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Nachverfolgung von InfektionenNoch einen Monat bis zur Corona-App

Das Konzept für die viel diskutierte Corona-Tracing-App ist da, doch der Code fehlt. Umstritten bleibt, was so eine App überhaupt bringt.

Perfektes Tracking via App Foto: HansLucas/imago

Berlin taz | Ein Logo ist schon da. Ein großes C, das oben blau beginnt und nach unten ins Rote verläuft, in der Mitte die klassischen Stacheln des stilisierten Corona-Virus. In diesen Tagen sollen auch die ersten Zeilen Code für die in der Entwicklung befindliche Corona-Nachverfolgungs-App veröffentlicht werden, deren Entwicklung nach einigem Hin und Her nun bei dem Softwarekonzern SAP und der Telekom liegt.

Die App soll das Nachverfolgen von Kontakten mit Hilfe einer Bluetooth-Technologie erleichtern und so Infektionsketten frühzeitig unterbrechen können. Nachdem die Bundesregierung zunächst auf einen in Datenschutz-Sachen nur mittelmäßigen zentralen Ansatz setzte, hat sie vor einigen Wochen umgeschwenkt und verfolgt nun ein dezentrales System.

Auf der Open-Source-Plattform Github haben die Entwickler:innen bereits ein langes Konzept zur Funktionsweise veröffentlicht. Die Grundfunktionsweise bleibt dabei: Bei einem positiven Testergebnis kann der:die Nutzer:in einmalig eine Warnung auslösen, so dass andere App-Nutzer:innen, die sich mit ihrem Smartphone jüngst in unmittelbarer Nähe der infizierten Person befanden, informiert werden.

Darüber hinaus sollen sich Nutzer:innen auch informieren lassen können, wenn das Ergebnis eines Sars-CoV-2-Tests für sie vorliegt. Auch Kontakte zu medizinischen oder psychologischen Hotlines sollen bereitgestellt werden. Die App soll es auch in einfacher Sprache geben und eine Sprachausgabe bieten, um auch für Personen, die nicht oder nicht gut sehen können, nutzbar zu sein. Bei der Deinstallation der App sollen sämtliche vorliegenden Daten gelöscht werden. Die Fertigstellung ist für Mitte Juni geplant.

Lob von der Netzpolitikerin

Auf Github werden die bislang bekannten Punkte des Konzepts bereits im Detail diskutiert – beispielsweise, wie die Nachricht, dass es möglicherweise zu einem Kontakt mit einer infizierten Person gekommen ist, technisch am Datenschutz-freundlichsten umzusetzen ist.

„Die ersten Veröffentlichungen zur Entwicklung der Corona-Tracing-App auf Github geben Hoffnung, dass man aus vergangenen Fehlern gelernt hat“, sagt Anke Domscheit-Berg, Netzpolitikerin der Linkspartei. Sie lobt das Konzept der Entwickler:innen, nicht erst den fertigen Programmcode, sondern auch die Schritte dahin schon zu veröffentlichen. Dass man sich entschieden habe, die App unter eine Open-Source-Lizenz zu stellen und damit auf Hintertüren oder Fehler überprüfbar zu machen, werde das Produkt zum einen technisch verbessern, da Feedback und Wissen von außen eingebracht werden kann. Zum anderen schaffe es auch Vertrauen in der Bevölkerung.

Hilft die App im Kampf gegen Corona?

Denn wie viel so eine App zum Eindämmen der Pandemie beitragen kann, ist weiterhin umstritten. Schätzungen gehen davon aus, dass 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung sie nutzen müssen, um einen nennenswerten Effekt zu haben. Gedankenspielen darüber, ob man die Nutzung nicht mit diversen Anreizen attraktiv machen könnte, wie etwa mehr Bewegungs- oder Reisefreiheiten für App-Nutzer:innen, hatte Innenminister Horst Seehofer (CSU) vergangene Woche mit deutlichen Worten eine Absage erteilt: „Was ich nicht möchte, dass man von einer Freiwilligkeit spricht, aber so viele Anreize diskutiert, dass man nun von der Freiwilligkeit nicht mehr reden kann.“

Eine detaillierte Untersuchung der ersten bekannten Infektionskette in Deutschland bei einem Münchner Autozulieferer, die jetzt in der Fachzeitschrift The Lancet veröffentlicht wurde, kam zu dem Ergebnis, dass die Infizierten am infektösesten kurz bevor und zu Beginn der Symptome waren. Diese Erkenntnis ist zwar nicht ganz neu, untermauert aber die Ansicht, dass zur Eindämmung der Pandemie das frühzeitige Unterbrechen der Infektionsketten, bei dem eine App helfen könnte, entscheidend ist.

