Nazisymbole und rechte Sticker an Unis: Sie kleben dir eins
Auch das galt mal als linke Bastion: die Verbreitung politischer Inhalte durch Sticker, Graffiti, Slogans. An Unis vermehren sich rechte Aufkleber.
Etwa zur gleichen Zeit klebt auf einer nahe gelegenen Bushaltestelle eine Schwarze Sonne. Das Symbol, ein zwölfarmiges Hakenkreuz, ist seit den 1990er-Jahren Erkennungssymbol der Neonaziszene. Unappetitlich ist auch ein Schriftzug, den die Studierenden im Januar dieses Jahres innerhalb eines Gebäudes der Universität fotografierten. „Linkes Gezeter=Neun Millimeter“ ist auf einer Wand zu lesen. Ein Gewaltaufruf gegen Linke.
Untätig bleibt die Uni Wuppertal nicht. Im August letzten Jahres schmierten Unbekannte auf Treppen zum Campus zwei unübersehbare Hakenkreuze auf den Boden. Die Universität ließ sie entfernen und stellte Anzeige gegen unbekannt. Doch für die Studis gegen rechts und das BIPoC-Referat sind die Maßnahmen der Bergischen Universität nicht weitreichend genug. Sie wünschen sich eine öffentliche Auseinandersetzung und dass die Uni die rechtsextremen Symbole auf dem Campus klar verurteilt.
Allein ist die Uni Wuppertal mit dem Problem nicht. Etwa in Trier, Lüneburg, Leipzig und im sächsischen Freiberg beobachten Ortsgruppen der Studis gegen rechts, dass rechtsextreme Aufkleber am Campus mehr werden. Studierende an der Uni Potsdam berichten gar von einer zunehmenden Bedrohung durch Rechtsextreme im Uni-Alltag. Doch welche Maßnahmen können Universitäten ergreifen?
Monitoringstelle
Reaktionen auf vergleichbare Problemlagen unterscheiden sich von Universität zu Universität. So hat etwa die Brandenburgische Universität Cottbus-Senftenberg im Jahr 2022 das „Handlungskonzept gegen (extrem) rechte Einflussnahme am Campus“ verabschiedet. Auch gibt es dort eine Monitoringstelle für Fälle von Diskriminierung und rechter Gewalt. An der Uni Potsdam gründete sich als Reaktion auf rassistische, queerfeindliche und rechtspropagandistische Vorfälle die Arbeitsgruppe gegen Rechtsextremismus. Ihr Ziel ist unter anderem die Entwicklung von Richtlinien gegen extrem Rechte und strukturelle Diskriminierung am Campus.
An der Ruhr-Uni Bochum (RUB) reagiert man auf rechte Aufkleber am Campus mit einem Instagram-Post. Isolde Karle, Prorektorin für Diversität, Inklusion und Talententwicklung der RUB warnt im Post vor rechtsradikalen Jugendorganisationen und einer Verschiebung des Sagbaren nach rechts. Gegen den „schleichenden Rechtsruck unserer Gesellschaft“ seien auch Unis nicht immun, heißt es im Instagram-Post.
Auch in der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) wurde die Frage nach dem Umgang mit Rechtsextremismus am Campus diskutiert. Doch die Antwort bleibt vage: HRK-Präsident Walter Rosenthal betont auf taz-Nachfrage, dass sich die in der HRK zusammengeschlossenen Hochschulleiter:innen dazu ausgesprochen haben, dass sich Hochschulleitungen dafür einsetzen, dass sich alle Mitglieder der Hochschule auf dem Campus sicher fühlen und ein „Klima der Toleranz“ herrsche. Außerdem habe die HRK dazu angehalten, Ausgrenzung, Diskriminierung und Hassrede zu ächten. Doch was folgt daraus konkret in der Praxis?
Anlaufstellen für Betroffene
Auch die Uni Wuppertal unterstützt die Positionierung der HRK, heißt es in der Antwort auf eine taz-Nachfrage. Birgitta Wolff, Rektorin an der Bergischen Universität, betonte, man sei „froh, dass es bislang nur relativ wenige Fälle rechtsradikaler Schmierereien gab“. Doch jeder sei einer zu viel. Neben verschiedenen anderen Maßnahmen werde die Uni ihre Antidiskriminierungsrichtlinie zukünftig bekannter machen, so Wolff. Anlaufstellen für Betroffene von Diskriminierung gibt es an der Uni.
Auf der Website der Uni stößt man zudem auf ein öffentliches Statement. Darin heißt es, die Uni Wuppertal unterstützte das Statement des „Netzwerk Antidiskriminierung an Hochschulen“. Das Netzwerk, ein bundesweiter Zusammenschluss aus der Antidiskriminierungsberatung an Hochschulen, hatte vor den Bundestagswahlen vor der Gefahr von rechts gewarnt und Hochschulen aufgefordert, sich aktiv an dem Erhalt demokratischer Werte zu beteiligen. Antidiskriminierungsarbeit müsse ausgebaut und Wissenschaft vor extrem rechter Einflussnahme geschützt werden.
