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Nächste BundesregierungSPD-Mitglieder stimmen über Koalitionsvertrag ab

Rund 360.000 So­zi­al­de­mo­kra­t*in­nen entscheiden über den Koalitionsvertrag mit der Union. Die Parteispitze wirbt eindringlich um Zustimmung.

Abstimmung über die Koalition mit der Union: In der SPD sind viele unzufrieden Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin dpa | Die Abstimmung der SPD-Mitglieder über den Koalitionsvertrag mit der Union hat begonnen. Wie geplant wurde um 8.00 Uhr die Online-Plattform freigeschaltet, auf der die gut 358.000 Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten bis zum 29. April um 23.59 Uhr ihre Stimmen abgeben können, wie ein Parteisprecher mitteilte. Am 30. April soll das Ergebnis bekanntgegeben werden.

Für die Annahme des 144 Seiten starken Koalitionsvertrags mit dem Titel „Verantwortung für Deutschland“ ist nicht nur eine Mehrheit der Stimmen erforderlich, sondern auch eine Teilnahme von mindestens 20 Prozent der Mitglieder an der rein digitalen Abstimmung. Die Mitglieder haben per Post ein Passwort zugeschickt bekommen, mit dem sie – in Kombination mit ihrer Mitgliedsnummer – online ihre Stimme verschlüsselt abgeben können. Wer keinen Internetzugang hat, kann in einer SPD-Geschäftsstelle wählen.

Mit dem vage anvisierten Mindestlohn von 15 Euro und der Steuersenkung für geringe und mittlere Einkommen hat die SPD einige ihrer Wahlkampfversprechen im Koalitionsvertrag verankert. Umstritten sind allerdings die geplanten Verschärfungen der Migrations- und Sozialpolitik. Die Führung der Jusos lehnt das Vertragswerk deswegen ab und fordert Nachverhandlungen.

Co-Parteichef Lars Klingbeil entgegnete den kritischen Stimmen aus der Nachwuchsorganisation am Montagabend bei einer Dialogkonferenz in Hannover, dass es keine Nachverhandlungen geben werde. Wenn Schwarz-Rot nicht zustande komme, werde es Neuwahlen geben oder vielleicht eine Minderheitsregierung, warnte er. Es bestehe die Gefahr, dass die Kräfte in der Union gestärkt werden, die für eine Normalisierung des Verhältnisses zur AfD sind. „Wenn wir scheitern, dann werden die lauter.“

CSU hat bereits zugestimmt

Co-Parteichefin Saskia Esken warb in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur um Zustimmung zu dem 144 Seiten starken Vertragswerk. Auch sie sehe darin zwar „Licht und Schatten“. Die Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungszwecke, das Sondervermögen für Investitionen und die Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschaft hob Esken aber als gute Grundlage für eine Zusammenarbeit zwischen Union und SPD hervor. „Ich gehe davon aus und hoffe, dass wir eine gute Zustimmung bekommen.“

Die ehemalige Bundestagspräsidentin Bärbel Bas ist zuversichtlich, dass die SPD dem Koalitionsvertrag mit der Union zustimmt. Sie sei positiv gestimmt nach Gesprächen an der Parteibasis, sagte Bas dem Nachrichtenportal The Pioneer. „Denn die Alternative wäre entweder eine Neuwahl oder dass die CDU/CSU vielleicht doch zusammen mit der AfD regiert“, betonte Bas. Das könne keiner in der SPD wollen, deshalb werbe sie für den Koalitionsvertrag.

Bisher hat nur die CSU den Koalitionsvertrag per Vorstandsbeschluss angenommen. Auch die Zustimmung der CDU fehlt noch. Die Partei des designierten Kanzlers Friedrich Merz entscheidet am 28. April auf einem kleinen Parteitag. Falls alles glattläuft, soll der CDU-Chef am 6. Mai im Bundestag zum Kanzler gewählt werden.

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21 Kommentare

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  • Die C*U hat ja bereits angedeutet für wie verbindlich sie diesen Vertrag hält und von daher ...

