Nebenjobs von EU-Politikern: CDU sperrt sich gegen Transparenz
Auch im EU-Parlament verzögern deutsche Christdemokraten eine neue Kontrollinstanz. Davon profitiert offenbar Ex-Kommissar Oettinger.
Oettinger ist Ende 2019 aus der Brüsseler Behörde ausgeschieden. Seither habe er nicht weniger als 14 Nebenjobs angenommen, sagt der grüne Europaabgeordnete Daniel Freund. Auf einer Website der EU-Kommission sind die Kunden verzeichnet. Dazu zählen die Donner und Reuschel AG, Deloitte, Herrenknecht und Oettinger Consulting – eine eigens gegründete Beratungs-Firma in Hamburg.
Die EU-Kommission, die seit Oettingers Abgang von der CDU-Politikerin Ursula von der Leyen geführt wird, hat diese Jobs genehmigt. Dabei gilt eigentlich eine zweijährige „Abkühlphase“, in der frühere EU-Kommissare keine professionellen Tätigkeiten ausüben sollen, bei denen sie von ihren lukrativen EU-Kontakten profitieren. So will man mögliche Interessenkonflikte vermeiden.
Dass von der Leyen ihren Parteifreund Oettinger gewähren lässt – wenn auch mit Auflagen – sehen viele in Brüssel mit Unbehagen. „Die Auflagen sind nicht nachprüfbar“, kritisiert Freund. Niemand könne überprüfen, ob Oettinger bei der Beratung seiner Kunden nicht doch in sein dickes Adressbuch schaue. Die EU-Kommission übersehe auch den „kumulativen Effekt“ der vielen Nebentätigkeiten.
Aus der Kommission ins Consulting-Business
Der Fall Oettinger ist aber nicht das einzige Problem. Auch andere ehemalige EU-Kommissare wie Violetta Bulc oder Karmenu Vella arbeiten als Berater. Nun ist auch noch ein Streit um die Frage entbrannt, wie die Aufsicht besser organisiert und der Lobbyismus eingedämmt werden kann. Dafür soll ein neues unabhängiges Kontrollgremium geschaffen werden, das die EU-Kommission entlastet.
Für einen solchen „Ethics Body“ hatte sich von der Leyen bei ihrer Wahl Ende 2019 ausgesprochen. Auch der Chef der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), war damals dafür. Doch nun scheinen die deutschen Christdemokraten ihr Wahl-Versprechen vergessen zu haben. Im Europaparlament, wo die Vorarbeiten begonnen haben, stehen sie auf der Bremse.
Dies zeigt der Entwurf für einen Parlamentsbericht, in dem es um „Transparenz und Integrität der EU-Institutionen“ und die Schaffung eines „Ethics Body“ geht. Die CDU habe zahlreiche Änderungsvorschläge eingebracht, die den Entwurf verwässern, klagt der Grünenpolitiker Freund, der für den Bericht zuständig ist. „Mich erinnert das an das Vorgehen der CDU im Bundestag beim Lobbyregister“, sagte er der taz.
Noch viel zu tun
Der für die Konservativen zuständige Schattenberichterstatter Rainer Wieland (CDU) wollte sich auf Nachfrage nicht äußern. Man sei noch „in der Konsultierungsphase“. Der Entwurf könnte sich also noch ändern, erst im Juni soll der Bericht im Verfassungsausschuss des EU-Parlaments verabschiedet werden.
Doch was bisher auf dem Tisch liege, „bleibt hinter dem Nötigen zurück“, kritisiert Freund. Die CDU müsse den Weg frei machen und ihre Versprechen einlösen. „Wenn der Eindruck entsteht, Politiker*innen oder Gesetze seien käuflich, hinterlässt das enormen Schaden für das Vertrauen in die Demokratie“, fügt Freund hinzu.
In Berlin ist dieser Schaden bereits eingetreten. Brüssel steht bisher besser da. Im Europaparlament gibt es seit Jahren ein vorbildliches Lobbyregister. Der Streit um die Nebenjobs von Oettinger und anderen früheren EU-Kommissaren zeigt jedoch, dass noch viel zu tun bleibt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen