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Babyboomer in die GrundschulenDer alte weiße Mann in seiner schönsten Form

Ein Bildungssoziologe setzt auf fitte Babyboomer als Helfer an Grundschulen. Würde das nicht gleich ein dutzend Probleme lösen? Ein Träumchen.

Coole Opas könnten die Welt retten – oder zumindest die Schwächen des Bildungssystems ausgleichen helfen Foto: Paul Zinken/dpa

G estern musste ich aus dienstlichen Gründen den neuen Bildungs-Podcast unserer Kultusministerin anhören. Bei der Gelegenheit habe ich gelernt, wie viel Hoffnung der Bildungssoziologe Aladin El-Mafaalani in die Babyboomer setzt.

Wenn sich nur ein Bruchteil dieser frisch Verrenteten, aber immer noch Top-Fitten, als Wahlgroßeltern an den Grundschulen verdingen würden, könnte das unser Bildungssystem retten, glaubt er. Besonders gefragt seien dabei die Männer, Frauen engagierten sich ja ohnehin schon viel mehr.

Ich muss sofort daran denken, wie meine Söhne im Kita- und Grundschulalter reagierten, sobald sich da ein männliches Wesen blicken ließ: Sie klebten ihm an den Beinen wie kleine Äffchen und damit waren sie nicht die einzigen. Das passiert wohl, wenn Papa immer entweder arbeitet oder müde ist.

Der beste war Hans, der im Ganztag arbeitete (das war in NRW, wo es den schon länger gibt als im vergleichsweise rückständigen Niedersachsen). Hans hätte auch eine AG in Popo-Wackeln anbieten können und sie hätten die gebucht. Der Alt-Hippie machte aber lieber so verrückte Sachen wie eine Politik-AG.

Opas gegen rechts und alles andere

Mit ähnlicher Affenliebe hingen sie an ihrem leider zu früh verstorbenen Opa, der mit ihnen werkelte, gärtnerte und kochte. Überhaupt ist der Opa ja die schönste Form des weißen, alten Mannes. Wobei man das „weiß“ da auch streichen kann, wenn ich mir die türkischen und arabischen Opas in meinem Viertel so angucke. Man bräuchte jedenfalls wirklich mehr von dieser Sorte.

Und am Ende profitieren davon ja auch die Herren selbst, nicht wahr? Wenn sie erst einmal (wenn auch in manchen Fällen reichlich spät im Leben) entdecken, wie viel Glück und Sinn man darin finden kann, tatsächlich gebraucht zu werden.

Gibt es nicht immer mehr Studien, die belegen, dass gelingende soziale Beziehungen ein entscheidender Faktor sind, wenn es um Langlebigkeit und Lebenszufriedenheit geht? Ist es denn wirklich schlau, das immer nur den Frauen zu überlassen?

Die ganz Jungen und die Alten könnten sich gegenseitig die toxische Männlichkeit abgewöhnen. Damit wäre doch praktisch allen geholfen

Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr scheint sich mir hier eine Lösung für alle möglichen Probleme zu verbergen. Die ganz Jungen und die Alten könnten sich gegenseitig die toxische Männlichkeit abgewöhnen.

Damit wäre doch praktisch allen geholfen, das hilft gegen Verkehrsrowdys und Blockwarte, gegen Einsamkeit und bröselnden gesellschaftlichen Zusammenhalt, mindert vermutlich sogar das Gesamtaufkommen an schlecht gelaunten Facebook-Kommentaren und anderen Übeln. Vielleicht könnte man damit am Ende sogar dem Rechtspopulismus das Wasser abgraben!

Ein Führungszeugnis von den eigenen Kindern

Gut, da sind die Zielgruppen jetzt vielleicht nicht ganz deckungsgleich. Man müsste ja schon auch aufpassen, dass man nicht aus Versehen AfD-Kader und ähnliches Gesocks an die Grundschulen verklappt. Es müsste eine Sozialverträglichkeitsprüfung geben oder so eine Art Führungszeugnis von den eigenen Kindern oder der Oma, was weiß ich.

Okay, so ganz durchdacht ist das alles nicht. Vielleicht habe ich gestern Abend auch einfach zu lange beschwipst in der Frühlingssonne gesessen und (wie jedes Jahr) verzückt gestaunt, wie diese Stadt so vor sich hin explodiert, wenn plötzlich alle aus ihren Winterhöhlen gekrochen kommen.

Vielleicht ist die Sehnsucht nach Hoffnungsschimmern gerade übermächtig angesichts der Weltnachrichtenlage. Aber bitte, irgendwo da draußen muss sie doch sein, diese Hoffnung. Und so schlimm kann das doch alles nicht sein, wenn einen selbst in Hannover wildfremde Menschen in der Fußgängerzone anlächeln.

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Nadine Conti
Niedersachsen-Korrespondentin der taz in Hannover seit 2020
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13 Kommentare

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  • Die taz entdeckt den „alten weißen Mann“ neu – diesmal als pädagogische Wunderwaffe gegen toxische Männlichkeit, Rechtspopulismus und Facebook-Kommentare. Klingt witzig, ist aber leider symptomatisch für eine Debattenkultur, in der Ideologie und Moralinszenierung längst den gesunden Menschenverstand ersetzt haben.

    Ja, generationsübergreifendes Engagement ist eine schöne Idee. Aber warum muss das gleich mit politischer Läuterung, Sozialverträglichkeitsprüfung und Seitenhieben gegen "AfD-Kader" verknüpft werden? Warum nicht einfach anerkennen, dass viele ältere Menschen sich längst freiwillig und mit Herzblut engagieren – ohne moralischen Zwang oder ideologische Umerziehung?

