke Markenmacherei sowie das Immobilienunternehmen Hamburg Team – will auf dem 3.600 Quadratmeter großen Grundstück ein sechsstöckiges Haus mit Büros errichten. Im Viertel ist das Projekt unbeliebt. An Bäumen und Fassaden hängen Transparente mit der Aufschrift „Kein Pauli-Haus!“ Viele Menschen im Stadtteil haben das Gefühl, ein riesiger Bürokomplex sei das Letzte, was das Viertel braucht.

An der Budapester Straße angekommen, stieg Guthmann in ein Mietverhältnis ein. Ein bestehender Vertrag wurde also um einen individuellen Nachtrag erweitert. 500.000 Euro habe sie damals für Ablöse und Renovierung aufgewendet und auf einen verlässlichen Vertragspartner gehofft. Der Haken: Wie im Vertrag festgehalten, ist die Immobilie „planungsbefangen“.

Was das genau bedeutet, habe keiner gewusst, sagt Guthmann. Auch die Vertragspartnerin, die Sprinkenhof GmbH, behauptet, sie sei nicht im Bilde gewesen: „Planungsbefangen heißt nur: Das ist ein Grundstück, mit dem mal was passieren soll. Vielleicht“, erklärt Sprecher Lars Vieten.

Rechtsstreit mit der Stadt

Sprinkenhof verwaltet die Immobilie für die Stadt Hamburg und liegt mit Guthmann im Rechtsstreit. Die Planungsbefangenheit ermöglichte es der GmbH, vom Sonderkündigungsrecht Gebrauch zu machen und so die Bahn freizumachen für das Pauli-Haus. Dies sei nach Vorgabe der Stadt geschehen, sagt Vieten.

Guthmann findet, da das Wort „planungsbefangen“ sehr vage sei, hätte man sie bei Vertragsabschluss darüber in Kenntnis setzen müssen, dass konkrete Baupläne für die nahe Zukunft bestehen. Dies sei aber nicht geschehen.

Ursprünglich hätte Guthmann noch bis 2022 am Standort bleiben können. Sie habe darauf gehofft, dass der Vertrag danach verlängert wird. Dass sie jetzt wahrscheinlich zum nächsten Jahr schon raus muss, ist für sie eine Katastrophe: „Wir verlieren unseren Standort und sehr viel Geld. Meine indischen Köche muss ich zurückschicken nach Indien. Sie sind nur auf einem Arbeitsvisum hier“, sagt Guthmann. Auch ihre anderen 25 MitarbeiterInnen könnte sie dann nicht mehr beschäftigen.

Auf Anfrage an die Eigentümerin, die Finanzbehörde, sagt deren Sprecher Claas Ricker, Frau Guthmann sei in Kenntnis gesetzt worden. Weitere Informationen zu Vertragsinhalten könne er nicht zur Verfügung stellen.

Die Baugemeinschaft bot Guthmann zwar im neuen Gebäude eine Fläche für ihr Restaurant an. Weil die Fläche „unberührt“ gewesen wäre, hätte sie aber noch einmal 500.000 Euro in die Ausstattung investieren müssen, sagt Guthmann. Das sei für sie keine Option gewesen. Außerdem sei die ihr angebotene Fläche rund viermal kleiner als in den aktuellen Räumen des „Maharaja“.

Schmerzensgeld oder Entschädigung?

Regine Jorzick, Sprecherin von Hamburg Team, streitet das allerdings ab. Man habe Frau Guthmann vielmehr eine Fläche angeboten, die rund Dreiviertel des aktuellen Raumes umfasse. „Für Lagerräume, die wir ihr im selben Volumen wie gehabt nicht anbieten konnten, wurde noch nach einer Lösung gesucht, als Frau Guthmann die Gespräche abbrach“, sagt Jorzick.

Guthmann sagt, dass die Angebote seitens der Baugemeinschaft für sie nicht annehmbar gewesen seien. Als Alternative seien ihr 75.000 Euro angeboten worden, um den Standort zu räumen. Deutlich zu wenig, findet Guthmann: „Was mir angeboten wird, ist nur ein Schmerzensgeld, keine Entschädigung.“ Sie benötige eine deutlich höhere Geldsumme oder eine alternative Fläche auf St. Pauli, um ihr Geschäft fortführen zu können.

Ansonsten sieht sie keinen anderen Weg, als auf ihre Vertragslaufzeit zu bestehen: „Dann blieben mir noch 2,5 Jahre Zeit, in der ich mir das zurückerarbeiten kann, was ich investiert habe und in der ich eine alternative Fläche suchen kann.“ Hamburg Team will sich zu einem Entschädigungsgeld nicht äußern, solange das Gerichtsverfahren läuft.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!