Naturschutz in Bayern: Es werde Nationalpark

Ein Jahr lang suchte Bayerns Regierung einen neuen Nationalpark. Dagegen wurde fleißig demonstriert. Am Dienstag soll es ein Ergebnis geben.

Ein Flussuferbereich im Winter

Die Donauauen (hier im Winter) liegen Horst Seehofer offenbar sehr am Herzen Foto: imoago/imagebroker

MÜNCHEN taz | Eine der größten Attraktionen der Rhön ist noch nicht einmal drei Millimeter lang. Ihr Name: Bythinella compressa oder zu Deutsch: Rhön-Quellschnecke. Sie schimmert gelblich-grau, lebt im Wasser und ist vor allem eines: selten. Sie steht nicht nur als stark gefährdete Art auf der Roten Liste, sondern ist auch noch endemisch, das heißt: Sie kommt ausschließlich in den Wäldern der Rhön und im Vogelsberg vor.

Die seltene Rhön-Bewohnerin ist selbstverständlich nicht der Hauptgrund, weshalb das Mittelgebirge als heißer Anwärter für den dritten bayerischen Nationalpark gilt. Seit einem Jahr ist die bayerische Staatsregierung auf der Suche nach einem geeigneten Ort. Ende Juli 2016 hatte Ministerpräsident Horst Seehofer bei einer Kabinettsklausur verkündet: Es werde Nationalpark. Der Freistaat solle einen dritten Nationalpark bekommen, neben dem Bayerischen Wald und Berchtesgaden.

Bloß wo? Innerhalb eines Jahres, so hieß es, werde Umweltministerin Ulrike Scharf einen Vorschlag vorlegen. Am Dienstag soll es so weit sein: Da will das bayerische Kabinett beschließen, welche Region den besonderen Status erhält. Möglicherweise wird der endgültige Beschluss aufgeschoben, um die Sondierungsgespräche mit zwei Regionen fortzusetzen. Laut Süddeutscher Zeitunggab es intern auch schon eine entsprechende Entscheidung: Neben der Rhön sollen die Donauauen, ein persönlicher Favorit Seehofers, weiter im Rennen bleiben.

Prestigeprojekt der CSU-Regierung

Der dritte Nationalpark ist ein Prestigeprojekt der CSU-geführten Staatsregierung, die zeigen will, wie ernst sie den Naturschutz nimmt. Andere Großprojekte wie die dritte Startbahn für den Münchner Flughafen oder die Skischaukel am Riedberger Horn sprechen derzeit eher eine andere Sprache. Ein Umstand, der die Naturschutzverbände in ein Dilemma bringt: Natürlich wollen sie keine Wahlkampfhilfe für die CSU leisten. Aber die Chance auf einen weiteren Nationalpark will man auch nicht vergeben.

Ausgerechnet ein CSU-Mann übt die deutlichste Kritik an seiner Partei: der Bundestagsabgeordnete Josef Göppel. Im Bayerischen Rundfunk spricht Göppel von einem Ablenkungsmanöver. Während alles auf den neuen Nationalpark schaut, würde das übrige Land zubetoniert.

Hintergrund ist der Landesentwicklungsplan von Heimatminister Markus Söder, der Gewerbeansiedlungen auf der grünen Wiese und Bauland am Ortsrand erleichtert. Neben der Rhön und den Donauauen sind vor allem noch der Spessart und der Frankenwald im Gespräch. Viele Experten halten zwar den fränkischen Steigerwald mit seinem eindrucksvollen Buchenbestand für den überzeugendsten Kandidaten, doch just den hatte Seehofer als einzige Region kategorisch ausgeschlossen.

So werden es kaum fachliche Kriterien sein, die für die Entscheidung den Ausschlag geben werden, sondern der Weg des geringsten Widerstands für die Landesregierung

Als Grund gab er den massiven Widerstand der Bevölkerung vor Ort an, die etwa Einbußen in der Holzwirtschaft fürchtet. Als Anführer gilt Gerhard Eck, Innenstaatssekretär und außerdem Chef der Unterfranken-CSU.

Den Widerstand bekam Ministerin Scharf bei ihren Besuchen zu spüren. Trillerpfeifen und Transparente – überall gehen die Anwohner auf die Barrikaden. So werden es kaum fachliche Kriterien sein, die für die Entscheidung den Ausschlag geben werden, sondern der Weg des geringsten Widerstands für die Landesregierung. Im Umweltministerium dürfte mit Interesse registriert worden sein, dass es eine Anwohnerin gibt, die sich bislang auffallend ruhig verhält: die Rhön-Quellschnecke.

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