Nahost, Merkel, FDP: Irrer geht immer
Nicht nur Donald Trump kann irrational. Angela Merkel schreibt, bis keiner mehr kann. Und Christian Lindner könnte bald in Elternzeit gehen.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: FDP nicht ganz dicht.
taz: Und was wird besser in dieser?
Küppersbusch: Ansehen von Volker Wissing.
taz: Seit Mitte der Woche herrscht Waffenruhe zwischen der Hisbollah und Israel. Wie fragil ist der Frieden?
Küppersbusch: Es geht immer schlimmer: Die Hisbollah – und damit ihr Hauptsponsor Iran – machen Deals mit Biden: weil Trump droht. Es muss mit dem Teufel zugehen, denn danach kommt der Oberteufel. Trump unterstützt die völkerrechtswidrige Siedlungspolitik Israels und anerkannte widerrechtlich Israels Anspruch auf Jerusalem. Jetzt kündigen Trumps Berater eine „regionale Allianz gegen Iran“ an; und vorher ist halt Winterschlussverkauf bei den Ayatollahs und ihren Proxys. Diese Drohung mit der Eskalation ist riskant, denn Trump ist in dem Spiel nicht der Einzige, der irrationale Entscheidungen kann.
taz: Angela Merkel veröffentlicht 740 Seiten Autobiografie mit dem Titel „Freiheit“. Das Buch verkaufte sich am ersten Tag 35.000 Mal, der neueste Fitzek-Thriller ging mehr als doppelt so oft über die Theke. Spricht das gegen Merkel oder gegen das Lesepublikum?
Küppersbusch: 42 Euro Ladenpreis sind 5 Cent pro Seite – fairer Deal eigentlich, wenn Merkel nicht Merkel wäre: Als besondere Tugend wird der Kanzlerin nachgerühmt, in entscheidenden Sitzungen so lange weitergeredet zu haben, bis die anderen aus Ermüdung nachgaben. Kein überragendes Verkaufsargument: „Sind Sie noch wach, wenn Merkel aufhört?“ In einem der Buch-Promo-Interviews riet sie jungen PolitikerInnen, Fragen so konkret wie möglich zu beantworten und sich nicht auf grobe Schlagzeilen einzulassen. Damit ist das Buch vielleicht ein Merch-Artikel für harte Merkel-Fans – und ein Monument einer untergehenden Polit-Epoche. Manchen genügt es als vollständige Argumentationskette, auf einem ostdeutschen Marktplatz hasserfüllt „Määääärkel“ zu erbrechen. Sie hält Zehntausende Worte dagegen. Als Gesamtkunstwerk eindrucksvoll.
taz: „Beginn der offenen Feldschlacht“ hieß es im FDP-Schlachtplan zum Ampelbruch. Auf Generalsekretär Djir-Sarai folgt Ex-Minister Buschmann. War es das mit den Lindner-Liberalen?
Küppersbusch: Selten hat jemand seine Elternzeit so vorausschauend und umsichtig geplant. Lindner nahm auch die Entblößung als Gelegenheit, in jede Nachrichtensendung zu drängeln und die naheliegenden Fragen mit einem Schwall ins All aus lauter Wahlkampfparolen zu beantworten. In seiner Welt ist das „Air time“, wertvolle Reichweite, und folgt der alten Theaterweisheit „Hauptsache, der Name ist richtig geschrieben“. Allerdings hat die FDP kein Monopol mehr auf Intriganz und Verrat; für das Demolieren demokratischen Anstands bieten sich mindestens rhetorisch AfD und BSW eher an. Bleibt das Wirtschaftsklientel – doch viele BossInnen haben nichts gegen Migration oder mehr Staatsinvestitionen. Prognose: 4,9 Prozent ist auch verloren.
taz: Laut dem Bundesamt für Strahlenschutz ist die UV-Strahlung in Teilen Mitteleuropas stark gestiegen – in Dortmund um mehr als 10 Prozent. Hauptgrund sei, dass es weniger Wolken als früher gebe. Können Sie das als Ortskundiger bestätigen?
Küppersbusch: Die Bauern ringsum hatten ihre Ernten früh drin, auf manchen Feldern wurden danach Sonnenblumen gesät, die jedoch nicht mehr geerntet wurden. Kann mal ein Bauer bei der taz Bescheid sagen, was das sollte? Jedenfalls war es offenbar ein landwirtschaftlich gutes Jahr. Dortmund ist auf Platz 3 der regenreichsten Städte Deutschlands hinter München und Augsburg, weswegen dort niemand hin will. Von gut 7 Regentagen im Monat erwischte es unter der Europameisterschaft dreimal das vollbesetzte Westfalenstadion. Also: Der subjektive Eindruck weicht deutlich vom wolkenlosen statistischen Befund ab. Ist uns recht, wenn etwas weniger Touristen kommen.
taz: Nach dem Absturz eines DHL-Frachtflugzeugs in Litauen steht der Sabotageverdacht weiter im Raum. Was ist dran?
Küppersbusch: Üblicherweise ist Berichterstattung am Anfang ereigniszentriert und scheut Mutmaßungen über Ursachen. Im Kontext von Russlands Krieg hat man sich an die umgekehrte Reihenfolge gewöhnt; das war beim Nordstream-Anschlag so, beim Raketentreffer in Polen und nun beim Flugzeugunglück. Eine inzwischen erfahrungsgestützte Einladung, erst die Fakten zu schreiben, und dann „der Russe war’s“. Wenn’s unbedingt mal wieder raus muss.
taz: Und was macht der RWE?
Küppersbusch: Bietet zum Fest im Fanshop „RWE Wein“ für 9,95 Euro. Wein in Essen ist wie Hochbegabtenförderung in Schalke. Das geht nicht.
Fragen: Christina Koppenhöfer, waam
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