Nationaler Volkskongress in China: Peking macht die Milliarden locker
Chinas Parteiführung begegnet Trumps Handelskrieg mit einem ambitionierten Wirtschaftsprogramm. Die Märkte reagieren positiv.
„Alle harten Schwierigkeiten wurden überwunden“, sagte Premierminister Li Qiang gleich zu Beginn seines von Unternehmern und Investoren mit Spannung erwarteten Arbeitsbericht, der den Nationalen Volkskongress (NVK) einläutet.
Doch dabei handelt es sich natürlich um den üblichen Propaganda-Nebel, mit dem die Parteiführung beim wichtigsten Politereignis im chinesischen Kalenderjahr „positive Energie“ verbreiten möchte. Die Botschaften zwischen den Zeilen zu dechiffrieren, das ist die wahre Kunst aller „Pekingologen“.
Selbst die Veteranen unter den China-Beobachtern behelfen sich mit bisweilen unkonventionellen Methoden, um die Zeichen der Parteiführung zu erkennen. Ein beliebter Gradmesser ist etwa das quantitative Messen von Schlagwörtern: Dass im diesjährigen Arbeitsbericht die Begriffe „Reform“ und „Konsum“ öfter genannt wurden als „Stabilität“ und „Sicherheit“, wird von einigen Experten als Indikator dafür gewertet, dass die Wiederbelebung der Wirtschaft diesmal wirklich oberste Priorität hat.
Premier Li schlägt selbstkritische Töne an
Tatsächlich lassen sich dafür weitere Belege finden. Denn Li Qiang wartete während seines Arbeitsberichts mit durchaus selbstkritischen Tönen auf. „Das vergangene Jahr war kein gewöhnliches Jahr im Entwicklungsprozess unseres Landes“, sagte Li, der vor seinem Premierministerposten als Parteikader in der Wirtschaftsmetropole Schanghai diente.
Neben dem „wachsenden Druck von außen“ leide China auch unter „zunehmenden Schwierigkeiten im Innern“. Gemeint ist damit die anhaltende Immobilienkrise, die hohe Jugendarbeitslosigkeit sowie die Schwierigkeit, neben dem herstellenden Gewerbe weitere Wachstumsmotoren zu erschließen.
Angesichts dieser Schwierigkeiten ist das traditionell beim NVK ausgegebene Wachstumsziel für das laufende Jahr durchaus ambitioniert ausgefallen: Wie schon 2024 soll das chinesische Bruttoinlandsprodukt auch 2025 wieder um „rund 5 Prozent“ steigen.
Höheres Budgetdefizit und mehr Sonderanleihen
Natürlich müssen die offiziellen Statistiken aus der Volksrepublik China stets angezweifelt werden, und die wenigen verbliebenen kritischen Ökonomen im Land tun dies auch bis zuletzt. Laut Gao Shanwen ist Chinas Volkswirtschaft tatsächlich „nur“ um rund 2 Prozent gewachsen. Doch nachdem der Analyst es im Januar gewagt hatte, öffentlich Zweifel am Narrativ der Partei zu äußern, verlor er prompt seinen Job beim staatlichen Wertpapierunternehmen SDIC Securities.
Trotz allem ist es durchaus aussagekräftig, dass Premier Li seinem Volk 5 Prozent Wachstum in Aussicht stellt – nur wenige Stunden nachdem Donald Trumps Strafzölle gegen chinesische Produkte in Höhe von zusätzlichen 10 Prozent in Kraft getreten sind.
Untermauert hat Li sein Ziel mit zwei ökonomischen Kennziffern: So möchte die chinesische Regierung das Budgetdefizit für das laufende Jahr auf 4 Prozent des BIP erhöhen, was den größten Wert seit Mitte der 1990er darstellt. Ebenfalls sollen mehr Sonderanleihen als im Vorjahr ausgegeben werden. Kurzum: Peking greift erstmals wieder tief in die Taschen, um die Wirtschaft zu beleben.
Folgt ein Deal im Handeskrieg mit den USA?
Vor allem dürften die Maßnahmen den am Boden liegenden Binnenkonsum beflügeln – sehr zur Freude ausländischer Unternehmen, bei denen der chinesische Markt zuletzt massiv an Attraktivität eingebüßt hatte.
„Chinas Führung strebt mit dem anvisierten Wachstum nach Kontinuität, womit die Erwartungen deutscher Unternehmen an den Ausgang des Volkskongresses weitestgehend erfüllt sind“, sagt Oliver Oehms von der Deutschen Handelskammer in Nordchina: „Diesmal wurden mehr Impulse zur Stabilisierung der Wirtschaft gesetzt und ein deutlicheres Signal des Anpackens vermittelt.“ Die Märkte reagierten ebenfalls positiv: Der Hongkonger Leitindex Hang Seng stieg am Mittwoch um 2,3 Prozent.
Und vielleicht kann Peking in den kommenden Wochen auch noch auf einen Deal mit Donald Trump hoffen und dadurch einen sich verschärfenden Handelskrieg abwenden. Denn während des Auftakts des NVK hielt der US-Präsident zeitgleich eine polternde Rede vorm Kongress. Doch während der 78-Jährige seine Verbündeten Kanada, Mexiko und Südkorea als Schmarotzer darstellte und für ihre angeblich unfaire Handelspolitik kritisierte, erwähnte er die Volksrepublik China nur am Rande.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!