    Bei mir liegen solche Papiere immer in der kleinsten Stube meiner Wohnung - und ich bringe die Stück für Stück hinter mich ...

  • "dass es keine Nachverhandlungen geben werde. Wenn Schwarz-Rot nicht zustande komme, werde es Neuwahlen geben oder vielleicht eine Minderheitsregierung, warnte er"

    Ein wunderschön demokratisches Gebaren. Er droht, damit die Leute abstimmen, weil er ihnen echte Alternativen nimmt. Erst lässt sich die SPD in den Verhandlunge aber auch jegliche Butter vom Brot nehmen, und dann wird "nicht nachverhandelt". Hätte er doch "Verschärfungen in der Migrationspolitik" eben auch so vage anvisiert wie die Mindestlohnanhebung. Oder die SPD macht es, wie andere auch. Was geht mich mein unterschriebener Koalitionsvertrag von gestern an?

    Mit diesem Koala-Vertrag ist die SPD endgültig rechts gelandet in ihrer Politik. Wenn ihre menschenfeindliche Asylpolitik in der Ampel es nicht schon gezeigt hätte, wäre man überrascht.

    Wer hat uns verraten? Sozialdem...

    • @Jalella:

      Es ist auch wirklich zum jammern das in diesem Koalitionsvertrag nicht 100 Prozent SPD-Politik enthalten ist ^^

  • Wir Wähler haben doch die Bundestagsabgeordneten gewählt, nicht die Basis der SPD noch die Jusos. Wie kann es sein, dass eine Minderheit von ca. 358tsd. SPD-Mitgliedern, der Koalition ihren Willen aufdrückt deren Partei bei der letzten Bundestagswahl massiv abgestraft wurde?

    • @maxwaldo:

      Und jedes Mal die gleiche sinnlose Debatte von Leuten wie Ihnen. Noch dazu inhaltlich unlogisch.

      Die Partei bzw die Fraktion befragt halt die Basis. Denn tatsächlich ist es den gewählten Abgeordneten völlig frei gestellt, wie sie ihre politische Meinung bilden. Wenn sie dafür ihre Basis befragen wollen, dann tun sie das.

      Ansonsten zwingt da Niemand jemand seinen Willen auf. Wenn es Ihnen so wichtig ist, dass eine abgstrafte Minderheit nix zu melden hat, dann sollten Sie halt dafür eintreten, dass die gar nicht regiert. Und das wollen die Jusos ja, aber Sie scheinbar nicht?

    • @maxwaldo:

      Ich vergass, die Abgordneten (und nur die haben wir gewählt) sind nicht an Weisungen gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

  • Ein paar Anmerkungen:

    1. Womit sich die Jusos schwertun - Verschärfungen bei Migration und Sozialem - damit tut sich die "wir dienen den Fleißigen" Parteispitze weitaus weniger schwer.

    2. Ich sehe auch die schwierige Situation. Aber die SPD wird sich ruinieren, wenn sie immer so weiter macht. Wäre DAS gut für das Land?

    Eigentlich müsste sich die Partei, die mit Ausnahme von 4 Jahren seit 1998 immer mitregiert hat, mal wieder in der Opposition regenerieren.

    3. Das Land braucht eine starke sozialdemokratische Partei. Ist das noch die SPD?

    • @Stavros:

      23 von 27 Jahren seit Kohl mitregiert. Gut 10 Jahre davon mit Kanzler. Qsrum sollte man dieser Partei nochmal die Regierungsgeschäfte anvertrauen?

      • @Querbeet:

        Anvertrauen oder nicht, es ist genug.

        Was jetzt passiert, ist schlecht für Land und SPD.