    Der Artikel spiegelt weniger ein ernsthaftes Interesse an Bildungsverbesserung wider als das Bedürfnis, sich durch ironisch aufgeladene Gesellschaftssatire moralisch zu erhöhen. Ein Vorschlag: Weniger „toxische Männlichkeit“ herbeischreiben – mehr Respekt gegenüber jenen, die tatsächlich helfen wollen. Ganz ohne Feindbildpflege.

  • "...so ganz durchdacht ist das alles nicht. Vielleicht habe ich gestern Abend auch einfach zu lange beschwipst in der Frühlingssonne gesessen." Wenigstens ist der Autorin klar, dass ihr Vorschlag eine Schnapsidee ist.



    Allerdings finde ich es nicht gut, dass hier offensichtlich während der Arbeitszeit (Verfassen des Textes) Alkohol konsumiert wurde. Vielleicht wäre, wenn man sich hier schon sozialen Themen widmet, z.B. ein kritischerer Umgang mit Suchtstoffen angebracht.

  • Ich wäre durchaus bereit, mich an Grundschulen, Mittelschulen oder Gymnasien in MINT-Fächern, Latein, Englisch, Italienisch etc. als Lehrkraft zu engagieren, allerdings nicht zu den aktuellen Arbeitsbedingungen und nicht für das Gehalt, das man mir dafür böte.

  • Da hier laut Kolumne nur Opas gegen Rechts gebraucht werden, fällt ja ein erheblicher Teil der männlichen Boomer laut jüngsten Umfragen schonmal vorab durchs Raster. Also kaum umsetzbar, diese Idee.

  • Nach den Boomern wird niemand mehr kommen, der sich ehrenamtlich sozial engagiert. Gewisse Dinge auf den Dörfern funktionieren so noch.

    • @womzie:

      Auf den Dörfern funktionieren nach meiner Erfahrung nicht einmal mehr die Dorfkneipen flächendeckend.

  • Sehr guter Artikel. Soziales, ehrenamtliches Engagement, insbesondere im Bildungsbereich, ist die wahre Brandmauer gegen Raubtierkapitalismus, Rechtsruck und Verrohung der Gesellschaft. Die überwältigende Mehrheit der Menschen meint es gut mit ihren Mitmenschen, da darf man sich nicht von Wahlergebnissen und Umfragen entmutigen lassen, auch wenn mir das selbst oft schwerfällt.

  • Wenn die wenigen Jungen, die unsere Gesellschaft überhaupt noch hervorbringt, zum Kriegsdienst gezwungen werden, dann ist es wohl nicht mehr als recht und billig, dass angehende Pensionäre vorher noch ein soziales Pflichtjahr absolvieren müssten. Wenn sie gesundheitlich in der Lage sind, das stellt die Musterung fest. In unserem Betrieb jedenfalls gehen jedes Jahr Menschen in Rente, die sind top fit. In den sozialen Bereichen wird schlichte Arbeitszeit ohne Ende benötigt, dafür braucht es keine Ausbildung. Hatten wir Zivis auch nicht. Um einen dementen Menschen zu füttern muss halt eine Stunde ein anderer ihm seine Zeit widmen. Oder Bildung von migrantischen Kindern. Bildung von Kindern überhaupt. Wie viele Kinder würden davon profitieren, wenn der Diplomingenieur vor seinem Ruhestand ihnen mal in Ruhe zeigen würde wie das geht mit dem Bruchrechnen und das Mathe eigentlich eine geile Sache ist.

    • @fleischsalat:

      Die Boomer, nicht Boomerinnen, haben aber in aller Regel schon ein Pflichtjahr absolviert. Meist sogar länger als ein Jahr. Und füttern gerade ihre Eltern. Meist die Boomerinnen.

  • Eine Idee über die es sich nachzudenken lohnt.

  • Hmmja.



    Man könnte auf die Idee kommen, dass früher nicht Alles schlecht war.



    Selbst mit Pfadfindern und Jugendgruppen aufgewachsen, ist das Leiten solcher Gruppen irgendwann die natürliche Folge. Da muss man noch lange kein Opa sein.



    Aber einmal damit begonnen, erkennt man, dass Wertschätzung für Arbeit eben nicht nur aus Geld bestehen muss.



    Wenn ein paar Kids Interesse an einem Workshop hatten, oder ein Jugendlicher nach dem Praktikum von der Straße in Arbeit vermittelt wurde, wenn gemeinsam Arbeit mit leicht Rechten und Migranten Hürden nimmt, dann ist das Lohn genug.



    Allerdings sollte man auch aufpassen, für Wen man da arbeitet, denn Diejenigen, die sich mit fremden Federn schmücken, sind weiter verbreitet, als die Arbeiter selbst.



    ( ich hab mir hier mal das man/frau gespart, da, wie oben erwähnt, Frauen solche Arbeit sowieso schon vermehrt machen)

  • ...an den Grundschulen "verdingen".



    Klingt so als sollten Rentner mal wieder ehrenamtlich das ausbügeln, was unser Bildungssystem nicht schafft. Dafür gibt's dann auch eine Runde Applaus auf dem Balkon. Oder diese selbstgebastelten Kunstwerke der Kinder. Das ist ja auch was schönes.

    • @Der dreckich Katz:

      Bitte mal konkreter mit den Ausbügeln. Ich habe nämlich eher den umgekehrten Eindruck, dass die Jungen die jahrzehntelang falsche Politik der heutigen Rentner auszubügeln haben.