Nato zu Ukrainekrieg: Die Risse werden deutlich
Beim Krisentreffen stößt Polens Vorschlag einer Nato-„Friedensmission“ auf Ablehnung. Generalsekretär Stoltenberg macht einen brisanten Vorstoß.
Dieser Verstoß, der offenbar nicht mit der Allianz abgesprochen war, hat die Verteidigungsminister kalt erwischt. Bei ihrem Treffen in Brüssel wollten sie über Abschreckung und Verteidigung sprechen – und alles dafür tun, dass die Nato nicht in den Krieg mit Russland hineingezogen wird. Denn dies könnte einen dritten Weltkrieg auslösen, wie Nato-Diplomaten immer wieder betonen. Eine militärische „Friedensmission“ passt da nicht ins Konzept.
Entsprechend kühl wurde der polnische Versuchsballon in Brüssel aufgenommen. „Eine Friedensmission ist schwierig, solange der Krieg noch anhält“, sagte die niederländische Verteidigungsministerin Kajsa Ollongren. Erst nach einem Waffenstillstand könne man über den Plan reden. Skeptisch zeigten sich auch Estland und Großbritannien.
Ein klares Nein kam aus Deutschland. „Keinerlei Nato-Personal, keine Nato-Soldaten außerhalb der Nato oder in die Ukraine schicken“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittwoch in Berlin. Bundeskanzler Scholz halte an dieser „roten Linie“ fest. Die „Friedensmission“ ist damit gestorben, denn die Nato handelt im Konsens.
Stoltenberg sorgt für Stirnrunzeln
Für Stirnrunzeln sorgte auch ein Vorstoß von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Er legte den Ministern brisante Vorschläge zur dauerhaften Verstärkung der Ostflanke vor, die offenbar gegen die Nato-Russland-Grundakte von 1997 verstoßen. Darin hat sich das Bündnis verpflichtet, auf die dauerhafte Stationierung „substanzieller Kampftruppen“ in Osteuropa zu verzichten.
Doch damit soll Schluss sein. Die Alliierten verlegen mehr Truppen an die Ostflanke – und könnten die Einheiten nach Kriegsende dort belassen. Stoltenbergs Plan, der als geheim eingestuft wurde, deutet in diese Richtung. Auch wenn zunächst keine Details bekannt wurden, lässt er sich als Bruch mit der Nato-Linie und als Kampferklärung an Russland lesen.
Angesichts der politischen und militärischen Brisanz müssen nun die Chefs ran – kommende Woche ist ein Nato-Sondergipfel mit US-Präsident Joe Biden geplant. Dort wollen die Alliierten auch über die laufenden Verhandlungen über einen Waffenstillstand und ihre Ukrainestrategie reden. Der Gesprächsbedarf ist groß, denn bisher läuft es nicht im Sinne der Nato. Selbst der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski ist nicht mehr auf Linie. Sein Land strebe bis auf Weiteres nicht mehr den Nato-Beitritt an, erklärte Selenski am Dienstag in Kiew.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“