Dass es dafür allerdings nicht unbedingt eine App braucht, ist aus Island zu hören. Dort gibt es zwar eine Tracing-App, die auch von knapp 40 Prozent der Bewohner:innen heruntergeladen wurde. Doch der für die Aufsicht der Kontaktnachverfolgung Zuständige sagte in Technology Review: „Ich würde schon sagen, dass [die App] in einigen Fällen hilfreich gewesen ist, aber es war kein Game Changer für uns.“ Ebenso wichtig sei die manuelle Nachverfolgung von Kontakten, genauso wie frühe und viele Tests und die Isolation von Infizierten.

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19 Kommentare

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  • Da ich an Grippe Web des RKI teilnehme, bekomme ich die neuesten Fallstatistiken mitgeteilt: Ein jäher Absturz der Fallneumeldungen! Demnach müsste Covid19 in aller Kürze fast ausgestorben sein.



    Fast, das heißt, nicht vollständig. Auf jeden Fall beginnen wir mit der jetzigen Öffnung auf einem deutlich geringeren Infektionsniveau, was die Nachverfolgung der Infektionsquellen und Weiterverbreitungswege überaus erleichtert. Da fehlt tatsächlich das flächendeckende Nachverfolgungsapp.



    Also, ich werde diese mit allen Konsequenzen akzeptieren, einschließlich einem zukünftigen Wegzug ins Ausland, falls ich gewahr werde, dass unsere Geheimdienste das app für andere Zwecke missbrauchen. Ich möchte nur in einem Staat leben, dessen Regierung ich vertrauen kann. Ich vertraue noch.

  • Island mit einer Bevölkerungsdichte von 3,5 Einwohnern pro km² könnte wahrscheinlich im Grossteil des Landes per Zuruf ermitteln, wer wen wann und wo getroffen hat. Das ist kein Argument für oder gegen die App!

    Bin gespannt, wann die App kommt und wie das Ganze dann wirklich umgesetzt wird. In Asien scheint es zu funktionieren, bei uns bin ich skeptisch. Zum einen ist es sicher so, dass die Leute, die in den letzten Tagen demonstriert haben, zwar am ehesten in der Lage sind das Virus zu verbreiten - die werden sich aber keine App aufs Handy laden.

    Zum anderen ist mein Kenntnisstand, dass Google und Apple die Schnittstellen definiert haben. "Dezentral" klingt zwar gut, aber Google schafft es auch in dem dezentralen System Internet Daten zu sammeln, auszuwerten und zu nutzen. Insofern mal sehen, was da draus wird.



    Weiß jemand, ob diese App dann auch im Ausland funktionieren wird, wenn die deutschen Urlauber im europäischen Ausland einfallen? Ohne Ischgl wäre COVID-19 bei uns ganz anders verlaufen - insofern wäre die App in der kommenden Urlaubssaison sinnvoll - später dann vermutlich nicht mehr.

    • 8G
      80336 (Profil gelöscht)
      @Martin74:

      Das ist noch nicht einmal ein Argument, sondern Nachweis vorhandener Unkenntnis. Der Satz unterschlägt einfach, dass 2/3 der Bevölkerung Íslands im Großraum Reykjavík lebt. Und wer dort an den Wochenenden nächtens durch Reykjavíks Zentrum schlendert, wenn Straße rauf, Straße runter, in allen Pubs Livekonzerte bei freiem Eintritt stattfinden, der wird feststellen, dass da die Nacht durch bis in die Morgenstunden der Punk abgeht und der Isländer es gerne gesellig mag. Bei Teilnahme an diesem lebensfrohen Treiben erscheint einem das Oktoberfest wie die Zusammenrottung einer Häkelgruppe :-)

    • @Martin74:

      Natürlich kommen Google und Apple an deine Daten, von denen ist nun mal dein Telefonbetriebssystem. Welche Daten sollen die den aus der App kriegen, die du ihnen nicht sowieso schon gibst? Willst du mir wirklich erzählen, du hast ihnen bisher dein Onlinebanking anvertraut, aber für die CoronaApp...nöö, dann lieber doch nicht?

