Nazis ohne Obdach: NPD-Treff in Rudow enttarnt
Monatelang trafen sich Rechte an einem geheimen Ort, monatelang schwiegen sich Sicherheitsbehörden darüber aus. Nun verrät ihn ausgerechnet die NPD.
Der kleine Gewerbehof könnte kaum weiter abseits liegen. Ganz im Süden Rudows, am Ende einer schmalen Straße, stehen die unscheinbaren Flachbauten, nur wenige Schritte von der Grenze zu Brandenburg entfernt. In einem der Gebäude sollen sich monatelang Neonazis getroffen haben. Und monatelang hielten es Sicherheitsbehörden geheim.
Das ist nun vorbei. Ausgerechnet die NPD machte den Treff indirekt bekannt. In einer Wahlauswertung bedankte sich deren Neuköllner Bezirksverband auf seiner Internetseite nicht nur bei seinen Wählern, sondern auch bei einer Rudower Familie „für die Bereitstellung des Jugendzentrums“. Die Familie ist Eigentümerin des Gewerbehofs.
Im Mai hatte Innenstaatssekretär Bernd Krömer (CDU) auf eine Grünen-Anfrage hin bekanntgegeben, dass es in Rudow ein rechtsextremes „Jugendzentrum“ gibt. Die Adresse nannte er nicht, auch Polizei und Verfassungsschutz schwiegen dazu. Auch jetzt wollte sich die Polizei nicht äußern. Es sei zu befürchten, dass der Vermieter Angriffen ausgesetzt sein könnte, sagte ein Sprecher.
Nach taz-Informationen befand sich der Neonazi-Treff aber genau auf jenem Gewerbehof. Rund ein Jahr lang sollen sich dort etwa 20 Neonazis getroffen haben. Inzwischen ist der Treff gekündigt und soll nicht mehr genutzt werden. Brisant: Der Hof liegt keine vier Kilometer vom Asylbewerberheim Waßmannsdorf entfernt. Dort hatten Unbekannte im Oktober 2012 Scheiben eingeworfen und Türen eingeschlagen, an der Fassade hinterliessen sie ein Hakenkreuz und den Schriftzug „Rostock ist überall“.
Der Vermieter war am Dienstag nicht zu erreichen. Sein Sohn sagte, es würden sich „alle möglichen Leute“ auf dem Hof treffen. Seien Nazis darunter gewesen, seien sie nicht zu erkennen gewesen. In der Nachbarschaft heißt es dagegen, es habe schon länger „Gerüchte über Nazis“ gegeben. Berichtet wird auch von regelmäßigen Polizeieinsätzen am Hof.
Der Neuköllner NPD-Sprecher Sebastian Thom behauptete, der Mietvertrag sei "einvernehmlich" ausgelaufen. Man habe kein Interesse an einer Weiternutzung gehabt: Das Gebäude sei zu abgelegen und ohne Heizung. Den öffentlichen Dank begründete Thom damit, dass der Vermieter über Monate „trotz Drucks durch die Polizei standhaft geblieben“ sei und nicht gekündigt habe. Nun sei man auf der Suche nach einer neuen Bleibe.
Neuköllner Anti-Rechts-Initiativen hatten die Geheimhaltung des Treffs in einem offenen Brief an Polizeipräsident Klaus Kandt als „Schlag ins Gesicht“ bezeichnet. Die Behörden hätten so dafür gesorgt, dass sich Rechtsextreme vor Ort etablieren konnten.
Matthias Müller von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus begrüßte, dass der Ort nun öffentlich sei. Es habe aber einen „bitteren Beigeschmack“, dass die Information ausgerechnet von der NPD komme: „Spätestens nach der Kündigung hätte die Polizei über den Treff informieren müssen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Merz stellt Reform in Aussicht
Zarte Bewegung bei der Schuldenbremse
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“