        • @Stavros:

          Die SPD ist mir egal. Abgesehen davon glaube ich, dass sie nicht trotz, sondern wegen ihrer Politik zunehmend schlecht dasteht. Dies nicht erkennen zu wollen oder zu können, eird der Untergang der SPD sein. Ich sage nur 38% AfD im Arbeitermilieu bundesweit bei der letzten BTW. Gelsenkirchen gefallen. Und und und

    • @Stavros:

      Genau das ist es. Es ist seit Jahren nun das ewig gleiche Drehbuch. SPD Spitze will unbedingt in Regierung. Basis stimmt zu und ist 4 Jahre unzufrieden mit der Koalition. Jedes Mal sackt die SPD weiter ab, aber jedes Mal das gleiche Spiel.

      • @CaptainCaos:

        Ja, täglich grüßt das Murmeltier :-)

  • Wofür brauchen die zwei Wochen?



    In einer Zeit wo schnelles handeln der Regierungen dringend gefragt ist, so viel Zeit für eine Mitgliederbefragung zu brauchen ist eine Schande. Von digitaler Abstimmung reden, aber erst mal Zugangsdaten drucken und via Post versenden, SPD-Bürokratie pur.

    • @Hans Dampf:

      Nichts als Worthülsen.

      Wo ist schnelles Regierungshandeln erforderlich?

      Wir haben doch einen Bundestag. Der kann jederzeit zusammenkommen und notwendige Gesetze beschließen.



      Welchen Entscheidungen können Merz und Klingbeil denn gerade nicht mit ihren Fraktionen durchprügeln, die gerade eilen?

      Ich sehe in der Tat viele Probleme in diesem Land, aber nichts davon steht auch nur annähernd im Koalitionsvertrag beschrieben, nichts davon müsste und könnte in den nächsten 2 Wochen gelöst werden.

    • @Hans Dampf:

      Verstehe die Aufregung nicht. Die Wähler haben Parteien und Abgeordnete gewählt, die Parteien entscheiden über den Eintritt in eine Koalition. Seit wann hat der Wähler einen Anspruch darauf, dass eine bestimmte Koalition eine Regierung bildet?

    • @Hans Dampf:

      Die ganze Abstimmung ist eine demokratische Farce. Wozu wählen wir einen Bundestag? Um dann den Trägern des freien Mandats durch Mitgliedervotum im Fall der Fälle den Abstimmungsarm auf den Rücken zu binden?

      • @Querbeet:

        Da wird niemandem der Arm gebunden.

        Der Abgeordnete ist nur seinem Gewissen verpflichtet. Wenn er einen Kanzler Merz oder eine Kanzlerin Weidel oder einen Kanzler Gysi wählen möchte, kann ihn nichts daran hindern (so lange der Kandidat denn kandidiert).

        Kein Gott, kein Parteibeschluss, kein Mitgliedervotum, nichts. Es ist und bleibt demokratisch.

        Aber aus genau diesem Grund, ist es dem Abgeordneten völlig freigestellt, wie er sein Gewissen bzw. seine Überzeugung bildet. Er kann das auspendeln, Oma Erna auf der Straße fragen, mit seinen Genossen drüber reden, es sich auf dem Bundestagsklo noch mal komplett anders überlegen oder eben die Basis seiner Partei befragen. Nichts davon ist mehr oder weniger durch die Verfassung gedeckt. Der Abgeordnete kann sogar mit 2 Promille zur Abstimmung kommen, alles legal.

        • @CaptainCaos:

          Naja, wenn die Mehrheit der Mitglieder gegen den Koalitionsvertrag stimmt, dann setzt sich die Partei/Fraktion darüber hinweg und es wird im BT trotzdem Merz gewählt? Wozu dann das ganze?

      • @Querbeet:

        Die Hälfte der Abgeordneten wird von ihren Parteien nach oben gespült, da kann man schon mal fragen, ob das okay ist.

      • @Querbeet:

        Volle Zustimmung, eine Beleidigung der repräsentativen Demokratie.

        • @Hans Dampf:

          Es geht halt darum den Rentnern die die Welt nicht mehr verstehen und die Masse der SPD Mitglieder ausmachen ein wenig die Seele zu streicheln.