Im Statement der Bergischen Universität steht zudem, dass sich diese gegen jede Form von Diskriminierung und Rechtsradikalismus ausspricht. Die Uni trete für eine „Kultur der Aufmerksamkeit und des Hinschauens“ ein, heißt es weiter. Einer „Tabuisierung“ trete die Uni Wuppertal entgegen.
Mentalität des Vorbeilaufens
Die rechtsextremen Schmierereien und Aufkleber am Campus finden indes keine Erwähnung. „Die Uni müsste eigentlich öffentlichkeitswirksam auf das Problem aufmerksam machen“, sagt die Sprecherin der Studis gegen rechts Wuppertal. Nur wenn das Problem beim Namen genannt werde, so die Sprecherin, könne man einer Normalisierung rechtsextremer Parolen auf dem Campus etwas entgegensetzen. Andernfalls fördere die Uni „jedoch eher eine Mentalität des Vorbeilaufens und einer Tabuisierung“.
Es fehle an „klaren Leitlinien für Universitäten zum Umgang mit rechtsextremer Einflussnahme am Campus“, sagt Christina Brüning, Professorin für Didaktik der Geschichte an der Uni Marburg. Gemeinsam mit Christoph Haker (Universität Flensburg) leitet sie das vom BMBF geförderte Verbundprojekt „Rechtsextremismus in Wissenschaft und an Hochschulen begegnen“. Im Projekt wird der Umgang von Hochschulen mit rechtsextremen Tendenzen erforscht, um anschließend Handlungsmöglichkeiten zu erarbeiten.
Doch das Problem dränge: „Wir beobachten seit einigen Jahren, dass Rechtsextreme versuchen, sich in der Wissenschaft zu etablieren.“ Universitäten müssten sich dem entschieden entgegenstellen. „Universitäten dürfen kein Biotop für Nazis werden“, so Brüning weiter. Rechtsextreme Einflussnahme am Campus müsse klar benannt und scharf verurteilt werden. Allerdings stehe die Sorge vor Imageschäden manchen Universitäten dabei mitunter im Weg, mutmaßt sie. Eine fehlende öffentliche Auseinandersetzung könne jedoch schwerwiegendere Folgen nach sich ziehen. Insbesondere bestehe die Gefahr, dass Universitäten für Betroffene zunehmend zu Angsträumen werden.
Die Sorge teilt auch eine Sprecherin des BIPoC-Referats (Black People, Indigenous People and People of Colour) der Uni Wuppertal. Mitte Februar dieses Jahres traf es auch Werbeplakate für eine von ihnen geplante Lesung. Mutlu Koçak und Çetin Gültekin, Bruder des am 19. Februar 2019 in Hanau durch einen Rechtsterroristen ermordeten Gökhan Gültekin, lasen aus ihrem Buch „Geboren, aufgewachsen und ermordet in Deutschland“. Auf den Plakaten wurde das von Gökhan Gültekin abgebildete Gesicht durchgestrichen.
Auf einem weiteren schrieben Unbekannte den Namen des islamistischen Attentäters vom Anschlag im Jahr 2016 auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidtplatz. Rechter Terror soll damit relativiert und verharmlost werden. „Es wäre ein starkes Zeichen von der Uni Wuppertal, wenn sie deutlich mache, dass solche rechtsextremen Vorfälle auf dem Gelände nicht geduldet werden“, sagt eine Sprecherin des BIPoC-Referats der Uni Wuppertal der taz. Ein Mitglied des Referats zeigte den Vorfall bei der Polizei an. Auch die Polizei verortet den Vorfall im rechten Spektrum, heißt es auf Nachfrage der taz.
Ein guter Anfang
„Ein Instagram-Post, wie es die Uni Bochum gemacht hat, wäre schon mal ein guter Anfang“, sagt die Sprecherin der Studis gegen rechts Wuppertal. Mit einem Statement über ein soziales Medium wie Instagram könne man wesentlich mehr Studierende erreichen als mit einem Statement, nach dem man auf der Website erst mal suchen muss, so die Sprecherin. Sie hofft, dass sich ihre Uni zukünftig deutlicher gegen die rechtsextremen Einflussnahme-Versuche durch Aufkleber und Symboliken am Campus positioniert und diese verurteilt. „Es ist Aufgabe der Unileitung, die Studierenden vor rechtsextremen Angriffen zu schützen“, so die Sprecherin. „Halbherziges Hinschauen“ sei da nicht ausreichend.
Die Studis gegen rechts wollen die öffentliche Auseinandersetzung über die rechtsextremen Aufkleber und Schriftzüge an ihrer Uni erst einmal selbst in die Hand nehmen. Für das kommende Semester planen die Studis gegen rechts zusammen mit Gastprofessor Kolja Lindner, Professor für politische Theorie, eine Veranstaltungsreihe.
Eine Fotoausstellung soll dafür der Auftakt sein. In dieser sollen die rechtsextremen Schmierereien sichtbar gemacht werden. Geplant sind zudem Veranstaltungen zu Antifeminismus, Rassismus und der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung. Man wolle das kommende Semester „ins Zeichen des Antifaschismus stellen“, so Lindner zur taz. „Nur wenn die Schmierereien als Ausdruck gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit offensiv thematisiert werden, besteht die Möglichkeit, dass sich solche Vorfälle nicht wiederholen“, so Lindner.
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