  • Vielleicht werden wir (auch international) gelernt haben, achtsamer mit uns selbst umzugehen, sowie mit den Ressourcen, welche uns umgeben!? Vielleicht bringt die Krisenbewältigung den Umschwung im Wandel der klimatischen Bedingungen, und der Mittelständler wird den Bettler am Straßenrand endlich als das ansehen, was er in Wahrheit ist - ein Mensch mit Bedürfnissen und vor allem Würde!? Vielleicht wird der Verkehr auf den Straßen trotz Aufhebung des Kontaktverbots auf ein Minimum reduziert, da die Urbanisierung zurückgeht und ein jeder auch ganz bequem vom Homeoffice seinen Arbeitgeber beliefern kann!? Pendlerströme bleiben aus. Vielleicht wird ein Anthropozän (Zeitenwechsel) die Gemüter der Menschen so weit beruhigt haben, dass ein einvernehmliches Leben im ökologischen Einklang auf diesem Planeten möglich ist. Dies alles, und noch viel mehr, würde nicht sein, wenn das teils etwas aufgeblasene Thema Corona nicht gewesen wäre.

  • "Bei einem positiven Testergebnis kann der:die Nutzer:in einmalig eine Warnung auslösen".



    Und wie wird sichergestellt das die Warnung nicht aus Jux ausgelöst wird?

    • @Andreas J:

      Zusammen mit dem positivem Testergebnis bekommt man ein PIN.

  • "man muss auch nicht die Utopie aller Datenschutz-Aktivisten realisieren und in Folge dessen die Software vom technischen Umfang her nutzlos machen"

    "move fast, break things", was?

    Nein, das Konzept ist da. Es wird nur funktionieren, wenn genug Menschen der Sache trauen. Einhalten von Mindeststandards ist hier absolut wichtig.

    • @tomás zerolo:

      Es wird immer ein Kompromiss sein: Ist die App völliger Müll und verrät jedem, wann Du wo mit wem warst, werden das zu viele ablehnen und nicht nutzen.



      Wenn das aber erst durch diverse Kommissionen muss (Zeit) und dann aber aus Datenschutzgründen fast nichts kann oder darf (Leistung), ist das auch keine Lösung.



      Beispiel: Wenn jemand ertrinkt sollte ich ihm keinen Stein zuwerfen - aber auch nicht auf den perfekten, staatlich geprüften Rettungsring warten, der erst in 2 Stunden da ist, wenn ich eine Luftmatraze vor Ort habe.

      • @flipmar:

        Ich glaube, Sie wissen nicht, wovon Sie reden. Haben Sie sich die Mühe gemacht, in deren Github-Account zu schauen? Ich schon. SAP, und Siemens und "agile development" (im Kontext von Grossunternehmen nenne ich das "agile bureaucracy"): das wird lustig.

        Nein, nicht die Kommissionen werden die Entwicklung verzögern.

  • Eine App hätte ein Game-Changer werden können, wenn sie einerseits mit Beginn der Öffnungen jetzt bereit gestanden hätte und andererseits sie mandatorisch wäre.



    Eine entsprechende App müsste auch den Infektions-, Quarantäne-, oder Immunitätsstatus kennen.



    In China oder Singapur sind entsprechende Apps wirkungsvoll im Einsatz.



    Man könnte Restriktionen und Kontaktbeschränkungen mit so einer App deutlich herunterfahren, ohne die wirksame Infektionsnachverfolgung und -Bekämpfung zu verschlechtern.

    Leider findet die Abwägung hierzulande ausschließlich zwischen wirtschaftlichem oder gesundheitlichem Schaden statt. Ich persönlich hätte lieber als dritte Option temporär (und das muss sichergestellt sein) den Datenschutz geopfert.



    Aber ich denke, dass eine App die nur von 40 % der Leuten genutzt wird und bei der dann die Infektionsmeldung auch noch freiwillig erfolgt, ist leider zum Scheitern verdammt. Die Leute, die jetzt trotz eines Infektionsrisikos meinen, sich zu hunderten - ohne Maske und Sicherheitsabstand - in Städten zusammen zu finden, werden doch einen unheimlichen Spaß daran haben die Mehrheit zu sabotieren. Unter diesen Bedingungen kann man es auch gleich lassen.

    • @Navitrolla:

      In Singapur ist die App nur bei 17 bis 25 % der Bevölkerung installiert. Ob sie auch wirklich bei allen tatsächlich genutzt wird, weiß man nicht. Von 40 % ist Singapur jedenfalls sehr weit entfernt.

    • @Navitrolla:

      Deutschland ist gut durch die Krise gekommen weil die Bevölkerung gut mitgearbeitet hat. Damit haben wir die Epidemie eindämmen können ohne zu viele Regeln die das Leben und die Wirtschaft belasten.

      Dies kaputt zu machen wegen eines Pflichtapps wäre fahrlässig. Viele Leute haben nicht Mal ein Smartphone, also man könnte es nicht mal verpflichtend machen.

  • Ist doch jetzt aber auch schon lange bekannt, dass das Risiko einer Ansteckung bei Fremden im Supermarkt, ÖPNV oder auch im Restaurant so minimal ist, dass sie praktisch komplett unwahrscheinlich ist... Es sei denn man leckt im Aldi die Packung Toast an, die zwei Sekunden zuvor ein ansteckenden Mensch angeniest hat. Naja und an Ihre Kollegen und Freunde können sie sich ja wohl noch zwei wochenlang erinnern.



    Wenn die App im Sommer fertig ist, ist das hier alles sowieso längst gegessen. Die Zahlen gehen doch jetzt schon zurück. Aus welchem Grund sollte man sich jetzt noch verfolgen lassen. Absoluter Quark.



    Mich wundert nur, dass Seehofer anscheinend doch Bammel davor hat, dass nun sein feuchter Traum der total Überwachung, in Erfüllung gehen könnte.

  • "Es war ein strahlend-kalter Apriltag, und die Uhren schlugen dreizehn..."

  • So ein Nonsens !



    Die Daten sind alle bei Google oder Apple schon vorhanden.



    Stattdessen soll eine neue App kommen, die irgendwann mal fehlerfrei läuft.



    Dann soll die JEDER fehlerfrei selbst installieren und dann auch noch fehlerfrei Daten einpflegen.



    Bin ich wirklich der einzige, der noch nie was installiert hat, sondern bestenfalls die vorinstallierten Apps nutzt ?



    Daß der Datenschutz nicht wirklich wichtig ist sieht man ja daran, daß in Zukunft ganz analog erfaßt wird, mit wem ich wo essen gehe.



    Wahrscheinlich werden einfach nur irgendwelche Taschen mit dieser App gefüllt.

  • Ich denke schon, dass eine solche App hilfreich sein kann, denn gerade an die Leute, die ich nicht kenne (Wartende im Supermarkt, Mitfahrgäste im Zug, Mitarbeiter bei der Arbeit...), kann ich mich nach kurzer Zeit nicht mehr erinnern und sie auch nicht identifizieren.



    Ich bin auch nicht dafür, die Entwicklung zu lange zu verzögern. Es ist gut, dass ein dezentraler Ansatz gewählt wurde, aber man muss auch nicht die Utopie aller Datenschutz-Aktivisten realisieren und in Folge dessen die Software vom technischen Umfang her nutzlos machen oder sie rst dann vollenden, wenn es einen Impfstoff gibt. Was mir eher Sorgen als die Daten macht, die jetzt erhoben werden, ist, dass sich der Staat an das Datensammeln gewöhnt und hinterher so weiter macht. Hier ist Vorsicht geboten.

    • @flipmar:

      Die Zeit ist verloren gegangen weil die Überwachungsaktivisten des Staates so lange auf ein Konzept gedrängt haben, dass zu wenig Menschen benutzen wurden.

      Vom Anfang an ein guter App zu bauen wäre nicht schwieriger gewesen.

  • Man muss einfach sagen, dass die derzeitige Praxis, bei Restaurantbesuchen seinen Namen, Anschrift, Telefonnummer und Uhrzeit (von - bis) in ein Formular eintragen zu müssen, datenschutzmäßig sicherlich problematischer ist. Ob haufenweise handschriftlich ausgefüllte Formulare in irgendwelchen Ordnern in Restaurants unbedingt hilfreich sind, Infektionsketten schnell nachvollziehen zu können, ist auch eher fraglich.

    So eine App wäre eine Hilfe, nicht mehr und nicht weniger.